EINLEITUNG: documenta EFFECTS

2007 findet zum zwölften Mal die documenta statt, die seit 1955 nicht nur internationale Kunst nach Kassel bringt, sondern die Stadt selbst verändert: Hunderttausende von Besuchern, die informiert, transportiert, verköstigt und oft auch untergebracht werden wollen. Kunstwerke, die in den städtischen Alltag intervenieren – und dabei stören, zur Mitwirkung auffordern oder provozieren. Ausstellungsbauten und -orte, die neue Räume erschließen und aktivieren, oder auch bestehende Nutzungen verdrängen. Und viele clevere Trittbrettfahrer, die den Trubel für ihre eigenen Ideen nutzen. Für 100 Tage weht alle fünf Jahre ein frischer und internationaler Wind durch die Stadt – doch welche Spuren bleiben davon nach Ende der Ausstellungen?

Eine Projektwerkstatt am Fachgebiet Architekturtheorie und Entwerfen der Universität Kassel mit Studierenden der Studiengänge Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung und Visuellen Kommunikation hat sich im Sommersemester 2007 diesem Thema zugewandt und diese Webseite, eine Ausstellung sowie eine Publikation mit Audio-Stadtführung erstellt.

Das Thema ist von allgemeiner Relevanz: Künstlerisch-kulturelle Projekte spielen als neue Form der Stadtentwicklung mit soft tools in den letzten Jahrzehnten eine zunehmende Rolle. Dies gilt gleichermaßen für die großmaßstäbliche Eventisierung der Stadtentwicklung und die zunehmende Bedeutung von Imagepolitiken wie auch für die Einbeziehung von Künstlern in Stadtentwicklungsprojekte im kleinen Maßstab z.B. für experimentelle räumliche Interventionen.

 

Zugleich haben sich in der zeitgenössischen Kunst eine Vielzahl von Positionen und Praktiken herausgebildet, die interventionistisch in urbane Situationen eingreifen – ob etwa kommunikativ, partizipatorisch oder kritisch.

Die documenta in Kassel als künstlerisch hochrangiges und zugleich ungewöhnlich publikumswirksames Ereignis ist durch ihr über fünfzigjähriges Bestehen sowie ihre stets neu entworfene räumliche Struktur ein hervorragendes Fallbeispiel, um die Wechselwirkung zwischen Kunst und Stadt zu diskutieren. Während die documenta in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens in Kassel zuweilen durchaus kritisch beäugt wurde und manch heftigen Widerständen ausgesetzt war, wird sie inzwischen mit wenig kritischer Distanz als positives Zeichen gefeiert. Manche Wirkungszuschreibung erweist sich als Wunschprojektion, andere Aspekte hingegen werden kaum oder gar nicht wahrgenommen.

Die Frage nach den Wechselwirkung zwischen Kunstausstellung und Stadt ist im Kontext der documenta 12 von besonderer Relevanz, da diese für sich in Anspruch genommen hat, mehr als ihre Vorläufer in den Lebensalltag der Stadt hineinzuwirken und die Ausstellung wieder mehr in Kassel zu verankern.