Wintersemester 2020/21

Die Lehrveranstaltungen im Sommersemester finden online statt. Bitte melden Sie sich, wie gehabt, über Hispos dazu an.

Seminar

Di, 10-12 Uhr, gemeinsam mit Prof. Dr. Mechthild Bereswill

Die systematische Verfolgung und Ermordung von kranken, behinderten oder sozial stigmatisierten Menschen im Rahmen der 1939 begonnenen sogenannten T4-Aktoionen legte den Grundstein für weitere systematische Massenermordungen während des Nationalsozialismus. Mit diesen Aktionen wollte der faschistische Staat diejenigen aussondern, die einerseits nicht den ideologischen Vorstellungen eines gesunden "Volkskörpers" entsprachen und andereseits keinen wirtschaftlichen Beitrag zur "Volksgemeinschaft" zu leisten schien. Bei der Debatte um die historische Wiedergutmachung nach dem Krieg zeigte sich wiederum, wie stabil sich bestimmte Vorstellungen von Krankheit zeigten. Dies betraf auch die Vorstellungen besonderer geschlechtertypologisierender Kategorien.

In dieser Veranstaltung wird deshalb der Fokus auf Aspekten der Patient*innengeschichte, insbesondere während des Nationalsozialismus liegen, wobei wir den Blick jedoch ausdrücklich für Kontinuitäten in der Nachkriegszeit öffnen möchten. Aus einer soziologischen und geschichtswissenschaftlichen Perspektive wird erarbeitet, wie spezifische Verschränkungen von Typologisierungen der Abweichung/Pathologisierung mit Geschlechterkonstruktionen ihre Wirkmacht als legitimatorische Wissensfiguren der Diagnostik und Verwaltung entfalten und wie hierrüber auch bestimmte Opfer- und Täter*innenprofile erzeugt und verfestigt wurden. Neben grundlegenden theoretischen und methodologischen Texten werden auch Patient*innenakten untersucht. Dabei soll erörtert werden, wie schwierig die Rekonstruktion der komplexen Biographien der Opfer anhand dieser Quellen ist und welche methodischen Ansätze Soziologie und Geschichtswissenschaften, von quantitativen Auswertungen von Krankengeschichten hin zu kollektiven Biographien, dafür bereithalten. Dafür werden wir auch mit der Gedenkstätte in Hadamar, wo zwischen 1940 und 1944 rund 15.000 Menschen ermordet wurden, zusammenarbeiten.
Das Seminar möchte sich aber nicht auf die historische Rekonstruktion der Topoi von Rassenhygiene und "Aufartung" beschränken, die insbesondere mit der Euthanasie-Aktion T4 verbunden sind, sondern grundsätzliche Fragen der sozialen Differenzierungen durch "Krankheit" nachgehen und wie diese in "totalen Institutionen" produziert werden.

Literatur zur Vorbereitung:

Goffmann, Erving: Asyle, Frankfurt am Main 1975 (1963).

Roer, Dorothee/Henkel, Dieter (Hrsg.): Psychiatrie im Faschismus. Die Anstalt Hadamar 1933-1945, 2. Auflage, Frankfurt am Main 1996.

Walter, Bernd: Psychiatrie und Gesellschaft in der Moderne. Geisteskrankenfürsorge in der Provinz Westfalen zwischen Kaiserreich und NS-Regime (= Forschungen zur Regionalgeschichte, Bd. 16), Paderborn 1996.

George, Uta/Lilienthal, Georg/Roelke, Volker/Sander, Peter/Vanja, Christina (Hrsg.): Hadamar. Heilstätte - Tötungsanstalt - Therapiezentrum (= Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Quellen und Studien Bd. 12), Marburg 2006.

Seminar

Di, 14 - 16 Uhr

2017 fragte die englische Frühneuzeithistorikerin Erica Fudge, wie es wohl sei, eine Kuh zu sein bzw. welcher Fertigkeiten und Fähigkeiten es eigentlich bedürfe, die Geschichte von Kühen zu schreiben. Sie griff damit eine Frage auf, die der amerikanische Philosoph Thomas Nagel bereits Mitte der 1970er in Bezug auf Fledermäuse gestellt hatte. Neu an Fudges Vorgehen war jedoch, dass sie sich auf Erkenntnisse eines wachsenden Feldes von Forscher*innen berufen konnte, die die Frage nach der Tierperspektive in Tier-Mensch-Beziehungen seither kritisch, produktiv und interdisziplinär angegangen sind. Dieses Feld, die sogenannten Human-Animal Studies, versucht dabei unter anderem die Repräsentation von Tieren in Kunst, Medien und Literatur sowie die Frage nach der kulturell-symbolischen Bedeutung von Tieren zu erforschen. Die Rolle von Tieren und Tierbildern in Denksystemen und der Ideengeschichte westlicher Gesellschaften, Interaktionen zwischen Menschen und Tieren sowie Untersuchungen der tierbezogenen Praktiken bzw. der Behandlung von Tieren in verschiedenen gesellschaftlichen Feldern wie u.a. Wissenschaft, Ökonomie, Landwirtschaft stellen weitere Themen dar, die in den Human-Animal Studies behandelt werden. Dieses Seminar ist eine Einführung in die historischen Human-Animal Studies, die mit Fokus auf die historische Dimension der Wirkmächtigkeit von Tieren auch einfach >Tiergeschichte< genannt wird. Entsprechend wollen wir uns mit den neuen Konzeptionen von Tiergeschichte beschäftigen und debattieren, wie sich der >Animal Turn< in der Geschichtswissenschaft niedergeschlagen hat.

Themen, die in diesem Seminar diskutiert werden sollen, reichen von theoretischen konzeptionen tier-menschlicher Annäherungen bis zu methodisch-handwerklichen Umsetzungen des Forschungsprogrammes der Human-Animal-Studies. Wir fragen: Sind Tiere (historische) Akteure und wie können wir das adäquat wiedergeben ? Oder sind sie doch bloß Repräsentationsfiguren außerhalb menschlicher Historiographie und ihren Zugriffen ? Anhand von empirischen Arbeiten zur Haus- und Nutztierhaltung  und der Geschichte der Zoos werden wir zu eruieren versuchen, wie die Tiergeschichte mit diesen Fragen umgeht.

Ziel des Seminars ist es, grundlegende Aspekte der Human-Animal Studies und der Tiergeschichte zu rekapitulieren und anwenden zu können. Die Teilnehmer*innen sollen darüber hinaus in die Lage versetzt werden, die Relevanz theoretischer Konzepte für die Geschichtsschreibung zu erkennen.

Da das Forschungsgebiet der human-Animal Studies sehr eng mit anglo-amerikanischen, kulturwissenschaftlichen Diskursen verbunden ist, wird ein Teil der im Seminar zu bearbeitbarer Literatur englischsprachig sein. Sichere (passive) Englischkenntnisse sind deshalb erforderlich. 

Literatur zur Vorbereitung:

Aline Steinbrecher, Auf Spurensuche. Die Geschichtswissenschaft und ihre Auseinandersetzung mit den Tieren, in: Westfälische Forschungen, H. 62 (2012), S. 31-50.

Linda Kalof, Introduction, in: Kalof, Linda: The Oxford Handbook of Animal Studies, 2017, S. 1-24.

Mieke Roscher, Human-Animal Studies, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 25.01.2012, http://docupedia.de/zg/roscher_human-animal_studies_v1_de_2012.

Seminar

Mi, 10 - 12 Uhr

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr ein Filmgenre Renaissance, das bereits in der Frühphase des Films, da noch unter der Bezeichnung "Volksfilm", unberührte und idyllische Landschaften, wie Almwiesen, Täler und Berghänge, aber auch die norddeutsche Heidelandschaft, zeigte. Diese dienten vielen Menschen nach dem Krieg als Projektions- und Imaginationsfläche für ein besseres Anderswo. Den zerbombten Städten sollte ein Bildgegenübergestellt werden, dass die Alltagssorgen minimierte und vielmehr das scheinbar Einfache, Unschuldige und Ewige präsentierte. Der sogenannte "Heimatfilm" hatte dabei aber durchaus politische Funktionen, auch wenn er genau dies immer abstritt. Die Versöhnung mit der Vergangenheit war hier nicht erwünscht, vielmehr sollte über die scheinbar zeitlosen Filme an Tradition und vermeintlichen Anstand erinnert werden. Bei vielen Heimatfilmen der 1950er und 1960er Jahre handelt es sich sogar um direkte Neuverfilmungen von Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Das über sie gezeigte wurde 1947 vom Alliierten Kontrollrat als unbedenklich eingestuft und für Neuverfilmungen freigegeben. Tiere spielten für die Untermalung dieser vermeintlich heilen Welt eine zentrale Rolle, über sie wurden auch Vorstellungen davon vermittelt, wie menschliche Gesellschaften zu funktionieren hatten. Dies zeigte sich gemnauso in einem anderen Genre, mit dem wir uns im Seminar befassen werden, dem Expeditions- bzw. Zoofilm. Auch hier fungierten sie als ordnendes Gegenüber.

In diesem Seminar werden wir uns mit klassischen Heimatfilmen (z.B. Hubertusjagd, Der Förster vom Silbersee), Jugendfilmen (Die Mädels vom Immenhof) und den Expeditionsfilmen (z.B. Serengeti darf nicht sterben) befassen und dabei auf zweierlei Ebene untersuchen. Zum einen wollen wir uns allgemein mit der Funktion von Tieren in populären Medien aus historischer Perspektive nähern und dabei Analysemittel kennenlernen, mit denen wir diese als historische Quellen nutzbar machen können. Dabei soll ein Zugang gewählt werden der, tiergeschichtlich orientiert, die Wichtigkeit der Präsenz der Tiere für diese Geschichte herausstreicht. Zum zweiten wollen wir uns mit zeitgeschichtlichen Fragestellungen der deutschen Geschichte der 1950er und 1960er Jahre befassen und den Heimatfilm als Aufhänger für eine kulturgeschichtliche Annäherung an die Nachkriegszeit wählen. Dazu werden wir auch geschlechtergeschichtliche Fragen thematisieren.

Literatur zur Vorbereitung

  • Hey, Bernd: Zwischen Vergangenheitsbewältigung und heiler Welt. Nachkriegsdeutsche Befindlichkeiten im Spielfilm. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 52, 4, 2001, pp. 228-237.
  • Gräf, Dennis: >Grün ist die heide<. Die (Re-)Konstruktion von Heimat im Film der 1950er Jahre. In: Nies, Martin (Hrsg.): Deutsche Selbstbilder in den Medien: Film 1945 bis zur Gegenwart. Marburg 2011.

Seminar

Do, 8-10 Uhr

Die Veranstaltung wendet sich an Studierende, die im Arbeitsbereich der Sozial- und Kulturgeschichte, insbesondere auch der Tiergeschichte, eine Abschlussarbeit - BA, MA oder Staatsexamen - schreiben oder vorhaben dies zu tun. Sie bietet denjenigen, die bereits an ihrer Arbeit sitzen, die Möglichkeit Schwierigkeiten zu besprechen und Fragen zu klären und denjenigen, die noch auf der Suche nach einem Thema sind, Hilfe bei Themenfindung und dabei, das Thema richtig zuzuschneiden und eine Fragestellung zu entwickeln. Zudem soll die Veranstaltung alle Teilnehmer*innen dabei unterstützen, ihre Arbeiten in aktuelle Forschungskontexte einzubinden. Dazu haben Sie die Möglichkeit auch gemeinsam zentrale, themenrelevante Sekundärliteratur zu diskutieren.

Wir werden uns im Seminar also sowohl mit technisch-methodischen Fragen des wissenschaftlichen Schreibens als auch Perspektiven und Fragestellungen diskutieren, die für das Fach relevant sind.

Literatur zur Vorbereitung:

  • Neumann, Friederike. Schreiben im Geschichtsstudium. UTB GmbH, 2018.
  • Eco, Umberto: Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt: Doktor-, Diplom- und Magisterarbeiten in den Geistes- und Sozialwissenschaften, 2010.

Seminar

Mo, 14-16 Uhr

Das Einführungsmodul in den Master "Geschichte und Öffentlichkeit"soll den Studierenden einen ersten Überblick über die inhaltliche Auseinandersetzung mit Themen der Public History liefern. Public History bedeutet zunächst die Darstellung und Vermittlung von Geschichte in, für und durch die Öffentlichkeit. Für Historiker*innen, die in diesem Bereich tätig sind, bedeutet es aber auch diese diese Geschichte inhaltlich und medial mitzugestalten und zugleich deren kognitive, politische, ästhetische und ökonomische Dimensionen zu erforschen. Das Seminar thematisiert hier die zentralen Zusammenhänge von wissenschaftlicher Erkenntnis und öffentlichkeitsorientierter Vermittlung. Es vermittelt methodische und theoretische Zugänge der geschichtswissenschaft und erfasst die Bedeutung der praxisrelevanten Anwendung, zum Beispiel für die Erinnerungspolitik.

Das Seminar ist zweiteilig aufgebaut: Zu einem erhalten die Studierenden einen Überblick darüber, wie die Publich History epochenabhängig verhandelt wird. Hierzu liefern die Fachgebiete Alte Geschichte, Geschichte der Frühen Neuzeit, Neuere und Neueste Geschichte und Didaktik der Geschichte in 5 Sitzungen jeweils kurze Inputvorträge und diskutieren mit den Studierenden die Wichtigkeit des Ansatzes von Geschichte und Öffentlichkeit für das jeweilige Fach. Gemeinsam soll im Seminar aufbauend auf diesen allgemeinen Erkenntnissen der Beitrag der Fachgruppe Geschichte für die für 2021/2022 geplanten Feierlichkeiten anlässlich des 50 Jahrestages der Gründung der Universität Kassel organisiert werden, der die hier entwickelten Fragen und Problemstellungen aktiviert. Dieser Beitrag, der die Form von Zeitzeug*innengesprächen annehmen wird, soll im Seminar vorbereitet werden (Auswahl der Zeitzeug*innen, Akquise von Geldern, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, inhaltliche Zuspitzung und Moderation, Vorbereitung von Moderationskarten, Veranstaltungsorganisation (Räume, Catering etc.)). bei erfolgreicher Absolvierung können hierfür 2 extra ECTS aus dem Bereich "Schlüsselqualifikationen" vergeben werden, wobei die Studierenden angehalten werden, sich auch aktiv bei der moderation im nächsten Jahr zu beteiligen.

 Literatur zur Vorbereitung:

  • Lücke, Martin und Irmgard Zündorf. Einführung in die Public History. UTB, 2018.