Gleimische Tuchfabrik, “ehem. Hintermühle“ Wickenrode

 

(Bearbeiter: Oliver Thassler, Stand 20.11.07)

 

Lage

 

Die Mühle befindet sich in Wickenrode innerhalb eines Wohnquartiers, nördlich von Helsa. Sie steht gegenüber der heutigen Feuerwehr und ist beim Hirschbergwasser und dem Faulbachwasser gelegen, die sie einst speisten.

 

Besitzfolge

 

 

Johannes Noll

und Ehefrau, geb. 1579, verst 1667 "Möhlenhans"

 

Hans Weber, verst. 1692

 

Melchior Weber, verst. 1778

und I Ehefrau, geb. 1656, verst 1686

und II Ehefrau, geb. 1661, verst 1779

 

Christoph Weber, geb. 1695, verst 1749

 

Johann Georg Weber, geb. um 1730, verst. 1777

und Elisabeth, geb. Liphardt, geb. 1727, verst 1805

Zimmermann, Sohn des Christoph Weber

 

Johann Adam Weber, geb. 1721, verst. 1790

und Anna Katharina, geb. 1727, verst. 1805

Zimmermann, Kastenmeister

 

Johann Franz Weber, geb. 1765

Müllermeister und "Zeuner"

 

Chrisioph Krafft, geb. um 1780

und Martha Elisabeth, geb. Eckhardt

Pachtmüller (wohnten im Haus Nr. 84 - heute Faulbachstraße 7)

 

Johann Heinrich Weber, geb. 1794, verst. 1829

und Katharina Elisabeth, geb. Heinemann, geb. 1796, verst. 1877

Sohn des Johann Franz Weber,

Sohn Heinrich, geb. 1822, verstirbt 1856 im Zwangsarbeitshaus Ziegenhain

 

Christian Christoph Friedrich Pollmann, geb. um 1785

Pachtmüller ab 1831, kam aus Pummeken, Fürstentum Lippe

 

 

Beschreibung

 

Eine Walkmühle mit einem Rad.

 

Die Hintermühle, auch Mittelmühle genannt, befand sich im oberen, quergestellten Fachwerkgebäude der sogenannten Fabrik, heute Privatweg. Auch das Rad dieser Mühle wurde oberschlägig vom Faulbachwasser und dem des Hirschbergbaches getrieben. Eigentümer war 1778 Johann Adam Weber, der einen Taler Steuer entrichten musste und dem die Aufgabe der Jagdhundpflege oblag. Auch hier war ein Teich im sogenannten „Teichhof“ für Wassernotstände angelegt. Die Hintermühle befand sich über die Jahrhunderte fast ausschließlich im Besitz der Familie Weber

 

Chronik

 

1830

Erwerb der Mühle durch Georg Friedrich Gleim

1860-1870

Übernahme des Betriebes durch Richard Gleim

1875

Konkurs der Tuchfabrik

Nach 1875

Verkauf und Umgestaltung der Gebäude zu Wohnungen 
durch Heinrich Mühlhausen

2007

Wohngebäude und Nutzgarten, Mehrfamiliennutzung

 

 

Etwa gegen 1830 erwarb der in Melsungen geborene Georg Friedrich Gleim die Hintermühle, um  sie zu einer Fabrik umzubauen und zu vergrößern. Gleim heiratete eine Wickenröderin namens Voß, eine Enkelin des damaligen Bürgermeisters Noll. Schon bald wurde das große Gebäude, so wie es heute noch vorhanden ist, an die Mühle angebaut. Das Mühlrad lieferte (neben einer Kesselanlage) die Kraft für die Maschinen der Fabrik. Oberhalb der Mühle war ein Teich angelegt zur Verstärkung der Wasserkraft des Mühlrades. Neben einer Färberei gab es eine Weberei ( 8-10 Webstühle ).und eine Spinnerei. Im Erdgeschoß wurde Wolle zubereitet. Auf dem den wurden Materialien (Garne und dergl.) gelagert. Im Fabrikhof stand eine ausgebaute Scheune, in der das Büro untergebracht war. Hinter der Fabrik, am Bachlauf, standen hohe Holzgerüste, wo Tuche aufgespannt, geglättet und getrocknet wurden.

 

Zwischen 1860-1870 stand das Werk in voller Blüte. Viele Wickenröder fanden hier Arbeit und Brot. Der Sohn des Gründers, Richard Gleim hatte inzwischen den Betrieb übernommen. Er kaufte ein Haus in der Ringenkuhler Straße, baute es um und wohnte dort mit seiner Familie. Seine Frau war in späteren Jahren durch Krankheit an den Rollstuhl gebunden. Für sie legte Gleim schöne Terrassengärten zwischen Fabrik und Wohnhaus an und einen Weg, der mit dem Rollstuhl befahren werden konnte.

 

Nach 1870 entstanden Absatzschwierigkeiten. Gleim maßte einen Teilhaber akzeptieren. Vorübergehend kam es nach Gründung einer Verkaufsstelle in Cottbus wieder zu einer besseren Ertragslage. Dies war Anlaß für ein großes Fest im Ort mit einem herrlichen Feuerwerk. Doch schon bald gab es erneut Schwierigkeiten. 1875 maßte der Konkurs angemeldet werden. Gleim zog mit seiner Familie nach Melsungen.

 

Das riesige Fabrikgebäude stand leer. Für eine gewisse Zeit war in den unteren Räumen eine Lohgerberei untergebracht, die jedoch nicht allzulange im Betrieb war. Schließlich wurde die gesamte Fabrikanlage und das Gleimsche Wohnhaus von Heinrich Mühlhausen gekauft. Das Fabrik- und das Mühlengebäude wurden zu Wohnungen umgestaltet. Diesem Zweck dienen sie heute noch.

 

 

Sozialgeschichte

 

1860

10 Webstühle, 100 Beschäftigte

1875

Stilllegung als Mühle

 

 

 

Aktueller Zustand und Nutzung

 

Das Gebäude ist als Wohnhaus genutzt. Ein Mühlrad existiert nicht mehr, das Gebäude ist als Mühle nicht mehr erkenntlich. Ein Mühleninventar fehlt. Eine Gartennutzung schließt sich dem Gebäude an (Erholungsnutzung). Das Gebäude ist saniert und hat ein neues Dach. Zum Garten (traufseitig) ist das Fachwerk noch zu erkennen, es ist restauriert. Zur Strasse ist die Fassade mit modernen Verbundplatten verblendet, das Fachwerk ist nicht erkenntlich, die Sprossenfenster sind durch einfache Gesamtglasfenster ausgetauscht. Das Feldsteinfundament ist noch intakt und sichtbar.

 

 

Quellen:

 

Brandt (2007): Die Gleimsche Tuchfabrik in Wickenrode. Skript. 1. S.

Geländeaufnahme und Gesprächsnotizen mit Herr Brandt am 12.11.07