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Literatur und Philosophie  
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II
  Literatur und Philosophie
Editorial
Kultur ist ein überaus schillernder, vieldeutiger Begrif f. So be-
nennt er z.B. als Gegenbegriff zu Natur alles, was von Menschen-
hand »kultiviert«, also bearbeitet wird. Dagegen verengt er sich
in seiner »klassischen« Verwendung zu einem Oberbegrif f für
schöpferisch-ästhetische Leistungen in Musik, Kunst und Lite-
ratur. Gleichgültig aber, wie man Kultur verstehen will, eines gilt
immer: statisch ist sie nie. Denn in dem Maß, in dem sich Natur,
Technik und Gesellschaf t verändern, verändert sich auch die Kul-
tur mit all ihren Ausprägungen. Alle Menschen werden in eine Kul-
tur hineingeboren, sind auf sie angewiesen, von ihr abhängig und
schaf fen sie doch auch gleichzeitig selbst. Denn Kultur ist eine
spezifische Lebensform einer je spezifischen Gruppe zu einer je
spezifischen Zeit an einem je spezifischen Ort. Und somit ist Kul-
tur gar nicht im Singular denkbar, nicht per se eine repräsentati-
ve Größe, sondern nur als Pluralität von Kulturen und deren Teil-
kulturen zu erfassen, die sich gegenseitig ergänzen, integrieren,
befruchten, aber auch ausschließen können.
Die Universität Kassel ist ein Ort, an dem Mitarbeitende wie
Studierende diese Pluralität der Kulturen leben und dabei Kultur-
leistungen erbringen, die nicht auf den universitären Raum be-
grenzt bleiben.
Da gibt es die renommierte Kunsthochschule, das Institut für
Musik mit seinem Chor und Orchester, den Fachbereich Geistes-
und Kulturwissenschaf ten. Es gibt das Studententheater, die Eu-
lensaalgespräche, den Science und Philosophy Slam, Examens-
und Kunstausstellungen, Rundgänge, (Trick-)Filmvorführungen,
Autorenlesungen und noch vieles anderes mehr, aber eben auch
die »Agrikultur«, die recht eigentlich den Beginn aller Kulturent-
wicklungen markiert.
Und immer stehen diese künstlerischen Betätigungen in einem
wechselseitigem Austausch mit den Wissenschaf ten, die ihre
Themen theoretisch und interpretierend aufgreifen: den Litera-
turwissenschaf ten, der Philosophie, den Kunst- und Musikwis-
senschaf ten in ihren unterschiedlichen, spezifischen Ausrichtun-
gen. Seit jeher ist es deren Aufgabe, die künstlerischen Produkte
aus Geschichte und Gegenwart in Forschung und Lehre über die
Intention ihrer Erschaffer hinaus zu sichten, zu kategorisieren, zu
systematisieren und nicht zuletzt auch zu (be)werten.
Studierende wie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entwickeln
aus den so unterschiedlichen Disziplinen heraus ihre kreativen
Begabungen, erproben, wagen Neues und reflektieren kritisch
das eigene Tun. Indem sie ihre methodischen und theoretischen
Kompetenzen in ganz verschiedenen Medien und Formaten prak-
tisch umsetzen, üben sie Formen der Vermit tlung ein und erleben
die sinnlich-emotionalen Komponenten einer künstlerisch-per-
formativen Betätigung.
All diese kulturellen Aktivitäten machen einen nicht uner-
heblichen Teil des universitären Lebens aus. Sie ergänzen und
bereichern in hohem und überaus produktivem Maß Lehre wie
Forschung. Und ihre Akteure sind wichtige Botschaf ter unserer
Universität, denn sie machen sie in Stadt und Region sichtbar und
wirken in ihrer bunten Vielfalt noch weit darüber hinaus.
Claudia Brinker-von der Heyde
Vizepräsidentin der Universität Kassel