"Eine Stimme, die jeder versteht…"

Die von vier Kasseler Studentinnen des Masterstudienganges Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, Linda Alphei, Astrid Lange, Kelly de Oliveira und Vimansani Pathirana, unter dem Titel „Eine Stimme, die jeder versteht...“ durchgeführten Projekte fokussierten das handlungsorientierte Deutschlernen an kulturellen Orten in Kassel mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF). Die an diesen Projekten beteiligten Jugendlichen lernten während der Durchführung der beiden Projekte am Institut für Sprachen in Kassel Deutsch, um im Anschluss in das deutsche (Aus-)Bildungssystem integriert zu werden. Sie zeigten dabei hohe Motivation und große Bereitschaft, nicht nur die deutsche Sprache zu erlernen, sondern sich auch auf ihre neue Lebenswelt einzulassen.

Daher war es das Ziel der beiden Projekte, den UMF einen Zugang zu beliebten Orten in Kassel zu ermöglichen und sie für die kulturelle Identität der Stadt zu sensibilisieren. Zugleich wurden sie dazu befähigt, ihre sprachlichen Kompetenzen anhand authentischer Sprech-, Schreib- und Leseanlässe zu erweitern.

Im Rahmen des ersten Projekts im Sommer 2015 führten zwei Exkursionen zu zwei außerschulischen Lernorten: Zum Herkules, dem Schlosspark Wilhelmshöhe, in die Karlsaue und die Orangerie. Der Ausflug zum Herkules und in den Schlosspark Wilhelmshöhe fand am 23.07.2015 statt. Der Besichtigung des Herkules und des Oktogonschlosses folgte ein Spaziergang in den Schlosspark, wo sich alle Teilnehmer_innen zu einem Picknick trafen. Der Spaziergang zur Orangerie erfolgte eine Woche später am 07.08.2015. Unterwegs passierten die Schüler und Schülerinnen verschiedene Außenkunstwerke im Auepark, zum Beispiel die „Spitzhacke“ von Claes Oldenburg, die „Idee di Pietra (Ansichten eines Steins)“ von Giuseppe Penone und die Skulpturen vor der Orangerie, zu denen verschiedene Aufgaben bearbeitet werden sollten. Der Tag wurde mit einem gemeinsamen Essen abgeschlossen.

An beiden Exkursionstagen erledigten die Schülerinnen und Schüler auf spielerische Weise

Aufgaben an verschiedenen Stationen (Bewegungsspiele, Sprach- bzw. Dialogübungen, kleine Musik- und Kunstprojekte). Die Aufgaben waren so konzipiert, dass auch Schülerinnen und Schüler mit geringen Sprachkenntnissen sie bewältigen und somit Erfolgserlebnisse erzielen konnten. Zusätzlich bekamen die UMF an beiden Tagen die Aufgabe, unterwegs mit Einwegkameras Fotos zu machen. Das ermöglichte es ihnen, ihrer individuellen Sichtweise der Kasseler Orte eine Form zu geben.

Die Ergebnisse des ersten Projekts wurden am 20.08.2015 in Form einer Fotoausstellung am Institut für Sprachen gezeigt. Zusätzlich zu den Arbeitsblättern, die während der Ausflüge bearbeitet worden sind, präsentierten die Schülerinnen und Schüler im Rahmen der Ausstellung ihre Fotos und selbst angefertigte Plakate und Collagen. Die Plakate beinhalteten Sprechblasen und Denkblasen, anhand derer die Schüler ihre Erinnerungen und Eindrücke der beiden Ausflüge wiedergaben. Den Ausstellungsbesuchern wurde so Gelegenheit gegeben, diese beliebten und bekannten kulturellen Orte Kassels durch die Augen der jungen Flüchtlinge zu erleben. Das Projekt schulte nicht nur sprachliche Kompetenzen, sondern auch Teamfähigkeit, Empathie und selbstständiges Lernen – Fertigkeiten, die die UMF aufgrund ihrer bisherigen Bildungsbiografie häufig noch nicht erworben haben, die jedoch für die Eingliederung in das deutsche Schul- und Ausbildungssystem essentiell sind. Außerdem verbesserte sich auch das Zusammengehörig-keitsgefühl und die Atmosphäre in den einzelnen Lerngruppen.

Das zweite Projekt, welches im November 2015 im Auftrag des Fachbereichs 02 Geistes- und Kulturwissenschaften der Universität Kassel von Linda Alphei, Kelly de Oliveira, Vimansani Pathirana durchgeführt wurde, fokussierte ebenfalls ein handlungsorientiertes Deutschlernen an kulturellen und sehenswerten Orten in Kassel. Auch hier setzte sich die Zielgruppe aus unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zusammen. Neben der außerschulischen und handlungsorientierten Sprachvermittlung enthielt das zweite Projekt zusätzlich einen fächerübergreifenden Schwerpunkt. Das Projektteam plante einen gemeinsamen Spaziergang entlang der alten Stadtmauer zur Orangerie in der Karlsaue. Im Anschluss daran stand ein Besuch, inklusive Führung, im Planetarium an. Nach der Führung gab es Kaffee und Kuchen im angrenzenden Restaurant der Orangerie.

Wie beim ersten Projekt so erfolgte auch hier die Planung anhand eines „Drei Phasen-Modells“. Die erste Phase, die Vorbereitung und Vorentlastung, verlief wie im ersten Projekt als integrativer Bestandteil des regulären Unterrichts. Die zweite Phase, die Exkursion, kombinierte die Sachvermittlung mit der Sprachvermittlung. Die Lernenden sollten im Rahmen dieses Projekts auch die Gelegenheit bekommen, die Inhalte eines schulischen Fachunterrichts, in diesem Fall Geographieunterricht, kennenzulernen. Der Schwerpunkt der Übungen und Aufgaben lag abermals auf der Erfolgsorientierung. Auch  Lernende mit geringen Sprachkenntnissen sollten bei der Bearbeitung der Übungen und Aufgaben keine Schwierigkeiten haben. Zusätzlich bekamen die UMF erneut den Auftrag, unterwegs und an den Stationen mit Einwegkameras Fotos zu machen. Die dritte und letzte Phase des Projektes bestand aus einer umfassenden Ausstellung im Foyer des Fachbereichs 02, die vom 10.12.2015 bis zum 11.2.2016 geöffnet war. Im Rahmen einer Vernissage, zu der die teilnehmenden UMF, ihre Betreuerinnen und Betreuer, die Lehrkräfte des Instituts für Sprachen, Lehrende und Studierende des Fachgebiets DaFZ, zeitgleich anwesende Gäste von der Tunis-El Manar Universität (Tunesien) sowie alle Interessierten aus dem Fachbereich 02 eingeladen waren, wurden Plakate und weitere Exponate aus allen Projektphasen präsentiert. Die Wahl des Ausstellungsortes ermöglichte den Jugendlichen einen ersten Zugang zur Bildungsinstitution Universität.

Die Projekte wurden vom Fachbereich Geistes- und Kulturwissenschaften der Universität Kassel, von der Barbara und Alfred Röver-Stiftung des Fachbereichs, von der Sparkasse Kassel und vom Fachgebiet DaFZ großzügig finanziell unterstützt. Zu danken ist auch dem Fachgebiet DaFZ, vor allem Jun.-Prof. Christine Czinglar, für die engagierte und hilfreiche Unterstützung bei der Durchführung beider Projekte.