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| Impulse für eine zeitgenössische Landschaftsästhetik | |||||||||||
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Landschaften werden nicht nur durch Landschaftsarchitekten entworfen. Waren es im 18. Jahrhundert die Landschaftsmaler, die mit ihren Bildern die Vorstellung und Gestaltung der Landschaft beeinflussten, wird diese Rolle heute zunehmend von den Neuen Medien übernommen. Filme, Musikvideos, Computerspiele, aber auch Theaterstücke, Romane und Werbung prägen unsere Landschaftswahrnehmung. Impulse für neue Landschaftserfahrungen kommen aus den verschiedensten Richtungen: |
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_Der amerikanische Landschaftsarchitekt Lawrence Halprin begreift Entwerfen als einen Prozess, der menschliche Bewegung und Aktion mit einbezieht. Halprin entwickelte bereits in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine Zeichenschrift, „Motation“, mit deren Hilfe er Räume aus Bewegungsabläufen und Choreografien entwickelte. Damit ist Halprin auch heute richtungsweisend für zeitgenössische performative Entwürfe in der Landschaftsarchitektur. |
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Halprin, Lawrence (1969): The RSVP Cycles. Creative Processes in the Human Environment. New York |
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_Der amerikanische Landschaftsforscher John Brinckerhoff Jackson war der Überzeugung, dass es keine langweilige Landschaft gibt. Jede Alltagslandschaft sei es wert, von uns gelesen zu werden, weil sie uns viel über die Menschen erzählt, die sie geformt haben. Was Jackson bereits 1950 für die Landschaften der USA postulierte, kann uns heute in Europa helfen, die vermeintlich hässlichen Agglomerationsräume mit ihren Gewerbeparks und Einkaufswelten als Landschaften neu wahrzunehmen. |
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Jackson, John Brinckerhoff (1997): Landscape in Sight. Looking at America. Hg. von Helen Lefkowitz Horowitz. New Haven, London |
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_Das deutsch-schweizerische Theaterkollektiv Rimini Protokoll dokumentiert Alltagslandschaften und transformiert sie zugleich. In ihrer Inszenierung „Cargo Sofia“ wird Bewegung durch die Stadtlandschaft als Denkbewegung über Landschaft. Aus Zuschauern werden Teilnehmer, die Stadtlandschaft als dynamisches Gefüge in globalen Zusammenhängen in wörtlichem Sinne erfahren, wenn sie mit rumänischen Fernfahrern in einem umgebauten Truck die Berliner Peripherie durchqueren. |
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_Der portugiesische Schriftsteller José Saramago schildert in seinem Roman Das Centrum die enge Verzahnung gesellschaftlicher und stadträumlicher Veränderungen. Während in der Stadt ein allumfassendes „Zentrum“ entsteht, scheint ein Überleben auf dem Land mit seinen lokalen Strukturen kaum mehr möglich zu sein. Saramago stellt mit seinem Roman die Frage nach der Möglichkeit kultureller und räumlicher Strukturen zwischen globalisiertem Fortschritt und lokaler Rückständigkeit. |
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Saramago, José (2002): Das Zentrum. Reinbek bei Hamburg |
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_Der Schweizer Spaziergangswissenschaftler Lucius Burckhardt hat uns gelehrt, dass die Landschaft in den Köpfen entsteht. Er zog daraus den Schluss, dass wir nicht immer in die Landschaft eingreifen müssen, um sie zu verändern. Viele Landschaften seien dadurch schön geworden, dass sie besungen wurden. Als spezifisches Instrument der Landschaftswahrnehmung und -gestaltung machte Burckhardt den Spaziergang zu seinem Forschungsgegenstand und etablierte die von ihm so genannte Promenadologie. |
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Burckhardt, Lucius (2006): Warum ist Landschaft schön? Die Spaziergangswissenschaft. Kassel |
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_Die kanadische Künstlerin Janet Cardiff entwickelte gemeinsam mit George Bures Miller den Audiowalk Jena-Cospeda für das Schlachtfeld bei Jena, auf dem 1804 die Preußen durch Napoleons Truppen besiegt wurden. Die Klangcollage aus Geräuschen, zeitgenössischen Originalstimmen und historischen Textdokumenten thematisiert die Bedeutung der Landschaft als Erinnerungsspeicher. Die Überlagerung von Hören und eröffnet neue Formen der Landschaftserfahrung. |
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http://www.jena.de/sixcms/detail.php?id=30529&_nav_id1=30345&_nav_id2=30530&_lang=de |
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| _Der isländische Künstler Olafur Gislason errichtete in der einsames Fjordlandschaft Nordnorwegens das Kunstwerk Media Thule, eine Holzhütte mit grandiosem Ausblick auf Meer und Bergsilhouette. Innen liegen Papier und Stifte bereit, die den Besucher dazu auffordern, die eigenen Landschaftsansichten aufzuzeichnen, die in der Hütte archiviert werden. Gislason geht es um den wahrnehmenden Menschen, der die „Landschaft draußen“ erst zum Entstehen bringt. Er macht Landschaft zu einem kulturellen Raum und einer Sphäre des Öffentlichen. | |||||||||||
http://www.skulpturlandskap.no/Skulpturlandskap/artscape/about.html |
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| _Der französische Kulturphilosoph Michel Serres beschreibt „Visitieren“ als sein Instrument der Erkenntnis sowohl der Welt im Allgemeinen als auch der Landschaft im Konkreten, wobei er auf die Doppeldeutigkeit von „Visite“ verweist. Sehen und Gehen sind für Serres unabdingbare Wahrnehmungs- und Erkenntnispraktiken. Das Allgemeingültige wird in den Blick genommen, das Gehen ermöglicht einen Perspektivenwechsel sowie die körperliche Erfahrung des Einzigartigen. So können wir Landschaft als Feld zwischen Globalem und Lokalen vermessen. | |||||||||||
Serres, Michel (1998): Die fünf Sinne. Eine Philosophie der Gemenge und Gemische. (Franz. Originalausg. 1985) Frankfurt am Main |
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| _Der amerikanische Journalist und Landschaftsreporter Grady Clay hat unter dem programmatischen Titel „Real Places“ einen „Unconventional Guide to America’s Generic Landscape“ herausgegeben. Seine Enzyklopädie bislang wenig beachteter, aber nichtsdestoweniger realer Landschaften umfasst „Abandoned Areas“, „The Dark“, „The Landing“ oder „The Parade Route“. Clay entwickelte seine Typologie zeitgenössischer Landschaften der Agglomeration mithilfe der „Grady Clay-Querschnittmethode“, die eine Wahrnehmungslinie durch den Stadtkörper schneidet und damit neue Lesarten scheinbar unstrukturierter Räume ermöglicht. | |||||||||||
Clay, Grady (1994): An Unconventional Guide to Real Places. America’s Generic Landscape. Chicago, London |
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_Die koreanische Künstlerin Kim Sooja entwickelte eine performative Installation mit Stoffbündeln, „Bottari“ - alltägliches Reisegepäck in Korea. Darin hat die Künstlerin Kleidungsstücke verschiedener Menschen zusammengeschnürt und auf ihre Reisen mitgenommen. Weltweit lässt sie sich mit den Bündeln in Museen, in Parks etc. nieder, breitet die Stoffe aus und nimmt in wörtlichem Sinne Raum ein. Schließlich schnürt sie die Bündel wieder zusammen und zieht weiter. Verortung, Aufbruch und Unterwegssein werden hier thematisiert, modernes Nomadentum, sei es touristisch, politisch oder wirtschaftlich motiviert. |
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| Kim Sooja (2005): Conditions of Humanity. Ausstellungskatalog Kunstpalast Düsseldorf |