Spielwarenfabrik (Puppelei)

 

Ende der 1840er Jahre wurden in den Kasseler Zuchthäusern an der Fulda und in der Stadtkaserne Fabriken für Kinder-Spiel-Waren errichtet.

 

Das Zuchthaus erhielt 1848 den ersten Vertrag über die Produktion von Spielwaren, welcher mit den Kasseler Unternehmern Adolf Weber und Wilhelm Scheller geschlossen wurde. Wilhelm Scheller wurde Inhaber dieser Fabrik, in der ab 1853 August Wittich als Teilhaber seine Arbeit antrat. Im Jahr 1861 stiegen Wilhelm Scheller und Adolf Weber aus dem Unternehmen aus, in dem dafür der Fabrikant Friedrich Scherb seine Arbeit begann.

 

Im September 1866 arbeiteten in der Spielwarenproduktion 169 von den 188 inhaftierten Personen.

 

Im Februar 1878 bekam die Spielwarenfabrik einen neuen Inhaber, den aus Ziegenhain stammenden Fabrikanten Gustav Schreiber, der bis 1884 dort Spielwaren produzierte.

 

August Wittich kaufte im August in Oberkaufungen zwei nebeneinander liegende Grundstücke an der Leipziger Straße. Auf dem einen Grundstück, in der Holzschneidemühle, richtete er eine neue Spielwarenfabrik ein,in der hauptsächlich Puppen hergestellt wurden. Aus diesem Grund sprach man im Volksmund von der „Puppelei“. Schon bald konnten 40 Arbeiter beschäftigt werden. Sie produzierten auch viel Exportware aus Holz, die in viele Länder transportiert wurde. Doch damit wurde die Fabrik krisenanfällig und noch im selben Jahr mussten 12 Arbeiter entlassen werden.

Doch 1885 arbeiteten wieder 40 Männer und Frauen.

 

1889 wurde die Spielwarenfabrik von August Wittich an die Gesellschafter-Fabrikanten Guido Bathol und Jean Grebe verkauft, die bis 1894 die Produktion leiteten, danach wurde der Betrieb eingestellt.

 

(vgl. Winfried Wroz)

 

 

Heute sind auf dem Grundstück das Wohnhaus von Jochen Barchfeld, Inhaber der angrenzenden Schreinerei, drei weitere Wohneinheiten sowie im Erdgeschoss die Musikschule + Musikhandel Rosmanith-Köhler und der Frisörsalon Saalfeld zu finden.

 

 

Text von Nicole Neubauer (15.01.2008)

 

Quellen Wroz:

 

Staatsarchiv Marburg:

StAM Bestd. 165

Nr. 3145 Bd. 1

Nr. 484 Anlegung von Fabriken,

Bd. 1 1868-1880, Bd. 2 1881-1884, Bd. 3 1885-1888

Bd. 4 1889-1891, Bd. 5 1892-1898, Bd. 6 1899-1905

Nr. 2773 Lage der Industrie in der Provinz,

Bd. 6 1892-1898, Bd. 7 1899-1902

Nr. 3145 Lage der Industrie in der Provinz,

Bd. 1 1876-1879, Bd. 2 1880-1882, Bd. 3 1883-1884, Bd. 4 1884-1886, Bd. 5 1887-1891

 

StAM Bestd. 180 Kassel, Nr. 2078

 

StAM Prot. II, Nr. 7 Oberkaufungen Bd. 8, Nr. 2710

 

 

Literatur Wroz:

 

Bachmann, Manfred (1986):

Spielwarenbücher und –kataloge aus Quellen zur Alltagsgeschichte. – In: Jeggle/Korff/Scharfe/Warneken (Hg.): Volkskultur in der Moderne. Probleme und Perspektiven empirischer Kulurforschung. Reinbek bei Hamburg, S. 145-160

 

Kolling, Hubert (1995):

„Diese für Hessen ganz neue Industrie…“. Die Etablierung von „Kinder-Spiel-Waren-Fabriken“ in den kurhessischen „Straf- und Besserungsanstalten“ 1848-1884 – In: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte Bd. 45, Marburg, S. 205-222

 

Söhlke, G.:

Illustrierter Katalog und Preis-Kourant des größten und wohlsortiertesten Lager von Kinder-Spiel-Waren der eigenen Fabriken zu Berlin und Petersdorf in Schlesien, sowie derjenigen Deutschlands, Frankreichs und Englands. Berlin 1858