Universität Gesamthochschule KasselPressemitteilung 57/9701. Juli 1997 |
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Preis der Italienischen Handelskammer für Deutschland an Kasseler Kunstwissenschaftlerin:
Habilitation zu "Enrico Baj und die italienischen Avantgarden 1945 - 1964" Kassel. Mit dem Italienpreis, den die Italienische Handelskammer für Deutschland, Frankfurt, der Universität Gesamthochschule Kassel (GhK) 1995 gestiftet hat, wurde am 1. Juli Dr. Gabriele Huber ausgezeichnet. Der damit zum zweiten Mal verliehene und mit 3000 Mark dotierte Preis wird für Italien gewidmete Arbeiten herausragenden Niveaus gemeinsam von der Italienischen Handelskammer, der GhK und der IHK Kassel überreicht. Dr. Gabriele Huber erhielt die Auszeichnung für ihre Habilitationsschrift "Enrico Baj und die künstlerischen Avantgarden 1945-1964", mit der sie 1996 am Fachbereich Kunst der GhK habilitiert wurde. Gutachter waren Prof. Dr. Berthold Hinz, Fachgebiet Allgemeine Kunstgeschichte und Prof. Dr. Georg Bussmann, Fachgebiet Kunstwissenschaft im Fachbereich Kunst der Kasseler Universität sowie Prof. Dr. Werner Hofmann, Hamburg. Die Preisverleihung fand im Gießhaus der Kasseler Hochschule in Anwesenheit der Preisträgerin, des Präsidenten der GhK, Prof. Dr. Hans Brinckmann, des Präsidenten der Italienischen Handelskammer für Deutschland, Dr. Giovanni de Zotti und des Präsidenten der Industrie- und Handelskammer Kassel, Ludwig Georg Braun, des italienischen Botschafters der Republik Italien in Deutschland, Dr. Enzo Perlot, sowie des italienischen Künstlers Enrico Baj statt. Den Festvortrag hielt Prof. Dr. Gian Enrico Rusconi, Institut für Politik der Universität Turin, zum Thema Die politische Situation Italiens, die Laudatio Prof. Dr. Georg Bussmann. "Wir freuen uns, daß wir den Italien-Preis, als Preis für hervorragende wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dem zeitgenössischen Italien, zum zweiten Mal verleihen können", so Dr. Giovanni de Zotti, Präsident der Italienischen Handelskammer für Deutschland, während der Feierstunde. "Wir hoffen, daß auf diesem Wege möglichst viele junge Wissenschaftler und Studenten aus verschiedenen Fachbereichen angeregt werden, sich mit Italien zu beschäftigen". Enrico Baj, in Legnano bei Mailand lebender Künstler, ist die Person, um die herum Dr. Huber in ihrer Habilitationsschrift die künstlerischen Avantgarden Italiens im Zeitraum 1945 bis 1964 herausarbeitete. Es handelt sich dabei um den Versuch, die Geschichte der italienischen Kunst im genannten Zeitraum anhand des Werkes Enrico Bajs darzustellen, dessen "Generäle" und "Monster" nicht nur in Italien zu Berühmtheit gelangten, so Huber. "Meine Absicht war es nicht, eine mehr oder weniger strenge Stilgeschichte zu verfassen oder einen generellen Überblick über die verschiedenen Entwicklungen zu erstellen, sondern das Werk eines Künstlers als roten Faden zur Entschlüsselung der wichtigsten Ereignisse und Persönlichkeiten dieses Labyrinths zu nutzen. Hierfür schien mir Baj besonders geeignet, da er als betroffene Person in seinem Werk kontinuierlich kritisch bis polemisch, doch nie zynisch Stellung bezog (und bezieht) zu seinen Zeitgenossen, Freunden, Feinden, Ereignissen -und das immer mit einem nie endenden Humor. Seine Konzeption des befreienden Lachens teilt er übrigens mit Umberto Ecco und Dario Fo." Die Arbeit endet mit einem Exkurs zur "Piazza Fontana" (1969), einem traurigen Schlüsselereignis der italienischen Nachkriegsgeschichte, rechtsradikalen Bombenattentaten in Rom und Mailand bei dem 16 Personen starben. Einige Künstler - wie Pasolini und Baj - "verarbeiteten" die Ereignisse, indem sie Kunstwerke kreierten. "Auch die "bleierne Zeit" wird zu Kunst, oder sollte man nicht vielleicht umgekehrt formulieren: Auch politisches Engagement verzichtet nicht auf die poetica, Poesie und Massaker scheinen sich nicht auszuschließen", so Huber. Die Bearbeitungsform Hubers war es auch, die die Gutachter besonders begeisterte "Es dürfte sich um eine der ersten, wenn nicht sogar die erste "akademische" Arbeit (in Deutschland) zu einem noch lebenden Künstler handeln. Es ist erfreulicherweise herausgekommen eine gänzlich unakademische Arbeit! Bekannt- lich hat die Kunstgeschichte stets eine gehörige zeitliche Distanz zu ihren Forschungsobjekten gepflegt; das Feld der Gegenwartskunst hat sie zumeist der Kunstkritik überlassen...", so urteilte Gutachter Hinz. Dabei biete die Arbeit auf Grund ihrer sprachlichen intellektuellen Qualitäten einen seltenen Lese-Genuß. "Die Autorin hat ein Opus vorgelegt, das einen weitgehend unbekanntes Stück Nachkriegs-Moderne aufrollt, deren Themen, Probleme und Personen souverän und brilliant, manchmal amüsant diskutiert und das einen Maßstab im wissenschaftlichen Umgang mit der künstlerischen Avantgarde liefert.", so Hinz weiter. Dr. Gabriele Huber war von 1994 bis 1997 wissenschaftliche Mitarbeiterin von Prof. Hinz im Fachbereich Kunst der GhK. Sie schloß ihre Habilitationsschrift in dieser Zeit ab, nachdem sie zuvor ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft inne hatte, das ihr intensive Recherchen von Rom aus in verschiedenen Bibliotheken und Archiven (u. a. Biennale-Archiv in Venedig) ermöglichte. Als Festredner der Veranstaltung konnte Prof. Dr. Gian Enrico Rusconi gewonnen werden mit dem Vortrag "Die politische Situation Italiens." Rusconi, geb. 1938, ist ordentlicher Professor für Politikwissenschaften an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Turin und Direktor des Dipartimento di Studi Po- litici dieser Universität. Er ist ein herausragender Kenner der deutschen Zeitgeschichte, sowohl ihrer poli- tisch-institutionellen Dimension als auch der großen theoretischen Kontroversen und ideologischen Debatten, die er in Italien bekannt gemacht hat, angefangen von Studien zur Frankfurter Schule bis zur Analyse des sog. "Historikerstreits". p/uh |
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