Projektbeschreibung TP 2
Eine Redefinition von Unterricht über den Einsatz von digitalen Medien und Techniken, gemäß dem SAMR - Modell (Puentedura, 2006), ist direkt verknüpft mit Weiterentwicklungen im digitalen Sektor. Insbesondere die Nutzung aber auch Entwicklung interaktiver und vermehrt intelligenter Lehr-/Lernsysteme bietet dabei umfangreiche Möglichkeiten die von einer individuellen Lernprozessgestaltung bis hin zu einer weitaus zielgerichteteren Lernstandsdiagnostik sowie diagnostischen Analyse reichen. Die Gestaltung und der Einsatz solcher Tools stellt dabei eine große Herausforderung für die jeweilige Fachdidaktik als auch für die Informatik dar. Letztere identifiziert und entwickelt Methoden, die es ermöglichen, Software und/oder digitale Techniken so zu gestalten, dass diese eine individuelle Interaktion mit dem Nutzer erlaubt, wobei erstere sowohl diese Interaktion derart ausgestaltet, dass das resultierende Tool als intelligentes Lernsystem durch den Nutzer wahrgenommen wird, als auch den didaktischen Einsatzrahmen bereitstellt. Beispiele für Medien, die auf Basis dieser Anforderungen entstanden sind und in der Hochschullehre eingesetzt werden, finden sich bisher vor allem im Bereich der Didaktik formalwissenschaftlicher Fächer (u.a. Giebermann & Friese, 2018).
Das Ziel des hier vorgestellten Teilprojekts ist es, Lehr-Lernsysteme zur individuellen Lernprozessgestaltung und zielgerichteten Lernstandsdiagnostik, sogenannte intelligente Lehr-Lernsysteme (iLLs), zu entwickeln, zu evaluieren und in die Biologie-Lehrerbildung zu integrieren. Durch eine enge Verzahnung fachdidaktischer und informatorischer Kompetenzen, werden dazu die Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung formaler Methoden aus dem Bereich der Softwareverifikation in ein Tool zur Unterstützung des Experimentierprozesses untersucht. Ziel ist es, Informationen über diesen Prozess des Erwerbs von Experimentierkompetenzen zu gewinnen, diese geeignet fachdidaktisch zu interpretieren und als zielgerichtetes Feedback den Nutzern zur Verfügung zu stellen. Im Weiteren soll das iLLs als integraler Bestandteil in eine hochschuldidaktische Lernumgebung eingesetzt werden, um das fachdidaktische und pädagogisch-psychologische Wissen von Biologie-Lehramtsstudierenden im Bereich der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung, der Lernprozessdiagnostik sowie medienbezogener/-didaktischer Einstellungen zu professionalisieren.
Die hochschuldidaktische Lern-Lehrumgebung wird mittels quantitativer und qualitativer Methoden im Pre-Post-Kontrollgruppen-Design empirisch über drei Semesterkohorten (ab WiSe 2020/21) begleitet (siehe Abb. 1).
Abb. 1: Forschungsdesign im Pre-Post-Kontrollgruppen-Design mit drei Interventionsabschnitten (Kastaun et al., 2020 im Druck)
Die im Forschungsdesign implementierten Interventionsabschnitte werden wie folgt ausgestaltet:
Intervention I:
Die Studierenden erwerben eigene Experimentierkompetenz in der Durchführung eines Experimentiermoduls in FLOX ohne (KG) und unter Nutzung des iLLs (TG). In dieser Phase bauen sie zudem technische Kompetenzen im Umgang mit dem digitalen System auf und setzten sich aus fachdidaktischer Perspektive mit Schülerhürden beim Experimentieren (Meier, 2016) auseinander.
Intervention II:
a) In einem Klassenbesuch bei FLOX führen die Studierenden eine kriteriengeleitete Beobachtung zum fachlichen und fachmethodischen Wissen ausgewählter Schüler*innen durch und erfassen diese in einem digitalen Diagnoseprotokoll. Die Schüler*innen arbeiten in Kleingruppen selbstständig im Experimentierprozess mit (TG) und ohne (KG) dem iLLs ohne eine explizite Betreuung.
b) Die Studierenden werten im Anschluss die Daten der eigenen prozessbegleitenden Beobachtung mit den Schülerdaten des iLLs (TG) bzw. des digitalen Protokolls (KG) aus und führen die gewonnenen Informationen in ein Individualfeedback mit Förderempfehlungen zusammen.
Intervention III:
Das gewonnene Wissen aus Intervention II zu möglichen Handlungsoptionen in der Betreuung von Schüler*innen beim Experimentieren wird in einem weiteren FLOX-Modul von den Studierenden angewendet. Die Studierenden beobachten erneut kriteriengeleitet Kleingruppen beim Experimentieren und greifen auf Basis ihrer Diagnose direkt in das Experimentiergeschehen ein, indem sie den Lernenden Feedback zu ihren Entscheidungen und Handlungen geben.
Mittels unterschiedlicher Messzeitpunkte vor und nach den einzelnen Interventionen, soll zum einen mit quantitativen Analysen die Usability- und User Experience (Laugwitz et al., 2006) des iLLs in Experimentaleinheiten und dessen Einfluss auf Wissensfacetten technologiebezogener, professioneller Handlungskompetenz (fachmethodisches Wissen zum Experimentieren: Hartmann et al., 2015; Status- und Prozessdiagnostik zur Experiementierkompetenz: Dübbelde, 2013) sowie die Akzeptanz, Einstellung und Selbstwirksamkeit gegenüber dem Einsatz digitaler Medien (Regel-)Unterricht bei Studierenden (Vogelsang et al., 2019; Dinse de Sales, 2019) überprüft und analysiert werden. Zum anderen werden die Kommunikationsprozesse zwischen Schüler*innen und Studierenden u.a. zum iLLs mit Blick auf die Herausarbeitung eines gemeinsamen Lernerfolges beim Experimentieren qualitativ untersucht.