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Projektübersicht ]
1.7 Transportiertes Geschlecht. Gender and Mobility Culture
Leitung: Anke Hertling, M.A.
Kooperationen: IAG Frauen- und Geschlechterforschung Universität KasselForschungsdisziplinen wie "History of Transport" und "Mobility Culture", die besonders im angelsächsischen Wissenschaftsbetrieb Eingang fanden, konzentrieren sich nicht mehr wie die androzentrische "interne Verkehrsgeschichte" auf die Darstellungen der verkehrstechnischen Erfindungen, auf das Wirken der Ingenieure und Unternehmer, sondern auf die soziokulturellen Handlungskontexte, das heißt auf Aneignung und Konsumtion von Verkehrstechnik. Während es bereits Konsens in den Forschungen zur Haushalts- und Informationstechnik darüber gibt, dass der Umgang mit Technik geschlechtsspezifisch besetzt ist, offeriert dieser Paradigmenwechsel in der Verkehrs- und Transportgeschichte auch eine gender-Perspektive.
Die Frage nach der geschlechtsspezifischen Aneignung und Konsumtion von Verkehrstechnik motivieren Ende der neunziger Jahre erste soziologische Untersuchungen zum Automobil. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass das Automobil entsprechend der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung von Männern und Frauen unterschiedlich genutzt wird. Vergleichbare Analysen zu Kutsche und Eisenbahn fehlen bislang. Die Frauenreiseforschung zeigte aber, dass Mobilität bereits im Kutschenzeitalter im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischen Rollenmustern steht. Der Kontext von Geschlecht und zeitgenössischer Verkehrstechnik wurde jedoch zugunsten des Ansatzes, Frauenreisen als emanzipativen Ausbruch aus Rollenerwartungen zu lesen, in der Frauenreiseforschung kaum Bedeutung zugewiesen. Erst die Literaturwissenschaftlerin Annegret Pelz leistet in dem Kapitel "Gehäusefahrten" ihrer 1993 veröffentlichten Publikation Reisen durch die eigene Fremde. Reiseliteratur von Frauen als autogeographische Schriften einen herausragenden ersten Beitrag zur historischen Bedeutung von Geschlecht im Aneignungs- und Nutzungsprozess von Transportmitteln und dessen Folgen für die weibliche Mobilität. Mit kulturhistorischen Ausführungen zur Kutsche verifiziert Pelz ihre These, dass reisende Frauen nur gesellschaftlich akzeptiert sind, solange sie sich in domestizierten Gehäuseformen wie Kutsche, Automobil oder Eisenbahn bewegen.
Sowohl Pelz' Ausführungen als auch die soziologischen Untersuchungen zum Automobil machen deutlich, dass geschlechtsspezifische Zuschreibungen Bestandteil der kulturellen Implikationen von Transportmitteln sind. Ausgehend von der These, dass die Nutzung von Verkehrstechnik geschlechtsspezifisch besetzt ist, sollen zeitgenössische Diskurse zu Transport- und Reiseverkehrsmitteln hinsichtlich eines gender-Ansatzes rekontextualisiert werden. Dabei sollen einmal technische Erzeugnisse wie das Damenfahrrad, das Damenabteil im Eisenbahnverkehr oder das zu Beginn des 20. Jahrhunderts speziell für weibliche Nutzerinnen entwickelte E-Auto im Mittelpunkt stehen, um dessen Funktion im Kontext geschlechtsspezifischer Handlungsräume zu untersuchen. Darüber hinaus bietet sich ein breiter zu untersuchender Textkorpus an, der literarische und mediale Inszenierungen von Technik mit einbeziehen soll, um auch die symbolischen Prägnanzbildungen von Geschlecht in Technisierungsprozessen offen zu legen. In dem Fokus, Geschlecht als kulturelle Inszenierungspraktiken und nicht als biologische Gegebenheiten zu verstehen, liegt das Potential, geschlechtsspezifische Zuschreibungen auch bei technischen Artefakten wie Kutsche, Auto, Eisenbahn zu extrapolieren und damit die traditionellen technischen und ökonomischen Untersuchungen zur Verkehrsgeschichte um die Kategorie Geschlecht zu erweitern.
Publikationen:
Anke Hertling. 2004. Automobility in discourse of feminitiy in the Weimar Republic. http://www.carstudies.de/gender/repr_gender/autofem.html