Qualität und Zuverlässigkeit

Mechanismen der schwellennahen Rissausdehnung in der Aluminiumlegierung EN AW-6082

Im schwellennahen Bereich können Risse ein unerwartetes Rissausdehnungsverhalten zeigen. Dieses Phänomen hängt mit der Tatsache zusammen, dass das mit der Mikrostruktur interagierende Rissspitzenfeld kurzreichweitig ist und mikrostrukturelle Merkmale dieses Feld folglich blockieren oder vollständig ablenken können.

Aus gewalzten Rohlingen der Aluminiumlegierung EN AW-6082 wurden flache Dogbone-Proben im spitzengealterten Zustand geschnitten (s. Abb. 1). Nach dem mechanischen und elektrolytischen Polieren wurde mit einer Rasierklingen-Poliertechnik eine teilweise durchgehende Kerbe in den Probenradius geschnitten. Durch Druckvorknacken wurde ein Anfangsriss eingeführt, der im unbelasteten Zustand offen ist.

Abbildung 1. Mikrostruktur des Materials und Probengeometrie

Anschließend wurden Experimente bei nominell konstanten ΔK-Werten nahe der zunächst durch kontinuierliche Laststeigerung ermittelten Schwelle durchgeführt. Die gebrochenen Proben wurden in einem REM (ZEISS Ultra Plus) sowie in einem µ-CT (ZEISS Xradia 520 Versa) analysiert. Darüber hinaus wurden Kristallplastizitätssimulationen mit der an DAMASK gekoppelten Spektralformulierung durchgeführt, mit dem Ziel, vertiefte Informationen über die Rissausdehnungsmechanismen zu erhalten. Zu diesem Zweck wurden digitalisierte Modelle der experimentell charakterisierten Mikrostruktur mit Hilfe von EBSD und Röntgentomographie erstellt. Eine dreidimensionale Abbildung der Kornstruktur wurde durch Benetzung der Korngrenzen mit flüssigem Ga realisiert.

Abbildung 2. Verankerung des Risses an primären Ausscheidungen
Abbildung 3. Scher-dominiertes Riss-Spitzenfeld

Es wurden zwei Mechanismen identifiziert, die den Riss an einer kontinuierlichen Ausdehnung hindern. Erstens wurde die Rissfront durch primäre Ausscheidungen verankert, was zu duktilen Brücken an den Bruchflächen führte (Abb. 2). Der zweite Mechanismus war die Rissausdehnung in einem scherdominierten Modus (Abb. 3). Dieser Effekt war bei Rissen, die sich parallel zu den langgestreckten Körnern und zu den Linien der primären Ausscheidungen ausbreiteten, die beide mit der Walztextur zusammenhängen, besonders ausgeprägt. Kristallplastizitätssimulationen auf der Grundlage von Mikrostrukturmodellen der gebrochenen Proben (Abb. 4) zeigen, dass dieser Effekt auf das durch die Kornanisotropie induzierte multiaxiale Spannungsfeld zurückgeführt werden kann und sich somit von der mit Mikrorissen der Stufe I assoziierten einzelnen Gleitlinie unterscheidet (Abb. 5).

Abbildung 4. Definition des Simulationsmodells durch Kombination von EBSD- und CT-Analysen
Abbildung 5. Scherdominiertes Rissspitzenfeld als Ergebnis der Kristallplastizitätsanalyse

Referenzen:

M. Wicke, A. Brückner-Foit, and T. Kirstenet al., Materials Testing, 61, 309-316 (2019)

M. Wicke, A. Brückner-Foit, and T. Kirstenet al., Int. J. Fatigue, 119, 102-111 (2019)


Prof. Dr. Angelika Brückner-Foit

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