Lehre
Sommersemester 2021
Ich befinde mich im Forschungssemester.
Lehrveranstaltungen vergangener Semester
Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2020/21
Wissenschaft und Kolonialismus: Eine Wissensgeschichte Aotearoa Neuseelands
Seminar
Geschichte für BA, Lehramt Haupt- u. Realschule u. Gymnasium
Modul “Außereuropa”
Das Seminar beleuchtet die Wechselwirkungen von Naturwissenschaften, Kolonialismus und Naturaneignung am Beispiel der Kolonialisierungsgeschichte von Aotearoa Neuseeland.
Die wissenschaftliche Erschließung, Bestimmung und Kartierung von Naturräumen und ihren Ressourcen war aufs engste mit der kolonialen Aneignung und Ausbeutung von Überseeterritorien verbunden. Gleichzeitig stellte die naturwissenschaftliche Beschreibung der Territorien selber eine Kolonisation lokaler Wissensbestände dar.
Aotearoa taucht als Territorium relativ spät in der Geschichte europäischer Kolonisation auf. Durch seine geographische Lage hatte es in der kolonialen Ökonomie eine periphere Rolle. Dies änderte sich erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts, unter anderem mit der Erfindung von Kühlschiffen. Zuvor war es hauptsächlich bedeutsam als Stützpunkt für den pazifischen Walfang.
Durch diese Spezifika und eine hochgradig eigensinnige Flora und Fauna treten die Einbindung von Naturwissenschaften sowie kulturelle, soziale, koloniale und wissenschaftliche Spannungsverhältnisse in der Aneignung von Natur deutlicher zu Tage als anderswo. Diese wirken bis heute nach, so dass die Kolonialisierungsgeschichte von Aotearoa sich außerdem anbietet, Kontroversen in der Auseinandersetzung um Gerechtigkeit und Verantwortung im Kontext gegenwärtiger Umweltzerstörung zu diskutieren.
In dem Seminar werden wir so einerseits die Rolle von Wissenschaft in der Aneignung und Ausbeutung von Natur- und Kulturräumen beleuchten, sowie andererseits hierdurch neue Blicke auf unserer heutige Umweltdebatte zu Tage fördern.
Literaturbeispiele:
- Annie Potts, Philip Armstrong, Deidre Brown: A New Zealand Book of Beasts: Animals in our Culture, History and Everyday Life. New York 2013.
- Harriet Ritvo: The Platypus and the Mermaid and Other Figments of the Classifying Imagination. Cambridge, MA 1998.
- Ulrike Kirchberger und Brett M. Bennett (Hrsg.): Environments and Empire: Networks and Agents of Ecological Change. Chapel Hill, IL 2020.
- Geoffrey W. Rice (Hrsg.): The Oxford History of New Zealand. Auckland 1992.
Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2020
Was ist Geschichte? Geschichtsverständnisse in der Moderne zwischen Universalgeschichte und Anthropozä
Seminar
Geschichte für MA u. Lehramt Gymnasium
Module „Kulturelle Praktiken und Diskurse“ u. „Geschichte und Öffentlichkeit“
Wie lässt sich aus den faktischen Befunden einer empirischen Geschichtswissenschaft eine, oder gar die Geschichte konstruieren? Ist dies überhaupt möglich? Oder erstrebenswert? Und was könnte der Gewinn eines Nachdenkens über solche Fragen sein?
In dem Seminar werden diese Fragen erörtert. Dabei werden wir uns spezifische geschichstheoretische Ansätze ansehen, von der Universalgeschichte Hegels und den Positionen Walter Benjamins und Theodor W. Adornos über Hayden White und Susan Buck-Morss. Die Positionen dienen als Reflexionspunkte, um zu diskutieren, was Geschichte ist oder sein könnte und welche Herausforderungen sich dabei für die Geschichtsschreibung und -vermittlung ergeben. Sie erhalten somit eine Einführung in die Geschichte der Debatten um den Sinn von Geschichte sowie lernen einzelne geschichtstheoretische Referenzen kennen.
Der Schwerpunkt des Kurses liegt auf dem Verhältnis von allgemeiner Tendenz und individuellem Ereignis, das sich heute insbesondere in Fragen nach dem Verhältnis von Natur und Geschichte bzw. Gesellschaften stellt. Betrifft Geschichte die Geschichte des Menschen, oder ist es immer schon eine gemeinsame Geschichte von Menschen und Natur, und wie ist es mit der Gemeinsamkeit der Geschichte von verschiedenen menschlichen Gruppen? Anders gefragt: Lässt Geschichte sich auf einzelne Ereignisse und disparate Erzählungen reduzieren, oder benötigen wir, gerade in Zeiten von Problemlagen wie dem Klimawandel, der uns alle zu betreffen scheint, auch gemeinsame historische Erzählungen?
Literaturbeispiele:
- Susan Buck-Morss: Hegel und Haiti: Für eine neue Universalgeschichte. Berlin 2011.
- Hayden White: Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen: Studien zur Tropologie des historischen Diskurses. Stuttgart 1986.
- Stefan Haas: "Theoriemodelle der Zeitgeschichte", Version: 2.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 22.10.2012, http://docupedia.de/zg/haas_theoriemodelle_v2_de_2012
Tausend Plateaus: Postmoderne Geschichte
Seminar
Geschichte für MA u. Lehramt Gymnasium
Soziologie für MA
Module „Macht und Herrschaft“ u. „Sozialtheorie und gesellschaftlicher Wandel“
Das Buch Tausend Plateaus von Giles Deleuze und Félix Guattari ist eines der schillerndsten Werke der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, das so einflussreich wie umstritten ist. Es gilt als Schlüsselwerk des Postmodernismus, der als Theorieströmung die Kulturanalyse in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts dominiert hat. Dabei findet man kaum jemanden der einem sagen könnte, was es eigentlich mit dem Buch auf sich hat. Der kritische Theoretiker Fredric Jameson hebt allerdings hervor, dass Deleuze und Guattari gegenüber dem Strukturalismus des 20. Jahrhunderts die Dynamik der Geschichte wieder in die Analyse spätmoderner Kulturen zurückgeholt hätten.
Es scheint immer angemessen zu sein, sich selber einen Eindruck von einem Werk zu machen bevor man seinen Kritiker*innen oder Apologet*innen folgt – zumal weithin Einigkeit besteht, das Tausend Plateaus nicht auf eine Formel zu bringen ist. Eine Zusammenfassung des Werkes wird gemeinhin als unmöglich angesehen. In dem Seminar werden wir Tausend Plateaus daher gemeinsam lesen und versuchen, uns das Werk zu erschließen. Dabei reflektieren wir insbesondere auf Fragen der Qualität von Geschichte in spätmodernen, spätkapitalistischen Gesellschaften sowie der Analyse von Geschichte in Tausend Plateaus. Neben dem Buch selber lassen sich mithilfe der Lektüre somit die so gegenwärtigen wie uneindeutigen Konzepte von Postmodernismus und Fragen zur Linearität von Geschichte thematisieren. Ausgewählte Texte werden unsere Diskussion unterstützen. Hauptsächlich werden wir aber schrittweise das Buch selber lesen.
Literaturbeispiele:
- Gilles Deleuze, Félix Guattari: Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. Berlin 1992.
Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2019/20
Die Neuerfindung der Natur: Tiere und Wissenschaft im Europa der Aufklärung
Seminar
Geschichte für BA, Lehramt Haupt- u. Realschule u. Gymnasium
Modul „Vertiefungsmodul Europa“ u. „Grundlagenmodul Neuzeit“
Die Zeit der europäischen Aufklärung wird als eine Epoche des Umbruchs verstanden. Zentral war dabei ein Wandel im menschlichen Verhältnis zur und Verständnis von Natur. Diese Neuvermessung wirkt dabei bis heute in die Auseinandersetzungen um Klimawandel und Anthropozän nach. Was aber ist diese Natur? Ist sie ein Anderes zur menschlichen Kultur? Ist der Mensch Teil der Natur? Und gibt es so etwas wie Natur überhaupt? In der frühen Neuzeit wurden die Antworten auf diese Fragen neu verhandelt.
Der Kurs verfolgt die Umbrüche in den Naturvorstellungen die grob zwischen 1600 und 1800 in Europa erfolgt sind, um diesem Diskurs mehr Tiefe zu verleihen. Um die Debatte greifbarer zu machen, konzentrieren wir uns auf Tiere als spezifische Repräsentanten von Natur sowie den Wandel im Wissenschaftsverständnis der mit der Aufklärung einher ging und wie er sich am Beispiel von Tieren äußerte. Sie erhalten damit Einblicke in die Wurzeln heutiger Natur-Diskussionen sowie die Möglichkeit zur kritischen Einordnung der Aufklärung. Dabei werden wir bewusst einen europaweiten Blick einnehmen.
Seminarinhalte:
- Die Aufklärung in Europa mit dem Schwerpunkt Natur
- Geschichte der Naturverständnisse und Naturverhältnisse
- Europäische Wissenschaftsnetzwerke der frühen Neuzeit
Literaturbeispiele:
- Karen Gloy: Das Verständnis der Natur. München: 1995-1996.
- Carolyn Merchant: Der Tod der Natur. München: 1987.
- Markus Wild. Die anthropologische Differenz. Der Geist der Tiere in der frühen Neuzeit bei Montaigne, Descartes und Hume. Berlin: 2006.
Alte und neue Materialismen: „New Materialism“ im Kontext
Seminar
Philosophie für BA u. MA u. Lehramt Gymnasium
Module „Vertiefung theoretische Philosophie“ u. „Wissenschaftstheorie“
War im Zuge der Abwicklung des real existierenden Sozialismus von einer Krise des Materialismus die Rede, macht seit einiger Zeit ein New Materialism die Runde. Dabei legen seine Vertreter*innen wert darauf, dass der neue Materialismus sich fundamental von seinen Vorgängern unterscheidet.
Der Kurs wird in die Positionen des New Materialism und seiner philosophischen Geschwister Object-Oriented Ontology und Speculative Realism einführen und fragen, in welchem Verhältnis er zum Materialismus alter Distinktion steht. Einerseits wird es dabei darum gehen zu erörtern, in wieweit der New Materialism eine abgrenzbare philosophische Position darstellt oder vielleicht eher ein Diskursfeld, sowie andererseits auf seine historisch-gesellschaftliche Relevanz und Verortung zu reflektieren sein.
Voraussichtlich behandelte Autor*innen werden Karen Barad, Christine Bauhardt, Rosie Braidotti, Jane Bennett, Elizabeth Grosz, Stacy Alaimo, Diana Coole, Tony Bennett, Timothy Morton und Graham Harman sein. Auf Seite des alten Materialismus werden wir insbesondere Walter Benjamin berücksichtigen, der sowohl Stichwortgeber als auch Abgrenzungsobjekt für den New Materialism ist.
Literaturbeispiele:
- Kameron Sanzo: “New Materialism(s).” Veröffentlicht online am 25.04.2018 auf: https://criticalposthumanism.net/new-materialisms/
- Rick Dolphijn, Iris van der Tuin (Hrsg.): New Materialism: Interviews & Cartographies. Ann Arbor: 2012. Frei erhältlich unter http://openhumanitiespress.org/books/download/Dolphijn-van-der-Tuin_2013_New-Materialism.pdf
- Diana Coole & Samantha Frost (Hrsg.): New Materialisms: Ontology, Agency, and Politics. Durham, London: 2010.
Studentisch organisierte Ringvorlesung
Geöffnet für das Zertifikat Umweltwissen des Graduiertenzentrums Umweltforschung
Sehen wir Tiere wirklich als das, was sie sind oder ist unser Blick durch Tradition und Kultur getrübt? Warum wird die nahezu grenzenlose Gewalt über gegenüber „Nutztieren“ toleriert und gegenüber „Haustieren“ geächtet? Welchen Umgang und Schutz schulden wir Lebewesen, die nicht selbst für ihre Bedürfnisse einstehen können und dem menschlichen Nutzungsinteresse gänzlich ausgeliefert sind?
Mensch-Tier-Verhältnisse sind gekennzeichnet durch scheinbar unlösbare Widersprüche. Sie sind jedoch nicht starr und naturgegeben, sondern historisch gewachsen und einem ständigen Wandel unterlegen. Deshalb darf die Forschung zu Tieren nicht bei ihrer Verwertbarkeit oder ihrem Verhalten aufhören. Um unser Verhältnis nachhaltig positiv zu beeinflussen, muss das Mensch-Tier-Verhältnis als kulturell gewachsenes Phänomen mitsamt seinen gesellschaftlichen, historischen und politischen Dimensionen gesehen und verstanden werden.
Diese Vorlesungsreihe behandelt aktuelle Fragen zum Umgang mit Tieren auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene. Lassen Sie sich aufregen und überraschen von erfrischenden Ideen aus der Tierethik und den Human-Animal Studies, gewürzt mit Erkenntnissen aus Philosophie, Psychologie und Soziologie.
Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2019
Octomania: Kulturen der Repräsentation von Aquarium bis YouTube
Seminar
Geschichte für MA u. Lehramt Gymnasium
Anglistik/Englisch für BA, MA u. Lehramt Gymnasium
Module „Geschichte digital“ u. „Macht und Herrschaft“
Oktopusse sind derzeit in Mode. Ein Vorläufer dieser Faszination lässt sich bereits im Großbritannien des 19. Jh. finden. Während die Tiere damals als Attraktion funktionierten, die Besucher*innen in die neu gegründeten öffentlichen Aquarien locken sollte, stehen sie heute vor allem für eine Begegnung mit einem nichtmenschlichen Bewusstsein. Die Begeisterung für Oktopusse spiegelt sich dabei in unterschiedlichsten Weisen wider. Zusätzlich zu Filmen, Kunst und Wissenschaften entwickelten sich neue Repräsentationskulturen, welche die achtarmigen Wesen für sich entdeckten.
Ziel des Seminars ist diese unterschiedlichen Repräsentationsformen im Rahmen einer virtuellen Ausstellung für ein breites Publikum visuell und textlich aufzubereiten. Durch eigene Recherchetätigkeiten werden Sie ein genaueres Verständnis von Repräsentationskulturen erarbeiten und die verschiedenen Repräsentationen von Oktopussen aus historischer Perspektive mit aussagekräftigen Materialien dokumentieren. Darüber hinaus werden wir Mechanismen von Macht in der Vermittlung von Geschichte und den verantwortungsvollen Umgang mit dieser Rolle von Historiker*innen thematisieren.
Die von Ihnen im Rahmen des Seminars erstellte Ausstellung wird in ein bestehendes Forschungsprojekt zur Ästhetik von Oktopussen eingebunden. So haben Sie die Möglichkeit an laufenden Forschungsprozessen teilzunehmen.
Literaturbeispiele:
- Richard Schweid: Octopus. London 2014
- Sharon MacDonald (Hg.): The Politics of Display: Museums, Science, Culture. London 2006
- Stefanie Samida: „Überlegungen zu Begriff und Funktion des ‚virtuellen Museums‘: Das archäologische Museum im Internet”, Muesologie Online 4 (2002), S. 1-58. (http://www.historisches-centrum.de/m-online/02/01.pdf)
Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2018/19
Tiere und Geschichte (Historisches Propädeutikum)
Seminar
Geschichte für BA
Modul „Einführung in die Geschichtswissenschaft – Geschichte der Neuzeit“
Tiere sind in Geschichtsbüchern allgegenwärtig. Lange galten sie dabei allerdings als Statisten oder materielle Gegenstände in einer ausschließlich von Menschen gemachten Geschichte, die keinen nennenswerten Einfluss auf die historische Entwicklung von Gesellschaften hatten. Diese passive Position von Tieren wird seit einiger Zeit hinterfragt und stattdessen explizit die Rolle von Tieren sowie den Verhältnissen von Menschen und Tieren in und für Geschichte in den Fokus gerückt. Historische Entwicklungen sind nach dieser Auffassung nicht ohne Tiere denkbar. Ihnen wird damit eine bedeutende Rolle in der Geschichte zugeschrieben. Dieser neue Zweig geschichtswissenschaftlicher Forschung wird als Tiergeschichte beschrieben. Damit verknüpfen sich allerdings einige Fragen. Woher rührt die Entdeckung von Tieren als historische Akteure? Was genau ist Tiergeschichte? Können Tiere Geschichte überhaupt aktiv beeinflussen? Wie kann eine Tiergeschichte geschrieben werden? Was gewinnen oder verlieren wir mit der Tiergeschichte?
Das Seminar baut auf diese Fragen auf. Wir werden den Ursprüngen der Tiergeschichte nachgehen, uns über die theoretischen Grundlagen und einige methodische Herausforderungen zur Untersuchung und Darstellung von Tiergeschichte auseinandersetzen sowie mit verschiedenen Beispielen konkreter Tiergeschichtsschreibung beschäftigen. Sie lernen damit einen neuen und hochaktuellen Forschungsansatz in den Geschichtswissenschaften kennen. Darüber hinaus ermöglicht das Seminar Ihnen, das wissenschaftliche Arbeiten und Präsentieren am konkreten Beispiel der Tiergeschichte kennenzulernen und zu üben.
Literaturbeispiele:
- John Berger: „Warum sehen wir Tiere an?” In Ders., Das Leben der Bilder oder die Kunst des Sehens. Berlin 2003, S. 12–35.
- Harriet Ritvo: The Platypus and the Mermaid, and Other Figments of the Classification. Cambridge, MA 1997.
- Gesine Krüger, Aline Steinbrecher, Clemens Wischermann (Hg.): Tiere und Geschichte. Konturen einer Animate History. Stuttgart 2014.
- Keith Thomas: Man and the Natural World. Changing Attitudes in England 1500–1800. London 1983.
Ausstellung „History According to Cattle”: http://www.gustafssonhaapoja.org/museum-of-the-history-of-cattle/
Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2016/17
Was ist Geschichte? Geschichtsverständnisse in der Moderne zwischen Universalgeschichte und Anthropozän
Seminar
Geschichte für MA u. Lehramt Gymnasium
Module „Kulturelle Praktiken und Diskurse“ u. „Geschichte und Öffentlichkeit“
Wie lässt sich aus den faktischen Befunden einer empirischen Geschichtswissenschaft eine, oder gar die Geschichte konstruieren? Ist dies überhaupt möglich? Oder erstrebenswert? Und was könnte der Gewinn eines Nachdenkens über solche Fragen sein?
In dem Seminar werden diese Fragen erörtert. Dabei werden wir uns spezifische geschichstheoretische Ansätze ansehen, von der Universalgeschichte Hegels und den Positionen Walter Benjamins und Theodor W. Adornos über Hayden White und Susan Buck-Morss. Die Positionen dienen als Reflexionspunkte, um zu diskutieren, was Geschichte ist oder sein könnte und welche Herausforderungen sich dabei für die Geschichtsschreibung und -vermittlung ergeben. Sie erhalten somit eine Einführung in die Geschichte der Debatten um den Sinn von Geschichte sowie lernen einzelne geschichtstheoretische Referenzen kennen.
Der Schwerpunkt des Kurses liegt auf dem Verhältnis von allgemeiner Tendenz und individuellem Ereignis, das sich heute insbesondere in Fragen nach dem Verhältnis von Natur und Geschichte bzw. Gesellschaften stellt. Betrifft Geschichte die Geschichte des Menschen, oder ist es immer schon eine gemeinsame Geschichte von Menschen und Natur, und wie ist es mit der Gemeinsamkeit der Geschichte von verschiedenen menschlichen Gruppen? Anders gefragt: Lässt Geschichte sich auf einzelne Ereignisse und disparate Erzählungen reduzieren, oder benötigen wir, gerade in Zeiten von Problemlagen wie dem Klimawandel, der uns alle zu betreffen scheint, auch gemeinsame historische Erzählungen?
Literaturbeispiele:
- Susan Buck-Morss: Hegel und Haiti: Für eine neue Universalgeschichte. Berlin 2011.
- Hayden White: Auch Klio dichtet oder die Fiktion des Faktischen: Studien zur Tropologie des historischen Diskurses. Stuttgart 1986.
- Stefan Haas: "Theoriemodelle der Zeitgeschichte", Version: 2.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 22.10.2012, http://docupedia.de/zg/haas_theoriemodelle_v2_de_2012
Tiere und Geschichte (Historisches Propädeutikum)
Seminar
Geschichte für BA
Modul „Einführung in die Geschichtswissenschaft – Geschichte der Neuzeit“
Tiere sind in Geschichtsbüchern allgegenwärtig. Lange galten sie dabei allerdings als Statisten oder materielle Gegenstände in einer ausschließlich von Menschen gemachten Geschichte, die keinen nennenswerten Einfluss auf die historische Entwicklung von Gesellschaften hatten. Diese passive Position von Tieren wird seit einiger Zeit hinterfragt und stattdessen explizit die Rolle von Tieren sowie den Verhältnissen von Menschen und Tieren in und für Geschichte in den Fokus gerückt. Historische Entwicklungen sind nach dieser Auffassung nicht ohne Tiere denkbar. Ihnen wird damit eine bedeutende Rolle in der Geschichte zugeschrieben. Dieser neue Zweig geschichtswissenschaftlicher Forschung wird als Tiergeschichte beschrieben. Damit verknüpfen sich allerdings einige Fragen. Woher rührt die Entdeckung von Tieren als historische Akteure? Was genau ist Tiergeschichte? Können Tiere Geschichte überhaupt aktiv beeinflussen? Wie kann eine Tiergeschichte geschrieben werden? Was gewinnen oder verlieren wir mit der Tiergeschichte?
Das Seminar baut auf diese Fragen auf. Wir werden den Ursprüngen der Tiergeschichte nachgehen, uns über die theoretischen Grundlagen und einige methodische Herausforderungen zur Untersuchung und Darstellung von Tiergeschichte auseinandersetzen sowie mit verschiedenen Beispielen konkreter Tiergeschichtsschreibung beschäftigen. Sie lernen damit einen neuen und hochaktuellen Forschungsansatz in den Geschichtswissenschaften kennen. Darüber hinaus ermöglicht das Seminar Ihnen, das wissenschaftliche Arbeiten und Präsentieren am konkreten Beispiel der Tiergeschichte kennenzulernen und zu üben.
Literaturbeispiele:
- John Berger: „Warum sehen wir Tiere an?” In Ders., Das Leben der Bilder oder die Kunst des Sehens. Berlin 2003, S. 12–35.
- Harriet Ritvo: The Platypus and the Mermaid, and Other Figments of the Classification. Cambridge, MA 1997.
- Gesine Krüger, Aline Steinbrecher, Clemens Wischermann (Hg.): Tiere und Geschichte. Konturen einer Animate History. Stuttgart 2014.
- Keith Thomas: Man and the Natural World. Changing Attitudes in England 1500–1800. London 1983.
Ausstellung „History According to Cattle”: http://www.gustafssonhaapoja.org/museum-of-the-history-of-cattle/
Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2016
Evolution: Tiere und Geschichte in Darwins Descent of Man
Seminar
Geschichte für MA u. Lehramt Gymnasium
Philosophie für MA
Module „Theorie und Praxis“ u. „Historische Wissensformen und Wissenskulturen“
Seit ihrer Entstehung haben die Arbeiten Darwins kaum an Aktualität und politischer Brisanz eingebüßt. In den USA wird um die Berücksichtigung der Evolution im Schulunterricht gestritten, während die hessische Kultusministerin in 2010 den Vorstoß machte, als Gegengewicht zur Evolution auch die Schöpfungslehre in den Biologieunterricht aufzunehmen. Dabei ist Darwins Werk auch aus wissenschaftshistorischer Sicht auffällig. Obwohl es auch schon vor Darwin eine breite Debatte zur historisch-biologischen Entwicklung von Arten gab, wird kaum eine Idee synonymer mit einem Wissenschaftler verbunden als die der Evolution mit Darwin. Nur wenige wissenschaftliche Werke haben wohl ähnlich weitreichende Folgen auch über die Wissenschaft hinaus nach sich gezogen. Gleichzeitig ist dabei kaum ein Werk ideologisch verzerrter rezipiert worden, sei es in der Annahme eines auf Perfektionierung zielgerichteten Fortschreitens der Evolution oder der vielzitierten und verfälschten Formel des „survival of the fittest”. Dabei scheint es vor allem der Hang zur Weltanschauung zu sein, der für seine Popularität und Gewichtigkeit verantwortlich zeichnet.
Entsprechend bietet sich auch 150 Jahre nach ihrer Veröffentlichung aus ganz verschiedenen Gründen eine Lektüre von Darwins Schrift an: historisch aufgrund ihrer Gewichtigkeit, wissenschaftsphilosophisch wegen ihrer vielfach verzerrten Darstellung und Interpretation, sowie sozialpolitisch aufgrund ihrer weitreichenden ideologischen Aneignung und Umdeutung. Und es gibt derzeit noch einen weiteren Grund: im Rahmen von Umweltdebatten gibt es eine breite Verunsicherung und Diskussion über das moderne Verständnis von Natur. Darwins Theorie gibt hier einen Impuls, der es vielleicht ermöglicht, neue Blicke auf Natur zu eröffnen. Im Zentrum steht hier die Berücksichtigung von Evolution als einem zufälligen und durch die Handlungen einzelner Individuen vermittelten Prozess der Naturgeschichte.
Um ein angemessenes Bild von Darwins Theorie zu erarbeiten, werden wir daher in dem Lektüreseminar Darwins The Descent of Man, and the Selection in Relation to Sex (1871) in der deutsche Übersetzung lesen. Auch wenn The Origin of Species das vermutlich bekannteste Werk Darwins ist, buchstabiert vor allem The Descent of Man die Evolutionstheorie Darwins aus. Der Schwerpunkt wird dabei auf der Bedeutung von Darwins Schrift für ein Verständnis von der Geschichtlichkeit von Tieren liegen und dessen Konsequenzen sowohl für unser Verständnis von Geschichte sowie von Tieren, und somit geschichtswissenschaftliche mit wissenschaftstheoretischen Erörterungen verknüpft. Die Buchlektüre wird durch historische und wissenschaftsphilosophische Kontextualisierungen begleitet.
Neben einem fundierten Verständnis darwinscher Theorien zur Evolution und Naturgeschichte vermittelt Ihnen das Seminar Einblicke in die Wissenschafts- und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts sowie wissenschaftstheoretische Aspekte der Theorie Darwins für heutige Debatten um die Eigenschaften tierlicher Existenz und Natur. Im Zentrum steht dabei die These der Historisierung der Natur im neunzehnten Jahrhundert im Bezug zum Gedanken einer Geschichtlichkeit von Tieren. Darüber hinaus werden wir Fragen zur These der Revolution von Wissenschaften, dem Verhältnis von Empirie und Theorie und dem Wandel im Naturverstehen des 19. Jahrhunderts diskutieren.
Literaturbeispiele:
- Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen. Wiesbaden, 1986 resp. 1992 [1871].
- Eve-Marie Engels: Charles Darwin. München 2007.
- Eve-Marie Engels (Hg.): Die Rezeption von Evolutionstheorien im 19. Jahrhundert. Frankfurt a.M. 1995.
- Elizabeth Grosz: Becoming Undone: Darwinian Reflections on Life, Politics, and Art. Durham, London 2011.
- Jonathan Hodge, Gregory Radick (Hg.): The Cambridge Companion to Darwin. Cambridge 2009.
- Julia Voss: Charles Darwin zur Einführung. Hamburg 2008.
Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2015/16
Tiere und Geschichte (Historisches Propädeutikum)
Seminar
Geschichte für BA
Modul „Einführung in die Geschichtswissenschaft – Geschichte der Neuzeit“
Tiere sind in Geschichtsbüchern allgegenwärtig. Lange galten sie dabei allerdings als Statisten oder materielle Gegenstände in einer ausschließlich von Menschen gemachten Geschichte, die keinen nennenswerten Einfluss auf die historische Entwicklung von Gesellschaften hatten. Diese passive Position von Tieren wird seit einiger Zeit hinterfragt und stattdessen explizit die Rolle von Tieren sowie den Verhältnissen von Menschen und Tieren in und für Geschichte in den Fokus gerückt. Historische Entwicklungen sind nach dieser Auffassung nicht ohne Tiere denkbar. Ihnen wird damit eine bedeutende Rolle in der Geschichte zugeschrieben. Dieser neue Zweig geschichtswissenschaftlicher Forschung wird als Tiergeschichte beschrieben. Damit verknüpfen sich allerdings einige Fragen. Woher rührt die Entdeckung von Tieren als historische Akteure? Was genau ist Tiergeschichte? Können Tiere Geschichte überhaupt aktiv beeinflussen? Wie kann eine Tiergeschichte geschrieben werden? Was gewinnen oder verlieren wir mit der Tiergeschichte?
Das Seminar baut auf diese Fragen auf. Wir werden den Ursprüngen der Tiergeschichte nachgehen, uns über die theoretischen Grundlagen und einige methodische Herausforderungen zur Untersuchung und Darstellung von Tiergeschichte auseinandersetzen sowie mit verschiedenen Beispielen konkreter Tiergeschichtsschreibung beschäftigen. Sie lernen damit einen neuen und hochaktuellen Forschungsansatz in den Geschichtswissenschaften kennen. Darüber hinaus ermöglicht das Seminar Ihnen, das wissenschaftliche Arbeiten und Präsentieren am konkreten Beispiel der Tiergeschichte kennenzulernen und zu üben.
Literaturbeispiele:
- John Berger: „Warum sehen wir Tiere an?” In Ders., Das Leben der Bilder oder die Kunst des Sehens. Berlin 2003, S. 12–35.
- Harriet Ritvo: The Platypus and the Mermaid, and Other Figments of the Classification. Cambridge, MA 1997.
- Gesine Krüger, Aline Steinbrecher, Clemens Wischermann (Hg.): Tiere und Geschichte. Konturen einer Animate History. Stuttgart 2014.
- Keith Thomas: Man and the Natural World. Changing Attitudes in England 1500–1800. London 1983.
Ausstellung „History According to Cattle”: http://www.gustafssonhaapoja.org/museum-of-the-history-of-cattle/
No Animals Were Harmed in Making This Module: Studying Animals in Film
Seminar
Geschichte für MA u. Lehramt Gymnasium
Anglistik/Englisch für BA, MA u. Lehramt Gymnasium
Module „Methoden, Theorien, Praxis“ u. „Historisches Lernen“
Animals have played a crucial role in film as an artistic medium, from the literal use of animal products in film stock to the capturing of animal movement as a driver of stop-motion, wide-screen and CGI film technology. The wish to picture animals’ lives, whether naturalistically or playfully, brings about filmic genres such as wildlife film and animation. By analysing a range of key films, the module will consider these and other major aspects of animals in film such as: the historical development of animal presence in film; animals’ role in different film genres, from art-house documentary to horror; the range of literal and symbolic ways animals appear in film; animals in the film star-system; animal lives and the ethics of film-making; adaptation and the different challenges of filmic and literary representation of animals.
The seminar provides insight into the range of work and disciplinary approaches represented within the field of human-animal studies. It complements our course offerings in human-animal studies at the University of Kassel and allows students to further extend their study of human-animal relations from a disciplinary perspective that is not usually represented at Kassel University. Moreover, it gives students the opportunity to work closely with an internationally recognised human-animal studies scholar and to evaluate the benefits and possibilities for a potential research stay at the University of Sheffield.
There will be a 2-hours preparatory meeting prior to Dr. McKay’s visit during which we will discuss readings for the seminar. Based on the seminar with Dr. McKay, Students will choose a movie and independently develop an entry for the online archive Zooscope. The results will be circulated among the participants of the course and we will together discuss the different works and reflect on the research process in a final meeting at the end of the semester. One additional credit point can be claimed for language competence.
Literaturbeispiele:
- Howard Hawkes (dir.): Bringing Up Baby. 1938.
- John Huston (dir.): The Misfits. 1961.
- Werner Herzog (dir.): Grizzly Man. 2005.
- Brad Bird (dir.): Ratatouille. 2007.
- Jonathan Burt: Animals in Film. London 2002.