Lebrecht Migge
Ende der 1970er Jahre griffen an der Gesamthochschule Kassel die Initiatoren der der Kasseler Schule der Landschafts- und Freiraumplanung Karl-Heinrich und Inge Meta Hülbusch sowie Helmut Böse Lebrecht Migges Konzept der Selbstversorgung als Leitgedanken der Siedlungsplanung auf und entwickelten diesen weiter zu der Idee einer „Autonomie des Gebrauchs“ weiter. Zugleich erfolgte eine historische Aufarbeitung von Lebrecht Migges Werk und Wirken mit der Ausstellung und Publikation „Leberecht Migge, Gartenkultur des 20. Jahrhunderts“, die im Rahmen der Bundesgartenschau in Kassel 1981 von der Jürgen von Reuß unter Mitarbeite u.a. von Lucius Burckhardt, Heidrun Hubenthal, Inge Meta Hülbusch und Mike Wilkens realisiert wurde. Heidrun Hubenthal legte das „Leberecht-Migge-Archiv“ an, auf dem aufbauend sie 2004 eine erste Bibliographie zu Migge publizierte. Weitere Publikationen erschienen seitens der Arbeitsgemeinschaft Freiraum und Vegetation Ende der 1980er Jahre.
Aufbauend auf seinen Forschungen zur Anthropozänküche im Rahmen der Exzellenzclusters Bild-Wissen-Gestaltung bereitet Philipp Oswalt im Rahmen des FGÖB eine kommentierte Re-Edition von Lebrechts Migges nahezu unbekannten Werk „Leberecht Migge: Berlin kolonisiert. Berlin versorgt sich selbst! Eine Millionen Berliner siedeln aus!“ von 1932 vor.
Vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise formulierte Migge als Resümee seiner 20-jährigen Befassung mit Siedlungsgrün und Selbstversorgung eine radikale Vision einer sozialen, modernen, technisch basierten Siedlungsökologie für eine Millionenmetropole. Hiermit war er seiner Zeit weit voraus und formulierte Konzepte, die in den heutigen Debatten um Anthropozän, Landscape Urbanism und Urban Agriculture aktuell werden. Als innovativer Querdenker durchdachte Migge die Freiräume der Stadt auf ihre ökologische, soziale und wirtschaftliche Funktion und entwickelte eine Konzeption für den Massstab einer moderne Großstadt, welche moderne Technologien und Wissenschaften mit Selbstversorgung und Selbstorganisation verknüpfte. Zugleich erprobte er seine Ideen experimentell im Selbstversuch, in einem – wie wir heute sagen würden – Reallabor.
Ziel des Projekts ist, diese vergessene wegweisende Studie öffentlich zugänglich zu machen, um Impulse für die heutige Diskussion um Stoff- und Energiekreisläufe, urbane Ernährung, offene-akteursbasierte Planung einer Do-it-Yourself-Stadt zu geben.
Forschender: Philipp Oswalt