RUINS OF SPECULATION - Redesigning the Vacant Elb Tower
Zum Auftakt des Studios haben wir uns zunächst auf Signa konzentriert: Wir haben eine Tiefenrecherche durchgeführt, um zu verstehen, wie das Unternehmen funktioniert und wie es in Konkurs ging. Die Signa Holding GmbH hat ihren Hauptsitz in der Steueroase Luxemburg und gilt gesellschaftsrechtlich als „kleine GmbH“. Signa hat zwar eine Bilanzsumme in Milliardenhöhe, aber einen Umsatz von weniger als 10 Millionen Euro, da es sich um eine reine Holdinggesellschaft handelt. Das bedeutet auch, dass die Jahresabschlüsse nicht geprüft werden müssen. Das Geschäftsmodell des Immobilienriesen funktioniert folgendermaßen: Durch die Entwicklung einer Immobilie werden die Grundstücks- und Gebäudewerte gesteigert. Diese hohen Werte dienen als Hypothek für neue Kredite, wodurch die alten Kredite zurückgezahlt werden und neues Kapital generiert wird. Dadurch steigt das Vermögen von Signa und es können hohe Dividenden ausgeschüttet werden, was wiederum neue Investoren anlockt. Auch beim Megaprojekt Elbtower hat Signa auf dieses Prinzip gesetzt. Doch während der Bauzeit fielen die Immobilienpreise, die Zinsen und die Baukosten explodierten. Durch den Zinsanstieg sank die Bewertung der Immobilien, da geringere Gewinne zu erwarten sind und die Refinanzierung der Kredite schwieriger wird. Das Ergebnis ist ein Schneeballsystem auf Kosten der Sozialstruktur, der Mieter und der Umwelt, wenn die Finanzindustrie Geld erfindet. (Quelle 1)
„Signa ist mittlerweile einer der größten Player auf dem deutschen Immobilienmarkt. Ihr Gründer, der österreichische Self-Made-Milliardär René Benko, hat mit der Signa Holding innerhalb von etwas mehr als zwei Jahrzehnten ein ganzes Immobilienimperium geschaffen. [...] Die Aufwertung von Immobilien ist das eigentliche Kerngeschäft Signas, wie eine 2021 von dem britischen Wirtschaftsmagazin Bloomberg veröffentlichte Analyse nahelegt. Dabei geht der Konzern immer nach demselben Schema vor: Immobilien in zentralen Lagen kaufen und ihren Wert deutlich steigern.“ (Quelle 2)
Kurz vor der Vergabe des Elbtower-Areals im Jahr 2018 lernten sich der damalige Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz und Signa-Chef René Benko über den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer kennen, der selbst Mitglied des Beirats der Signa Holding GmbH, Aufsichtsratsvorsitzender der Signa Prime Selection AG und Aufsichtsratsvorsitzender und Investor der Signa Development Selection AG ist. Als Scholz Bundesminister der Finanzen wurde, übernahm Peter Tschentscher das Amt des Bürgermeisters. Es wurde ein Treffen zwischen ihm und Benko vereinbart. Am 27. März 2019 wurde die Baugenehmigung für den Elbtower innerhalb von 3 Monaten durchgewunken und anschließend 18% mehr Bruttogeschossfläche genehmigt, ohne dass sich der Kaufpreis erhöhte. Schließlich durfte Signa die Immobilie für 13 Millionen Euro weniger als andere Bieter erwerben. Die Stadt Hamburg versicherte daraufhin, dass diese Anpassungen nicht zu einem wirtschaftlichen Vorteil für den Investor führen würden. (Quelle 1)
Im Herbst 2022 legte Signa der Stadt Hamburg eine Bürgschaft vor: einen Kontoauszug der Signa mit einem Guthaben von 553 Millionen Euro und einen Darlehensvertrag mit der Hessischen Landesbank Helaba als Darlehensgeberin, die als eine Art Wirtschaftsprüfer die Finanzierung des Elbtowers sicherstellen sollte. Die Helaba bestätigte der Stadt Hamburg, dass bereits vor Baubeginn für mindestens 30 % des Turms Mieter gefunden worden waren. Im Januar 2024 zog sich der wichtigste dieser angeblichen Mieter, die Hamburg Commercial Bank (HCOB), aus dem Mietvertrag zurück. Entwicklung: Finanzierungsnachweis im Herbst 2022, Übergabe des Grundstücks im Januar 2023, Baubeginn und Abzug des Kapitals im Februar 2023. Stilllegung der Baustelle im Oktober 2023. Als die Korruptionsvorwürfe gegen Benko (der rechtlich nicht mehr Geschäftsführer war) laut wurden, gewährten die großen Banken Signa keine Kredite mehr. Der Konkurs der Signa stand unmittelbar bevor und der Elbtower blieb in einem ruinösen Zustand. (Quelle 3)
Im Gegensatz zur Arbeitsweise von Signa als große Immobilien-Holding untersuchte das Studio verschiedene gemeinschaftliche Eigentumsmodelle wie z.B.: Community Land Trust, Mietshäuser Syndikat und verschiedene Arten von Genossenschaften. Mit all diesen Informationen im Hinterkopf begannen wir mit der Neugestaltung des Gebäudes. Jede Gruppe wählte ihren eigenen Ansatz. Eine Gruppe beschloss, den Wurzeln der Spekulation in der HafenCity nachzugehen und konzentrierte sich auf den Masterplan und darauf, wie bestimmte städtische Regeln die Spekulation einschränken können. Als Ergebnis schrieb die Gruppe einen Wettbewerbsentwurf für eine nachhaltige Entwicklung des Elbtowers ohne spekulative Ziele. Die Entwürfe der anderen Gruppen können als Beiträge zu diesem Wettbewerb betrachtet werden. Alle Gruppen beschäftigten sich mit der Unterbringung von Wohnraum im Elbtower, da dieser immer eine notwendige Ressource ist. Eine Gruppe beschäftigte sich mit dem CO2-Ausgleich für dieses Gebäude und beschloss, auf den verschiedenen Ebenen einen öffentlichen Park zu gestalten.
Eine weitere Person recherchierte die Geschichte der Asylunterkünfte auf dem Gelände des Elbtowers und beschloss daraufhin, eine geeignete Wohnstruktur für Asylbewerber zu entwerfen. Darüber hinaus wurde eine Eigentumsstruktur für die Finanzierung entwickelt. Die nächste Gruppe versuchte, Luxuswohnungen zu schaffen, deren Mieteinnahmen zur Finanzierung der unteren Etagen verwendet werden sollten. Bei unserem Besuch in Hamburg haben wir auch viele verschiedene Initiativen in der Umgebung besucht, die alle Platz brauchen. Eine Gruppe hat sich das zum Vorbild genommen und all diesen Initiativen Räume im Elbtower zur Verfügung gestellt. Auch die Infrastruktur war ein gemeinsames Thema. So beschäftigte sich eine Gruppe mit der geringen Dichte an Schulen in der Gegend und entwarf deshalb ein offenes Schulkonzept in den großen unteren Stockwerken des Turms. Eine andere Gruppe versuchte, die HafenCity mit den älteren Stadtteilen durch neue Fahrradwege zu verbinden, um soziale Ungerechtigkeiten zwischen den Stadtteilen auszugleichen.
Als Gemeinschaftsarbeit entwarfen wir eine große Karte des Gebietes um den Elbtower. Dies wird im Kapitel „GAP MAP“ näher beschrieben.
Quelle 1) Ingolf Gritschneder, Georg Wellmann, 7. Februar 2024. René Benko: Der Zocker und die Politik. ARD Mediathek. www.ardmediathek.de/video/story/rene-benko-der-zocker-und-die-politik/ard/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2FyZC1zdG9yeS8yMDI0LTAyLTA3XzIyLTUwLU1FWg
Quelle 2) Jonas Wahmkow, 14. April 2023. Das Spiel mit der Aufwertung. Taz. taz.de/Spekulation-mit-Immobilien/!5925353/
Quelle 3) Stefan Buchen, 8. Mai 2024. Elbtower: Baubeginn ohne ausreichendes Kapital. In: Panorama 3. Norddeutscher Rundfunk. www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/meldungen/Elbtower-Bau-begann-ohne-ausreichendes-Kapital,elbtower298.html
SoSe 2024, Vertical Studio Project
Lehrpersonen: Prof. Dr. Gabu Heindl, WM Iva Marčetić, WM Florine Schüschke
Studierende: Pelin Eroglu, Dario Fiege, Natalia Filimonov, David Heller, Moritz Heß, Lea Koot, Sebastian Kulle, Enya Müthel, Annabelle Oeste, Vera Osterheld, Paula Rönnau, Luisa Scheibelhut, Jakob Stähler, Naemi Sünderhauf, Dominika Szymonek, Salitanon Woranakprasitt