DER HIMMELSSTÜRMER: STADTMARKETING

Jonathan Borofskys Man Walking to the Sky – besser bekannt als der »Himmelsstürmer« – ist mit Abstand das in Kassel beliebteste Kunstwerk einer documenta-Ausstellung. 1992 wurde noch während der documenta 9 bereits über den Verbleib der Skulptur verhandelt und eine groß angelegte Spendenaktion unter dem Motto »Himmelsstürmer für Kassel« ins Leben gerufen: Schüler verkauften 600 selbstgebaute kleine Himmelsstürmer-Statuen, eine Kasseler Molkerei und einige Weinläden spendeten für jedes verkaufte Produkt einen Beitrag für das Kunstwerk und das Land Hessen beteiligte sich mit 300.000 DM. Bereits nach einem Jahr war der Kaufpreis von 635.000 DM beisammen, zwei Jahre später konnte die Skulptur am neuen Standort vor dem Kulturbahnhof aufgestellt werden. Als zuversichtliches Wahrzeichen einer aufwärts strebenden Entwicklung ist der Himmelsstürmer nicht nur das Lieblingskunstwerk der Kasseler Bevölkerung und ein beliebtes Motiv für Fotos und Postkarten, sondern eine weit verbreitete Identifikationsfigur: Neben Merchandisingprodukten wie Mini-Skulpturen oder Schneidebrettchen ist er allgegenwärtig als Symbol von Vereinen, Restaurants und Institutionen. Inzwischen wirbt sein Konterfei sogar für Deutschland, im Rahmen des Themenjahrs 2007 Kunst- und Kulturland Deutschland. Das Kunstwerk ist – wie viele andere Arbeiten Borofskys – zu einem Werkzeug des Standortmarketings geworden. Ohne kritisches Potenzial ist es gerade deswegen so populär, weil es wichtige gesellschaftliche Realitäten mildert: Zeichen des Aufbruchs, auch wenn ihnen nur Symbolcharakter zukommt, sind in demografisch und wirtschaftlich prekären Regionen wie Nordhessen hoch willkommen.