Heinrich Dauber/Witlof Vollstädt

 

 

 

PHohe psychosoziale Belastungen im Lehramt

Ergebnisse einer schriftlichen Befragung

von frühpensionierten Lehrerinnen und

Lehrern

in der nordhessischen Region

 

 

 

- Zusammenfassung -

 

Im August 2002 wurden vom Zentrum für Lehrerbildung der Universität Kassel 13172.834 Lehrerinnen und 1517 Lehrer (insgesamt 2834) aller Schulstufen und -arten, die zwischen 1996 und 2002 im Regierungsbezirk Kassel aus Krankheitsgründen frühpensioniert worden waren, in einer umfangreichen anonymisierten Befragung einerseits nach den subjektiv empfundenen Belastungsfaktoren während ihrer aktiven Dienstzeit und andererseits nach den Formen der Verarbeitung dieser Belastungen  – aus ihrer heutigen (retrospektiven) Sichtweise – gefragt.  Der Rücklauf betrug knapp 51 Prozent (!). Zahlreiche Lehrerinnen und Lehrer ­ergänzten den standardisierten Fragebogen durch persönliche, schriftliche und mündliche Stellungnahmen.

Die Untersuchung, die aus der Arbeit einer interdisziplinären Arbeitsgruppe des ZLB hervorging (http://www.uni-kassel.de/zlb/) in der Lehrerbildner aus allen drei Phasen  der Lehrerbildung sowie Schulpsychologen, ärztliche Psychotherapeuten, Schulleiter und Schulverwaltungsbeamte zusammengearbeitet haben, wurde vom Hessischen Kultusministerium genehmigt und aus Mitteln des HKM und des HMWK gefördert.

Ziel der Untersuchung war, sowohl die – aus der Sicht der Betroffenen – zum Ausscheiden aus dem Dienst führenden Belastungsfaktoren zu identifizieren als auch diese in Beziehung zu setzen zu spezifischen Verarbeitungsformen dieser Belastungen, um daraus Konsequenzen für Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen in allen Phasen der Lehrerbildung ziehen zu können.

 

   Durch die freiwillige Teilnahme an der schriftlichen Befragung ergab sich folgende zufällige Zusammensetzung der Stichprobe:

-  Nnach dem Geschlecht:  56% männlich, 44% weiblich

männlich

56 %

weiblich

44 %

 

-  Nnach den Jahren im Schuldienst (bis zum Ausscheiden):

 

mit   1-10 Dienstjahren

  1 %

mit 11-20 Dienstjahren

  4 %

mit 21-30 Dienstjahren

41 %

mit 31 und mehr Dienstjahren

54 %

 

                                               1 % mit   1-10 Dienstjahren

                                               4 % mit 11-20 Dienstjahren

                                             41 % mit 21-30 Dienstjahren    

                                             54 % mit 31 und mehr Dienstjahren

     Fast alle (99 %) schieden wegen Dienstunfähigkeit aus.

 

-  Nnach dem Lebensalter beim Ausscheiden:

 

bis 50 Jahre

  7 %

von 51-59 Jahre

55 %

60 Jahre und älter

37 %

 

                                               7 % bis 50 Jahre

                                             55 % von 51-59 Jahre

                                             37 % 60 Jahre und älter

     Damit war mehr als die Hälfte der Befragten beim Erreichen des 60. Lebensjahres bereits aus dem Schuldienst ausgeschieden.[1][i]

 

-  Nnach der Schulform (von den Befragten arbeiteten):

Von den Befragten arbeiteten

 

in Grundschulen

33 %

in kooperativen Gesamtschulen

15 %

in integrierten Gesamtschulen

  9 %

in Haupt- und Realschulen

12 %

in Gymnasien

10 %

in beruflichen Schulen[2][ii]

13 %

 

33 % in der Grundschule

15 % in kooperativen Gesamtschulen

  9 % in integrierten Gesamtschulen

12 % an Haupt- und Realschulen

10 % an Gymnasien und

13 % an beruflichen Schulen.[iii]

-     Nnach ihrer Ausbildung (Mehrfachnennungen waren möglich):

 

Lehramt Grundschule

49 %

Lehramt Haupt- und Realschule

66 %

Lehramt Gymnasium

17 %

Lehramt Berufsschule

14 %

Lehramt Sonderschule

  2 %

 

 

                                              49 % Lehramt Grundschule

                                       66 % Lehramt Haupt- und Realschule

                                              17 % Lehramt Gymnasium

                                              14 % Lehramt Berufsschule

                                                2 % Lehramt Sonderschule.

(Der Vergleich mit den am häufigsten genannten Schulformen zum Zeitpunkt des Ausschei--dens führt zur Vermutung, dass wahrscheinlich einige der frühpensionierten H-/R-Lehrkräfte zum Ende ihrer Berufstätigkeit in Grundschulen gearbeitet haben.)

-    Weniger als 1 Prozent wurde eine andere Tätigkeit angeboten,  21 Prozent hätten jedoch eine solche akzeptiert[iv].[3] Diese Lehrkräfte (n = 211) hätten sich zu 36 Prozent Verwaltungstätigkeiten oder Tätigkeiten in Bibliotheken und zu 20 Prozent Stundenreduzierungen bzw. den Einsatz in der Lehrerfortbildung vorstellen können.

-  Etwa 30 Prozent der Befragten hatten zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens eine Funktionsstelle.

 

 

Als Gründe für die Dienstunfähigkeit wurden angegeben:

        

Psychische, psychosomatische Erkrankungen:

49 %

(n = 701)

Erkrankungen des Bewegungsapparates

47 %

(n= 666)

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

38 %

(n= 539)

Stoffwechselerkrankungen

15 %

(n= 216)

Erkrankungen des Atmungssystems

14 %

(n= 200)

Krebs

  9 %

(n= 197)

 

Damit ist offensichtlich, dass es häufig mehrere Erkrankungen gab, die zur Dienstunfähigkeit führten. Psychische und psychosomatische Erkrankungen korrelieren nicht mit einzelnen, sondern jeweils mit einem ganzen Bündel von Belastungsfaktoren. Für andere, somatische Krankheitsbilder lassen sich keine Korrelationen mit bestimmten Belastungen feststellen. Auf diese Weise lässt sich vermuten, dass in der Regel alle übrigen Erkrankungen (entweder ursächlich oder als Folgeerscheinung) mit psychischen bzw. psycho-somatischen Erkrankungen verknüpft sind.

Von den 390 Befragten, die ihre somatische Krankheit genauer angegeben haben, sind allein 32 Prozent wegen Hörschäden (Tinnitus, Hörsturz, Schwerhörigkeit) ausgeschieden. Magen-Darm-Erkrankungen, Probleme mit den Augen und der Stimme wurden von jeweils etwa acht  Prozent, . Wweitere Erkrankungen wurden noch seltener angegeben.

 

Als Hauptbelastungsfaktoren wurden vor allem genannt:

-  die Fülle der Anforderungen, insbesondere

-  Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten bei Schülern

-  immer mehr Erziehungsaufgaben

-  zu viele Schüler(innen) in einer Klasse

-    undisziplinierte Schüler

-  große Leistungsunterschiede zwischen den Kindern und Jugendlichen

-  sinkende Lernmotivation bei Schülerinnen und Schülern

-  hoher Lärmpegel

-  Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten bei Schülern

labiler Gesundheitszustand

-  hoher Verantwortungsdruck

-  zu wenig wirksame Sanktionsmöglichkeiten

-  hoher Verwaltungsaufwand (Zunahme der administrativen Pflichten; generell zu viele Vor-schriften und Vorgaben)

-  hohe Pflichtstundenzahl/zu hohe wöchentliche Arbeitszeit

Zusätzlich wurden angegeben:

-  Probleme in der Zusammenarbeit mit Eltern

-  zu wenig Unterstützung durch die Schulleitung und das Schulamt

-  Mobbing durch die Schulleitung und im Kollegium

-    schulorganisatorische Schwierigkeiten

KKeine oder nur geringe Belastungen haben hervorgerufennicht hingegen:

-  fachfremder Unterricht

-  Fortbildung außerhalb der Dienstzeit

-    unzureichende Bezahlung

-  Nutzung neuer Medien

-  Differenzen mit der Schulleitung

-    Konkurrenzdruck im Kollegium

-  sSchlechter baulicher Zustand der schulischen Gebäude.

Nutzung neuer Medien

Konkurrenzdruck im Kollegium.

 

Dabei zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung von Belastungsfaktoren:

- Lehrer leiden stärker unter Schulunlust und sinkender Lernmotivation der Schüler als Lehrerinnen,

- Lehrerinnen hingegen unter hyperaktiven Schülern.[4][v]

- Lehrerinnen finden besonders belastend:

-    - die Gestaltung sozialer Beziehungen

-    -  mmöglichen Konkurrenzdruck im Kollegium

-    -  ddie Bewertungspflicht für schulischer Leistungen

-    -  einen hohen Lärmpegel im Unterricht

-    -  einen hohen Verantwortungsdruck.[5][vi]

Lehrer hingegen fühlen sich dagegen eher durch Vorschriften und Vorgaben belastet.

Für Lehrerinnen spielt   die Bedeutsamkeit der Arbeit, ihre Verausgabensbereitschaft und ihr Perfektionsstreben  eine überdurchschnittliche Rolle, für Lehrer ihr beruflicher Ehrgeiz.

 

Mit steigendem Alter/ Dienstjahren spielen folgende Belastungsfaktoren eine geringere Rolle:

-  Mangel an Kooperation mit Kollegen

-  Mangel an konstruktivem Feedback

-  Enttäuschung eigener beruflicher Erwartungen

-  Differenzen mit der Schulleitung

-  fachfremder Unterricht[6][vii]

Auch im Blick auf die unterschiedlichen Verarbeitungsformen von Belastungen konnte kein Zusammenhang mit der Zahl der Dienstjahre festgestellt werden.[7]

[viii]

Bezogen auf die Schulform lassen sich folgende Belastungsfaktoren unterscheiden:

 

Grundschulen: :

 

stark ausgeprägt

 

-     Zunahme von Erziehungsaufgaben

-     Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten von Schülern

-     hyperaktive Schüler (extrem)

-     Verantwortung für die Gestaltung sozialer Beziehungen

-     hohe Pflichtstundenzahl

-     Neuerungen im Schulsystem

schwach ausgeprägt

 

-     - Schulunlust der Schüler

-     - fehlende elterliche Unterstützung

-     - Mangel an Gestaltungsspielraum für eigene Ideen

-     - schwieriges Zeitmanagement

-     - zu viele Vorschriften und Vorgaben

-     - geringe Effizienz  bei der Unterrichts-planung

-     - wenig Sanktionsmöglichkeiten

-     sinkende Lernmotivation

 

Haupt- und Realschulen:

 

stark ausgeprägt

 

-     Schulunlust der Schüler

-     lernschwierige Schüler

-     fehlende elterliche Unterstützung

-     fehlende Unterstützung durch außerschulische Institutionen

-     Mangel an konstruktivem Feedback

-     Zunahme von Erziehungsaufgaben

-     Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten bei Schülern (extrem)

-     zu viele Schüler pro Klasse

-     Zunahme ethnischer Vielfalt

-     Sinkende Lernmotivation

-     geringe Effizienz bei der Unterrichtsplanung

-     hoher Lärmpegel

-     wenig Sanktionsmöglichkeiten

schwach ausgeprägt

 

-     Mangel an Gestaltungsspielraum für eigene Ideen

 

 

 

 

Gesamtschulen: (genannt wurden nur über-, aber keine unterdurchschnittlichen Belastungen)

 

beide Gesamtschultypen

 

-     Schulunlust der Schüler

-     lernschwierige Schüler

-     fehlende elterliche Unterstützung

-     Mangel an Gestaltungsspielraum für eigene Ideen

-     schwieriges Zeitmanagement

-     enttäuschte berufliche Erwartungen

-     Zunahme von Verhaltenns-auffällligkeiten bei Schülern

-     sinkende Lernmotivation (extrem)

-     hoher Lärmpegel

Integrierte Gesamtschule

 

-     Zunahme von Erziehungsaufgaben

-     zu viele Schüler pro Klasse

-     Verantwortung für die Gestaltung sozialer Beziehungen

-     fachfremder Unterricht

Kooperative Gesamtschule

 

-     zu viele Vorschriften und Vorgaben

-     wenig Sanktionsmöglichkeiten

 

 

 

 

Bberufliche Schulen:

 

stark ausgeprägt

 

-     Schulunlust der Schüler

-     Mangel an Gestaltungsspielraum für eigene Ideen

-     enttäuschte berufliche Erwartungen

-     Zunahme ethnischer Vielfalt

-     sinkende Lernmotivation

schwach ausgeprägt

 

-     Zunahme von Erziehungsaufgaben

-     -Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten von Schülern

-     zu viele Schüler pro Klasse

-     hyperaktive Schüler

-     Verantwortung für die Gestaltung sozialer Beziehungen

-     hohe Pflichtstundenzahl

-     schlechter Zustand der Gebäude

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gymnasium:

 

stark ausgeprägt

 

-     Mangel an Gestaltungsraum für eigene Ideen

-     schwieriges Zeitmanagement

-     zu viele Schüler pro Klasse

-     zu viele Vorgaben und Vorschriften

-     hohe Pflichtstundenzahl

-     schlechter Zustand der Gebäude

schwach ausgeprägt

 

-     Schulunlust der Schüler

-     lernschwierige Schüler

-     fehlende elterliche Unterstützung

-     Zunahme von Erziehungsaufgaben

-     Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten von Schülern (stark unterdurchschnittlich)

 

-     Zunahme ethnischer Vielfalt (extrem unterdurchschnittlich!)

-     sinkende Lernmotivation

-     hyperaktive Schüler

-     Verantwortung für die Gestaltung sozialer Beziehungen

-     fachfremder Unterricht

-     hoher Lärmpegel

-     wenig Sanktionsmöglichkeiten

 

 

Ein besonderer Belastungsfaktor ‚undisziplinierte Schüler’ wird – rückblickend-  nach Schulformen extrem unterschiedlich beurteilt:

Während etwa ein Drittel der GrundschullehrerInnen diesen Faktor diesen Faktor benennen, sind es schon über 40% bei den Gesamtschul- und Berufsschullehrern, und sogar über 50 % der Haupt- und Realschullehrer, aber nur 14 % der Gymnasiallehrer.

 

  

Die Wahrnehmung einer Funktionsstelle wirkt sich entlastend auf die befragten Lehrerinnen und Lehrer aus. Dabei spielt der Faktor ‚beruflicher Ehrgeiz’ neben einer minderen Lehrverpflichtung (und damit verbunden einer niedrigeren Belastungswahrnehmung durch Schüler) die entscheidende Rolle.

 

 

 

 

Im Blick auf die abgefragten 45 Belastungsfaktoren insgesamt lassen sich faktorenanalytisch keine Einzelfaktoren extrahieren, da viele sehr eng miteinander zusammenhängen bzw. Doppelladungen aufweisen. Dies bedeutet, dass die Fülle der Belastungen als entscheidend angesehen werden kann.

Über 60 Prozent% der Befragten geben an, unter 11-20 und mehr Belastungsfaktorenen zu gelitten zu haben. Mit zunehmender Zahl an wahrgenommenen Belastungsfaktoren steigt auch die Häufigkeit der Nennung ‚Tendenz zur Resignation’ als Verarbeitungsform, interessanterweise aber auch die Gewichtung von ‚subjektiver Bedeutsamkeit der Arbeit’,’ Verausgabungsbereitschaft’ und ‚Perfektionsstreben’.[8][ix]

 Dabei ist eine deutlich überproportionale Zunahme von psychischen bzw. psychosomatischen Erkrankungen bei denjenigen Lehrerinnen und Lehrern zu erkennen, die undisziplinierte Schüler und andere damit zusammenhängende Interaktionsvariablen Faktoren als sehr starke bzw. starke Belastung angegeben hatten.

Nur der Faktor ‚Tendenz zur Resignation’ bildet einen statistisch relevanten Zusammenhang mit psychischen und psychosomatischen Krankheiten, aber auch der Zahl der Erkrankungen insgesamt.[9][x] Im Gegensatz dazu spielen psychische oder psychosomatische Erkrankungen eine unterproportional häufige Rolle bei denjenigen Lehrerinnen und Lehrern, die hohe Werte erreichen bei den Faktoren ‚innere Ruhe und Ausgeglichenheit’ sowie ‚Lebenszufriedenheit’. Der Faktor ‚Distanzierung’ kann sich entlastend auswirken, aber auch in Zusammenhang mit ‚Resignation’  als Ausdruck einer inneren Kündigung betrachtet werden.

,

 

Im Blick auf den Umgang mit beruflichen Belastungenbelastenden Faktoren ergeben sich drei Hauptkomplexe zusammenhängender Faktorenfaktoren, mit denen knapp 60 Prozent der Varianz erklärt werden kann, wobei allein der erste mit fast 30 Prozent% den größten Teil der Varianz erklärt.

 Dieser Faktor 1 umfasst die Ladungsvariablen Lebenszufriedenheit, Erfolgserleben im Beruf, Erleben sozialer Unterstützung, innere Ruhe und Ausgeglichenheit, offensiver Umgang mit Problemen. Diese insgesamt positive berufliche Motivation entsteht offensichtlich als Ergebnis aus externen Einflüssen, beruflichen Resultaten und eigenen allgemeinen positiven Einstellungen bzw. Grund­haltungen.

Faktor 2 umfasst die Variablen Verausgabungsbereitschaft, Perfektionsstreben, Bedeutsamkeit der Arbeit, beruflicher Ehrgeiz (15,7% der Varianzerklärung). Mit diesem Faktor wird der Zusammenhang von Leistungsbereitschaft und Motivation in beruflichen Situationen angesprochen. Damit kann die Vermutung formuliert werden, dass die berufliche Tätigkeit selbst, besonders dann, wenn sie erfolgreich verläuft, zur positiven Verarbeitung beruflicher Belastungen und damit zur Gesunderhaltung beitragen kann.

Faktor 3 umfasst die Variablen Distanzierungsfähigkeit, Tendenz zur Resignation, innere Ruhe und Ausgeglichenheit (als doppelt ladender Faktor hier eher negativ erlebt).[10][xi] Dieser Faktor verweist auf Persönlichkeitseigenschaften, die in ihrem Zusammenwirken in der Tendenz eher als gesundheitliches Risiko zu verstehen sind.

Da wir danach gefragt haben, wie die beruflichen Belastungen persönlich verarbeitet wurden, geben diese drei Faktoren somit Auskunft darüber, welche Persönlichkeitseigenschaften miteinander verknüpft sind, wenn entsprechende Wirkungen beim erfolgreichen oder weniger erfolgreichen Umgang mit beruflichen Belastungen erreicht werden. Allerdings dürfen diese mit der Faktorenanalyse ermittelten drei Faktoren nicht als vorgefundene Persönlichkeitstypik von Lehrern unserer Untersuchungsgruppe aufgefasst werden. Hierzu sind weitere differenziertere Untersuchungen erforderlich, die auch die Perspektive der Lehrkräfte berücksichtigen, die nicht aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig pensioniert wurden.

 

 

Vorläufige Ergebnisse und erste Interpretationen

Erste Schlussfolgerungen:

 

Das hohe Interesse an unserer Untersuchung kann zugleich als dringende Aufforderung gewertet werden, psychosozialen Belastungen nicht nur größere Aufmerksamkeit zu schenken, sondern auch mit konkreten Konzepten, Strategien und bildungspolitischen Entscheidungen konsequenter Rechnung zu tragen. Dabei sind alle Phasen der Lehrerbildung genauso gefordert wie die Lehrerfortbildung, die Schulverwaltung,, Ddie Schul- und Bildungspolitik und vor allem die Schulpraxis selbst.

 

Da die Quote an Frühpensionierungen wegen Berufsunfähigkeit in den Grundschulen, Berufsschulen und bei Haupt- und Realschullehrern besonders hoch, in Gymnasien hingegen erfreulich niedrig ist, sollten Maßnahmen zur beruflichen Entlastung und zur Unterstützung beim Umgang mit belastenden Faktoren schulformspezifisch konzipiert und realisiert werden

 

Das Problem einer großen Zahl von Frühpensionierungen besteht nicht primär darin, dass ältere Lehrer aufgrund ihres Alters den Anforderungen ihres Berufes nicht mehr gewachsen sind, sondern dass sich Fülle und Art der externen Belastungen auf Dauer gesundheitlich negativ auswirkt. Die Zahl der Frühpensionierungen lässt sich – aus retrospektiver Sicht der frühpensionierten Lehrerinnen und Lehrer – verringern durch:

 

Das Problem einer großen Zahl von Frühpensionierungen besteht nicht primär darin, dass ältere Lehrer aufgrund ihres Alters den Anforderungen ihres Berufes nicht mehr gewachsen sind, sondern dass sichweniger mit den gestiegenen Anforderungen ihres Berufes fertig werden, sondern dass sich die Fülle und Art der externen Belastungen auf Dauer gesundheitlich negativ auswirkt.  Die Zahl der Frühpensionierungen lässt sich damit offenbar – aus retrospektiver Sicht der frühpensionierten Lehrerinnen und Lehrer - verringern durch:

 

-  - weniger Schüler(innen) pro o Klasse

 

-  - wirksamere Strategien im Umgang mit verhaltensauffälligen, leistungsschwachen

   und unmotivierten Schülern

 

-  - Verringerung des Lärmpegels an den Schulen

 

-  - wirksamere Sanktionsmöglichkeiten

 

-  - Reduzierung des Verwaltungsaufwandes

 

-  - veränderte Arbeitszeitmodelle, die nicht nur die wöchentliche Zahl der Unterrichts-

   stunden  berücksichtigen

 

 

Diese Belastungen sind nach Schulstufe und Schulform in Art und Höhe der Belastungen stark, z. T. extrem unterschiedlich. Die Probleme kulminieren in Berufs- und Hauptschulen, insbesondere was den Umgang mit schwierigen Schülern betrifft.

Lehrerinnen und Lehrer, die in ihrem beruflichen und privaten Umfeld bei hohem beruflichem Engagement genügend Unterstützung und positive Motivation erfahren, sind weniger von psychischen und psychosomatischen Krankheiten betroffen. Als entscheidende Faktoren, die bei der Verarbeitung beruflicher Belastungen helfen, wurden genannt:

 

-  - das eigene berufliche Ethos

 

-  - das Verhältnis und die Einstellungen zu den Kindern und Jugendlichen

 

-  - die Wertschätzung und Anerkennung der eigenen pädagogischen Arbeit und des Be-

   rufs generell durch Schüler, Eltern, Schulleitung, im Kollegium und in der Gesell-

   schaft

 

Daraus leiten sich nicht nur wichtige Orientierungen für die Bildungspolitik ab, sondern auch Anforderungen an berufliche Voraussetzungen und an die Ausbildung künftiger Lehrer(innen).

 

Einen besonders hohen Stellenwert besitzt nach Meinung der befragten Lehrer(innen) das soziale Klima an einer Schule. Es wirkt zum einen als enormer psychosozialer Belastungsfaktor, wenn die sozialen Beziehungen im Kollegium und zur Schulleitung gestört sind, unterrichtliche Kooperation und Koordination nicht oder nur mit großen Anstrengungen zustande kommen, die Qualität des Unterrichts nicht thematisiert wird, innovative Ideen oder Konzepte abgelehnt oder gar nicht erst entwickelt werden. In den umgekehrten Fällen kann es zum anderen auch als wichtiger Entlastungsfaktor wirken und bei der Verarbeitung beruflicher Belastungen helfen.

 

 

 

 

 

 



[1] Während in den Jahren 1997, 1998, 1999 und 2001 durchschnittlich 11-16% der Befragten aus dem Schuldienst ausschieden, waren das im Jahr 2000 48% der Stichprobe.

[2] Gleicht man diese Zahl mit der Zahl hauptberuflicher Lehrer und Lehrerinnen an allgemeinbildenden Schulen im Land Hessen (Statistisches Bundesamt Jahrbuch 2000) ab, zeigt sich ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz bei Grundschullehrern (33 statt 30%), ein extrem hoher Prozentsatz bei Berufschullehrern (13 statt 9%), ein unterdurchschnittlicher Prozentsatz bei Gymnasiallehrern (10 statt 25%). Diese Zahlen beruhen allerdings nur auf groben Schätzungen.

[3] Es ist allerdings anzunehmen, dass dabei keine Reduzierung der bisherigen Verdiensthöhe erwartet wurde.

[4] Dieser Befund ist vermutlich schulartspezifisch zu interpretieren.

[5] Dieser Befund ist vermutlich gender-spezifisch zu interpretieren.

[6] Diese Befunde können auf Erfahrung oder Resignation zurückgeführt werden.

[7] Dies kann heißen, dass die Belastungen in allen Altersgruppen auftreten oder dass es sich bei den Verarbeitungsformen um relativ stabile Persönlichkeitsmerkmale handelt.

[8] Dieser Zusammenhang könnte als circulus vitiosus beschrieben werden: auf eine hohe externe Belastung wird mit verstärkter innerer Anstrengung reagiert, die schließlich in Resignation umschlägt.

[9] In der psychiatrischen Klassifikation lautet dieses Krankheitsbild ‚reaktive Depression’.

[10] Faktor 1 und 2 entsprechen inhaltlich in etwa dem G-Typ in der Untersuchung von Schaarschmidt; Faktor 3 ist eine Mischung aus seinem S-Typ und Risikomuster B.



[i] Während  in den Jahren 97, 98 und 99 und 2001 durchschnittlich 11-16 % der Befragten aus dem Schuldienst ausschieden, waren das im Jahr 2000 48% der Stichprobe.

[ii] Gleicht man diese Zahlen mit der Zahl hauptberuflicher Lehrer und Lehrerinnen an allgemeinbildenden Schulen im Land Hessen (Statistisches Bundesamt Jahrbuch 2000) ab, zeigt sich ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz bei Grundschullehrern (33 statt 30%), ein  extrem hoher Prozentsatz bei Berufsschullehrern (13 statt 9%), ein extrem unterdurchschnittlicher Prozentsatz bei Gymnasiallehrern (10 statt 25%) ab. Diese Zahlen beruhen allerdings nur auf relativ groben Schätzungen.

[iii] Gleicht man diese Zahlen mit der Zahl hauptberuflicher Lehrer und Lehrerinnen an allgemeinbildenden Schulen im Land Hessen (Statistisches Bundesamt Jahrbuch 2000) ab, zeigt sich ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz bei Grundschullehrern (33 statt 30%), ein  extrem hoher Prozentsatz bei Berufsschullehrern (13 statt 9%), ein extrem unterdurchschnittlicher Prozentsatz bei Gymnasiallehrern (10 statt 25%) ab. Diese Zahlen beruhen allerdings nur auf relativ groben Schätzungen.

[iv] Es ist allerdings anzunehmen, dass dabei keine Reduzierung der bisherigen Verdiensthöhe erwartet wurde.

[v] Dieser Befund ist vermutlich schulartspezifisch zu interpretieren

[vi] Dieser Befund ist z. T. vermutlich gender-spezifisch zu interpretieren.

[vii] Diese Befunde können auf Erfahrung oder Resignation zurückgeführt werden.

[viii] Dies kann heißen, dass die Belastungen in allen Altersgruppen auftreten oder dass es sich bei den Verarbeitungsformen um relativ stabile Persönlichkeitsmerkmale handelt.

[ix] Dieser Zusammenhang könnte als circulus vitiosus beschrieben werden: auf eine hohe externe Belastung wird mit verstärkter innerer Anstrengung reagiert, die schließlich in Resignation umschlägt.

[x] In der psychiatrischen Klassifikation lautet dieses Krankheitsbild ‚reaktive Depression’.

[xi] Faktor 1 und 2 entsprechen inhaltlich in etwa dem G-Typ in der Untersuchung von Schaarschmidt; Faktor 3 ist eine Mischung aus seinem S-Typ und Risikomuster B.