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"Recht auf Stadt": Von einem theoretischen Konzept aus Frankreich zu städtischen sozialen Bewegungen weltweit

Je nach Akteur und Strategie bekommt der Begriff „Recht auf Stadt“ eine andere Bedeutung und die Definitionen scheinen auseinanderzugehen. Jedoch beziehen sich immer mehr Aktivisten und Koalitionen auf dieses Recht, aber verstehen es – abhängig von Problemstellung und Weltregion - auf sehr unterschiedliche Weise. Nicht nur die gentrifizierte Stadt wird dabei kritisiert; die Streiter des „Rechts auf Stadt“ kämpfen auch gegen Vertreibungen, gegen Obdachlosigkeit oder fordern die Teilhabe am öffentlichen Raum, mehr Partizipation, ein sozialere Stadtentwicklungspolitik usw. Wie wird „Recht auf Stadt“ von Henri Lefebvre in der heutigen Praxis verstanden und verwendet, bzw. definiert?

Ziel meiner Arbeit in der Disziplin „Urbanistik/Stadtplanung“ an der Bauhaus-Universität Weimar ist, eine Abgrenzung von „Recht auf Stadt“-Bewegungen vorzunehmen und mit der Untersuchung von einer Vielfalt von städtischen sozialen Bewegungen Konturen zu schaffen. Zahlreiche solche Bewegungen sind in Europa und Lateinamerika erfasst und sortiert worden, um ein Selbstverständnis der „Recht auf Stadt“-Bewegungen hinsichtlich ihrer Lage, ihrem Handlungsfeld, ihrer Stabilität und der Protestform herauszustellen. Sie sind stadtpolitische Gruppen, die sich zusammenschließen, um ein gemeinsames Interesse an städtischen Fragen zu verfolgen und den sozialen Wandelmit einer gewissen Kontinuität einzufordern. Vier Fallbeispiele in Ungarn (AVM), Argentinien (Giros), und Deutschland (Recht auf Stadt in Hamburg und Jena) werden näher untersucht. Diese gegenwärtige Bewegungen nehmen alle Bezug auf die Stadtentwicklung und haben eine Grundvorstellung des Rechts auf Stadt, die der französische Philosoph Henri Lefebvre in Droit à la Ville (1968) und Die Revolution der Städte (1972) in den 70er-Jahren beschrieben hat.

Die Erfolgsgeschichte des Begriffs lässt sich insofern festhalten, dass sowohl die Praxis als auch die Politik ihn verwenden. Institutionalisierung und Charten sind aber nur ein Nebeneffekt der Kohäsionskraft. Meine Doktorarbeit fokussiert eher auf die produktive Verbindung zwischen Praxis und Wissenschaft. Ist der Begriff "Recht auf Stadt" mehr als nur ein guter Slogan? Allen Beteiligten (Forschern, Praktikern und politisch engagierten Bürgern) sollen die viele Facetten und Gemeinsamkeit der „Recht auf Stadt“-Bewegungen ersichtlich werden. Die Arbeit wendet sich in erster Linie an die sozialen Bewegungen, aber auch an Fachleute und Experten, die handeln wollen oder können. Sie soll ein Beitrag zur kritischen Wissenschaft und Bewegungsforschung leisten.