Hercules-Werke

 

Die Vorstellung einer Frauenfigur im 19. Jahrhundert lag in einer Wespentaille, die einen Durchmesser von nur 40 cm aufweisen sollte. Allerdings brachte diese Idealvorstellung der Frauenfigur schwere gesundheitliche Schäden mit sich, denn die Metallstangen, die sich im Korsett befanden, die die Frauen tragen mussten, drückten die inneren Organe zusammen und die Wirbelsäule wurde in ein Hohlkreuz gelegt.

 

„Um diese gesundheitlichen Schäden zu mindern, ließ sich Hermann Heinrich Wagener am 10. Januar 1893 ein Verfahren zur Herstellung von Drahtflachfedern aus einer beliebigen Anzahl von Drahtspiralen patentieren. […] Wagener hatte 1891 mit seinem Kompagnon Schilling mit 8 Beschäftigten in Kassel eine Draht- und Stahlwarenfabrik gegründet.“ (Wroz)

 

Im April 1895 ließen sich Wagener und Schilling ein Verfahren patentieren, bei dem die Drahtflachfedern eine leichtere Biegsamkeit und höherer Anpassung an der Körper erreichten. Diese Drahtflachfedern bekamen den Namen der hochgelobtenHerkules-Spiral-Corsettfedern“ (Wroz).

 

Zwischen 1892 und 1895 stieg die Zahl der Beschäftigten von 16 auf 45 an.

Auch in den Jahren nach dem 1. April 1895, an dem die Fabrik ihre Produktion in die Räume der ehemaligen Spielwarenfabrik der Leipziger Straße in Oberkaufungen verlagerte, stieg die Anzahl der Mitarbeiter weiter auf 80 an. Die Fabrik lief unter dem Namen Wagener und Schilling, Inhaber Dr. Hubert Scheck, Prokurist. Heinrich Torley).

 

1899 verlagerten sie erneut ihren Standort, allerdings innerhalb Oberkaufungen, nach Auf der Struth, wo sie die Zahl von 100 Mitarbeitern schnell überschritten.

 

Inhaber der Firma war in den Jahren 1895 bis 1898 Dr. phil. Hubert Scheck, anschließend bis 1903 seine Witwe Dr. Bertha Scheck, die von dann von dem Prokurist und späteren Direktor Heinrich Torley abgelöst wurde.

 

„Die Produktion hat über viele Jahre regelrecht geboomt.

In den folgenden Jahren errang die Firma viele nationale und internationale Auszeichnungen.“ (Wroz)

 

Seit 1926, als die Jahre der Weltwirtschaftskrise kamen, ging es mit dem Betrieb stetig bergab. Sie fanden (gerade, was das Ausland betrifft) keine Abnehmer mehr für ihre Produkte und somit verschlechterte sich die finanzielle Lage der Firma, was Entlassungen zur Folge hatte.

Am 25. August 1936 erfolgte der Verkauf des Grundstücks an den Kaufmann Fritz Boll aus Kassel und am 30. September 1936 die Abmeldung des Gewerbebetriebes.

 

Damit war das Ende eines großen Betriebes in Oberkaufungen erreicht.“(Wroz)

 

 

(vgl. Winfried Wroz)

 

 

Seit den 1940er Jahren ist das Grundstück im Besitz von SiKA, Dr. Siebert und Kühn GmbH & Co KG, einer Firma zur Herstellung von Mess- und Überwachungsgeräten weltweit.

 

 

Text von Nicole Neubauer (15.01.2087)

 

Quellen Wroz:

 

Beobachter an der Losse. Allgemeiner Anzeiger für den Amtsgerichtsbezirk Kaufungen und Umgebung 1897 – 1916. Hessisch-Lichtenau

(eine Kopie befindet sich im Regionalmuseum Kaufungen)

 

Gemeindearchiv Oberkaufungen

Abteilung IX, Abschnitt 3, Konvolut 31, Fascikel 10

Steuerrückstände, hier: Herkuleswerke Oberkaufungen 1931

 

Abteilung X, Abschnitt 2, Konvolut 7, Fascikel 6

Firma Herkuleswerke-Spiralfederfabriken GmbH 1931-1939

 

Kaiserliches Patentamt Berlin

Patentschrift Nr. 76912 – Klasse 49: Mechanische Metallverarbeitung

Hermann Heinrich Wagener in Kassel

Verfahren zur Herstellung von Drahtflechtfedern aus einer beliebigen Anzahl von Drahtspiralen.

Patentiert im Deutschen Reiche vom 10. Januar 1893 ab

 

Patentschrift Nr. 91374 – Klasse 49: Mechanische Metallverarbeitung Wagener und Schilling (Inhaber Dr. H. Scheck)

Verfahren zur Herstellung mehrgängiger Drahtflachfedern

Patentiert im Deutschen Reiche vom 7. April 1895 ab

 

Patentschrift Nr. 102269

Wagener und Schilling in Oberkaufungen b. Kassel

Verfahren zur Herstellung von Drahtschraubentuch

Patentiert im Deutschen Reiche vom 12. Mai 1898 ab

 

StAM Bestd. 165 Nr. 27773 Bd. 6

 

Literatur Wroz:

 

Gottfried, Claudia:

Mit Korsett und Diät zur Wespentaille. Der Schlankheitskult um 1900. – In: Geschichte lernen, 18. Jg., H. 103, Velber 2005, S. 32-36

 

Jordan, Helmut:

Industrialisierung in Helsa. Herausgegeben vom Geschichtsverein Helsa. Helsa, o.J.

 

Wothe, Anny (Hrsg.):

Unsere Mädel und Buben. Ein praktischer Wegweiser für Eltern und Erzieher unter Mitwirkung erfahrungsreicher Mütter und Pädagogen.

Leipzig o.J. (1900)