Thema  GIS-Grundlagen
Schwerpunkt : Anwendungen in Geografie, Stadt- und Landschaftsplanung
Semester  Wintersemester 2003/2004
Dozent  Klaus Horn 
EMail  horn.gis@uni-kassel.de 
 


Projekt "Wohnen in Kassel"

Wohnqualität als Potenzial der Städte
Einführung in die Fragestellung des Projektes

Sabine Demel

Der erkennbare Wandel der gesellschaftlichen Lebensformen und die Pluralisierung der Lebensstile haben die Ansprüche an den Wohnstandort, die Wohnung und das Wohnumfeld massiv verändert. Auf dem derzeit entspannten Wohnungsmarkt legen die Nachfrager andere Maßstäbe an als in den vergangenen Zeiten der Wohnungsnot. So verzeichnen insbesondere die Städte -abgesehen von den wirtschaftlichen Wachstumsmetropolen München, Hamburg, Frankfurt- eine beträchtliche Zunahme der Wohnungswechsel und Abwanderungsbewegung. Schon heute sind es in zunehmendem Maße die Qualitätsansprüche der Haushalte, die den Weg- oder Umzug auslösen.

Das spricht dafür, dass angesichts der schrumpfenden Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland die qualitativen Merkmale der Wohnung und der Wohnumgebung eine immer bedeutendere Rolle bei der Wohnstandortwahl spielen müssen. Nur ein verstärktes nachfrageorientiertes Wohnungsangebot kann die Städte als Wohnstandort für die Bevölkerung wieder attraktiv machen und somit die negativen Entwicklungen (Suburbanisierung insbesondere einkommensstarker Bevölkerungsgruppen, Segregation, Entstehen sozialer Brennpunkte, etc.) eindämmen. Die neue Devise lautet: Nachfrageorientierung.

Das Erkennen der aktuellen Nachfragetendenzen allein reicht nicht dafür aus. Eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche nachfrageorientierte Wohnungspolitik ist die genaue Kenntnis des Wohnungsmarkts. Die Kommune muss wissen, welche Nachfrage besteht und welche Wohnstandorte im Stadtgebiet für unterschiedliche Nachfrager attraktive Wohnqualität aufweisen (können). Eine wesentliche Rolle spielt in diesem Zusammenhang nach der Eigentumsbildung bekanntermaßen die Wohnqualität.

Um Einblicke in die Eignung ihrer Wohnstandorte für verschiedenen Nachfrager zu erhalten, bieten sich für die Städte verschiedene Möglichkeiten an. Wie die beiliegende Arbeit zeigt, eröffnet die Untersuchung, inwieweit an einem Wohnstandort die Rahmenbedingungen für die Erfüllung der nachgefragten Wohnwünsche und -präferenzen gegeben sind, interessante Potenziale. Hier wurde mit Hilfe eines formalisierten Bewertungssystems, die Wohnqualität GIS-gestützt aufgrund vorhandener Datengrundlagen ermittelt.

Abweichend zu anderen Verfahren wurde erstmals die Bewertung der Wohnqualität für unterschiedliche Nachfrager angestrebt. So bildet insbesondere die Einbeziehung der Nachfrager und ihrer Lebensstile eine wesentliche Säule des Bewertungssystems. Aufgrund der Erkenntnis von HILPERT/STEINHÜBL und SCHNEIDER/SPELLERBERG, dass sich Lebensstile in typischen Wohnverhalten und -qualitäten ausprägen, sind folgende sechs möglichst repräsentative Nachfragetypen entwickelt worden:

  1. [E1] einkommensstarke Eltern mit Kinder
  2. [E2] einkommensschwache Eltern mit Kinder
  3. [P1] einkommensstarke junge, kinderlose Paare und Singles
  4. [P2] einkommensschwache junge, kinderlose Paare und Singles
  5. [S1] einkommensstarke aktive Senioren und
  6. [S2] einkommensschwache aktive Senioren

Für jeden dieser Nachfragetypen wurde ein eigenständiger Bewertungskatalog entwickelt, in dem architektonische, quartiersbezogene und standörtliche Merkmale kombiniert sind. Anhand dieser Vorgaben wurden die Wohngebiete der Stadt Kassel exemplarisch für jede der sechs Nachfragetypen GIS-gestützt untersucht. Wie die beiliegende Arbeit veranschaulicht, konnten plausible und äußerst aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden. Ohne Zweifel kann behauptet werden, dass dieses Bewertungssystem ein attraktives Instrument darstellt, das mit relativ geringem Aufwand entwicklungsrelevante Aussagen in hoher räumlicher Auflösung liefern kann. Vom Aufbau her ist es problemlos für Modifikationen und Ergänzungen offen und läßt sich effizient GIS-gestützt anwenden. So wäre denkbar, einen Vergleich der Kasseler Wohnqualität mit den Umlandgemeinden durchzuführen oder das Bewertungssystem weiterzuentwickeln, dass es als Informationsinstrument für Wohnungssuchende in Kassel dienen kann.

Literatur :

 
HILPERT, M.; STEINHÜBL, D.: 
Lebensstile in der Stadt - Eine empirische Studie am Beispiel Augsburg; 
Rainer Hampp Verlag München und Mehring 1998. 
 
SCHNEIDER, N.; SPELLERBERG, A.: 
Lebensstile, Wohnbedürfnisse und räumliche Mobilität 
Leske + Budrich, Opladen 1999.

 

letzte Bearbeitung am 18.06.2004
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