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Bauwagen-Siedlung muß Hochschulgelände räumen Baubeginn für Freifläche am Holländischen Platz
Kassel. Die Universität Gesamthochschule Kassel wird in der 42. Kalenderwoche mit dem Bauvorhaben Freifläche am Holländischen Platz "Nordstadtpark" auf dem Hochschulgelände nördlich der Moritzstraße beginnen. Die Bewohner der Bauwagensiedlung "K 18" sind am Morgen des 6. Oktober darüber informiert worden, daß sie das Gelände bis zum 19. Oktober geräumt haben müssen. Mit der Freifläche "Nordstadtpark" am Holländischen Platz wird eine seit 15 Jahren bestehenden Planungsauflage der Stadt Kassel erfüllt, zum Ausgleich für die dichte Bebauung des Hochschulgeländes zwischen Mönchebergstraße/ Kurt-Wolters-Straße/ Henschelstraße und Moritzstraße eine Ausgleichsfläche zu schaffen. Neben der Ausgleichsfunktion für das Hochschulquartier Holländischer Platz wird diese Grünfläche das erhebliche Defizit an nutzbaren Freiflächen in der Nordstadt kompensieren helfen und damit die Wohn-und Lebenssituation der Bewohner verbessern. Geplant sind in diesem nutzungsoffenen Konzept Flächen und Einrichtungen für den Hochschulsport (Volleyball, Basketball und Multifunktionsfläche), eine Betriebsfläche für den hochschuleigenen Gartenbau sowie Flächen für Veranstaltungen, für Forschung und Lehre (s. auch Bericht in GhK-Publik vom 15.7.97 - kann bei Bedarf bei der Pressestelle angefordert werden).
Aus für die Bauwagensiedlung
Derzeit wird ein Teil der unzunutzenden Fläche von der sogenannten Bauwagen-Siedlung "Wagenplatz K18" benutzt. Diese wilde Siedlung war von der Hochschule nie akzeptiert worden. Sie hatte aber bis zur anderweitigen Nutzung des Geländes auf eine Räumung verzichtet. Zum Baubeginn muß sie nun aufgelöst werden. Mit Schreiben vom 6. Oktober 1997 hat der Präsident der Universität den Bewohner der Bauwagen-Siedlung eine Frist von zwei Wochen eingeräumt, um die Hochschulfläche zu verlassen. Sollte diese Frist ungenutzt verstreichen, wird die GhK Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs stellen und dazu die Personalien der Bewohner feststellen lassen; gegebenenfalls wird die Kasseler Polizei sie dabei und bei der Räumung unterstützen. Nach den bisher vorliegenden Erfahrungen mit den Bewohnern der Bauwagensiedlung muß sich die Hochschule auf den Konfliktfall einrichten, hofft aber doch noch auf ein Einlenken, so Dietmar Schröder, Leiter der Bauabteilung der GhK. "Die Hochschule ist für Lehre und Forschung und nicht für die Bereitstellung von Wohnwagenplätzen da", betont Hochschulpräsident Prof. Dr. Hans Brinckmann. "Nun, da die Finanzierung des Nordstadtparks endlich steht, ist das Ende für die Bauwagen auf dem Gelände gekommen; im übrigen sind studentische Projekte eben nur für einen gewissen Zeitraum gedacht", unterstreicht Brinckmann die Position der GhK.
Zum Hintergrund
Auf Hochschulgelände befinden sich zwei Wagenplätze: K18, wie beschrieben, nördlich der Moritzstraße, nahe der alten Henschelhalle K18; es ging aus einem auf zwei Jahre befristeten Projekt im Fachbereich Sozialwesen 1989 hervor. Die zweite Bauwagensiedlung, Hotz’n ‘Plotz in der Mombachstraße, besteht seit etwa gleichlang. Auch Hotz’n ‘Plotz wird das Gelände räumen müssen, wenn die geplante Bebauung mit Wohnungen und einer hochschulnahen Kindertagesstätte finanziell abgesichert ist und der Baubeginn feststeht.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch nur der Wagenplatz K 18 betroffen: Die Räumung des Platzes ist zwingend, um die Gestaltung des Nordstadtgeländes umzusetzen. Auch der Ortsbeirat Nord-Holland hatte sich in seiner Sitzung vom 13. Februar 1997 mit dem Bauvorhaben der Hochschule und dem Anliegen der Wagenplatzsiedlungen auf ein Dauerbleiberecht auseinandergesetzt und unterstützt die GhK uneingeschränkt bei ihren Plänen. Auch teilt er die seinerzeit von den Vertretern der Wagensiedlungen geäußerte Ansicht nicht, die ihre Lebensform als Bereicherung der Nordstadt empfinden. "Diese Empfindung wird jedoch von keinem der übrigen Anwohner der Nordstadt geteilt," hält das Protokoll der oben genannten Ortsbeiratssitzung fest. Und weiter : "Der Ortsvorsteher (Werner Zimmer, d.R.) macht klar, daß der Ortsbeirat zwischen GhK und Bauwagenbewohnern vermitteln wollte. Er verdeutlicht auch nochmals, daß der Ortsbeirat immer die Meinung vertreten habe, daß wenn die Gelände für andere Zwecke benötigt werden, die Bauwagen die Plätze verlassen müssen. Er war auch etwas befremdet über die Tatsache, daß noch nicht versucht wurde, über alternative Standorte zu diskutieren bzw. diese zu suchen."
Der Konflikt mit den Bauwagen-Bewohnern reicht bereits sechs Jahre zurück. Im Herbst 1991, nach Ablauf des vom Fachbereich Sozialwesen betreuten Projektes, waren die Bewohner aufgefordert worden, bis April 1992 den Platz zu räumen. Nachdem sie diese großzügige Frist ungenutzt verstrichen ließen, hatte der Präsident der GhK, Brinckmann, in einem offenen Brief die namentlich unbekannten und sich einer Personenfeststellung entziehenden Bauwagenbewohner aufgefordert, den Hochschulplatz endgültig zu verlassen und die Räumung angekündigt (Offener Brief - kann ebenfalls angefordert werden). Es wurde anschließend versucht, die Personalien der Bewohner festzustellen, um zivilrechtliche Schritte einzuleiten. Dieser Feststellung entzogen sich die Bewohner, so daß beim Landgericht Kassel eine Räumungsklage gegen Unbekannt eingereicht wurde. Diese Klage wurde schließlich in zweiter Instanz vom Oberlandesgericht Frankfurt zurückgewiesen mit Hinweis auf die fehlende Bestimmtheit der betroffenen Personen, sprich ihrer Namen, um den Grunderfordernissen eines Rechtsstreits zu genügen. "Daß sich die Bewohner der Wagen arglistig verhalten mögen, ändert nichts an dem Erfordernis der bestimmten Parteibezeichnung", so der Beschluß der Oberlandesgerichts vom 27. Juli 1993.
Danach verhandelte die GhK mehrfach sowohl mit Vertretern der Bauwagensiedlung als auch mit der Interessenvertretung der Studentenschaft, dem Allgemeinen Studenten- Ausschuß (AStA), der sich für den Erhalt der Plätze einsetzte. Doch auch das Angebot der Hochschule, dem AStA befristet ein Gelände an der Gottschalkstraße zu überlassen, wurde nicht angenommen. Damit hätte die Studentenvertretung den Wagenplatz-Bewohnern in Abstimmung und zu Konditionen, die das Studentenparlament zu bestimmen hätte, ein Platzangebot machen können. In einem Schreiben vom Februar 1997 lehnte der AStA das Angebot wegen der damit verbundenen Kosten und sonstigen Risiken ab.
"Für die von den Wagenplatz-Bewohnern immer wieder betonte Wichtigkeit des selbstbestimmten Wohnens ist die Zeit der Bewährung gekommen, indem sie sich eigenverantwortlich auf ein von ihnen selbst gepachtetes Gelände bewegen, statt den Staat, den Steuerzahler und die Universität für ihre Daseinsformen weiterhin kostenlos in Anspruch zu nehmen", unterstrich Präsident Brinckmann im Rahmen einer Pressekonferenz am 6. Oktober, zu dem auch die Kanzlei Hammer und Korte, Kassel, eingeladen war, um die Interessen ihrer Mandantschaft in dem von diesen gegründeten Verein "Freies Wagenleben" zu vertreten.
Und: "Statt der auf unsere Mauern gesprühten Drohungen hätte die Hochschule eigentlich den Dank der Wagenplatzbewohner für den langen und kostengünstigen Aufenthalt auf Hochschulgelände verdient, der nun zu Ende geht."
Im Ergebnis begrüßte Prof. Brinckmann wie auch Ortsvorsteher Zimmer, daß es in Zeiten angespannter Haushalte gelungen ist, ein Bauvorhaben umzusetzen, das der weiteren Integration der Universität in die Nordstadt dient. p/uh
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