Dr. Oliver Kuhn
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Makrosoziologie

- Telefon
- +49 561 804-7148
- kuhn[at]uni-kassel[dot]de
- Website
- Makrosoziologie
- Standort
- Nora Platiel- Str. 5
34127 Kassel
- Raum
- Raum 2116
Ausbildung und Werdegang
Studium der Soziologie, Politikwissenschaft, Kulturwissenschaften und Journalistik an der Universität Leipzig. Promotion im interdisziplinären Graduiertenkolleg "Bruchzonen der Globalisierung" (Graduate School Global and Area Studies) zum "Alltagswissen über die Finanzkrise" (summa cum laude). Mitarbeiter am Institut für Kulturwissenschaften (Monika Wohlrab-Sahr). Zwischenzeitlich Projektmanagement und Buchhaltung im Immobilienbereich. Danach Mitarbeiter bei Andreas Reckwitz, DFG-Projekt "Soziologie der Spekulation" (eigene Stelle).
Interessen und Themen
- Wirtschaftssoziologie: Geldtheorie, monetäre Theorie des Wirtschaftens, Kredit und Krisen, politische Rahmung von Märkten.
- Wissenssoziologie: Verschwörungstheorien, Heterodoxien, Alltagswissen, politischer Kontrarianismus
- Gesellschaftstheorie: Kapital- und Medientheorie, Bewertungssoziologie, Grenzen der Ungleichheit
Wie lassen sich Bewertungs- und Investitionspraktiken in unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern vergleichen? Lässt sich die soziologische Kapitaltheorie (Bourdieu) mit der Theorie der Erfolgsmedien (Parsons, Habermas, Luhmann) kombinieren und für die aktuelleGesellschaftsdiagnose verwenden? Wie kommt es etwa (auch außerhalb der Wirtschaft) zu Bewertungsblasen und wie tragen sie zur Zunahme von Ungleichheit bei?
Aktuelle Projekte
Soziologie der Spekulation
Ich gehe von zwei offensichtlichen Mängeln der Theorie differenzierter Kapitalsorten (Bourdieu) aus: Obwohl der Kapitalbegriff von der (marxistischen) Ökonomik her generalisiert wird, gibt es dort weder einen Begriff des Fremdkapitals (Kredit), noch einen Begriff des liquiden Mediums (z.B. Geld - im Gegensatz zum fixen Kapital. Dies lässt sich mithilfe der soziologischen Medientheorie (Parsons, Habermas, Luhmann) und der neueren Soziologie der Bewertung korrigieren. Desweiteren unterscheidet Bourdieu - und hierauf lässt sich aufbauen - einen reproduktiven Investitionsstil von einem subversiv-spekulativen. Im Projekt werden spekulative Praktiken über verschiedene gesellschaftliche Felder hinweg verglichen - Politik, Wirtschaft, Massenmedien, Wissenschaft. Insbesondere interessieren kollektive Überbewertungsphänomene (Blasen und Crashs). Die wichtigste Voraussetzung der Spekulation ist Liquidität - die Möglichkeit des Positionswechsels. Schließlich werden die Grenzen gesellschaftlicher Liquidität in den Blick genommen, wie sie an den "neuen Bindungen" (Identitäten, Populismus, Nationalismus) zum Ausdruck kommen.
Der Reichtum der Gesellschaft
Das Projekt betrachtet wirtschaftliche Aufwertungsprozesse auf ihre gesellschaftlichen, insbesondere politischen Bedingungen hin. Die preisliche Bewertung durch Märkte sieht sich angesichts endogen produzierter Finanzkrisen, sozialer Kosten (Ungleichheit) und massiver ökologischer Probleme heute erheblicher Kritik ausgesetzt. So manches gesellschaftlich Wertvolle und sogar Essentielle (Infrastruktur, Ökologie, soziale Teilhabe) wird in den Marktpreisen ungenügend reflektiert (insoweit nicht rentabel produzierbar). Im Projekt soll insbesondere geklärt werden, durch welche politischen und zivilgesellschaftlichen Arrangements dieser vorhandene gesellschaftliche Reichtum erhalten und gefördert weredn kann.
Politischer Kontrarianismus und Verschwörungstheorien
Die politische Kommunikation hat an ihrer breiten Peripherie ein Umfeld alternativer Gegenkommunikation mit Gegenmedien, Gegenexpertise und Gegenwissen geschaffen. Es handelt sich nicht lediglich um ein mehr oder weniger trübes Sammelbecken heterodoxer Meinungen und Wertungen, von fake news und Verschwörungstheorie. Vielmehr tragen die Entrepreneurinnen des politischen Kontrarianismus (Prototypen: Alex Jones, Ken Jebsen) die jeweils aktuell auftauchenden Thesen (Geldsystemkritik, EU-Kritik, Coronaleugnung, Impfkritik) zusammen, um sie querfrontartig zu einer Gegenhegemonie zu schmieden (mit bis Ende der neunziger Jahre eher linkem Kern, heute eher rechts). Im Projekt interpretiere ich dies als negative Vergemeinschaftung, bestimme ihr Verhältnis zum Populismus und untersuche die Bedingungen ihrer heutigen starken Resonanz.
Monografie
- (2014): Alltagswissen in der Krise: Über die Zurechnung der Verantwortung für die Finanzkrise. Wiesbaden: Springer VS
Artikel und Beiträge
- (2019) Win-win, win-lose oder lose-lose? Handelsungleichgewichte und neuer Nationalismus. In: Komplexe Dynamiken globaler und lokaler Entwicklungen. Verhandlungen des 39. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
- (2018) Was bedeutet es, Schulden mit Schulden zu bezahlen? Zeitschrift für Theoretische Soziologie 7(1):83-100
- (2018): Liberal universalism in crisis: The nationalist populist challenge of transnational political standards. Transnational Social Review, 8:3, 317-330
- (2017) Alltagswissen in der Krise. Der politische Laiendiskurs über die Verantwortung für die Finanzkrise seit 2007. In: Maeße, Jens; Hanno Pahl und Jan Sparsam (Hg.): Die Innenwelt der Ökonomie: Wissen, Macht und Performativität in der Wirtschaftswissenschaft. Wiesbaden.
- (2015) Kredit und Krise. Kapitalistische Dynamik revisited. Leviathan 43(3):410-441
- (2015) Kausalität als pragmatisches Beobachtungsschema. In: Routinen der Krise – Krise der Routinen. Verhandlungen des 37. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Trier.
- (2013a) Spekulative Kommunikation und ihre Stigmatisierung. In: Schetsche, Michael; Anton, Andreas; Michael Walter (Hg.): Konspiration. Soziologie des Verschwörungsdenkens.
- (2013b) Populäre Spekulationen über das Geldsystem. Eine postkeynesianische Analyse des Internetfilms Money as Debt. Rheinsprung 11. 5 (4)
- (2012) Über die Interpretation der Finanzkrise in Internetforen. In: Peltzer, Anja, Kathrin Lämmle und Andreas Wagenknecht (Hg.) "Krise, Cash und Kommunikation." Die Finanzkrise in den Medien. Konstanz, München: UVK
- (2010a) Spekulative Kommunikation und ihre Stigmatisierung – am Beispiel der Verschwörungstheorien: Ein Beitrag zur Soziologie des Nichtwissens." Zeitschrift für Soziologie (2010): 106-123.
- (2010b) Lokalisierung von Kommunikation. Am Beispiel von Internetforen. In: Hühn, Melanie; Lerp, Dörte; Petzold, Knut und Miriam Stock (Hg.) „Transkulturalität, Transnationalität, Transstaatlichkeit, Translokalität. Theoretische und empirische Begriffsbestimmungen.“ Münster et al.: LIT-Verlag.
- (2009) Zur Überwindung des Lokalismus. Powision 6, Universität Leipzig