Buchkunst 2
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Vitrine 7
Einführung
Modelle der Wissensorganisation im Übergang zur Frühen Neuzeit eröffnen die beiden ‚Hausbücher‘ [22] [23], das sind Sammelhandschriften, die berufs- oder standesbezogene Inhalte enthalten. Sie können aufgrund ihrer meist detailverliebten Illustrationen als einzigartige Bildquellen für das spätmittelalterliche Alltagsleben gelten.
Während sich das ‚Wolfegger Hausbuch‘ als eine Zusammenstellung praktischen Wissens aus unterschiedlichsten Gebieten darstellt, das für die Zwecke eines adeligen Haushalts geschaffen wurde, verweist das Nürnberger ‚Hausbuch der Zwölfbrüderstiftung‘ ganz in die Welt der städtischen Handwerker und Arbeitsleute. In ihm wurden über Jahrzehnte und von ganz unterschiedlichen Händen, die Bewohner der Häuser mit ihren Arbeitsgeräten porträtiert sowie oftmals auch Herstellungsverfahren und Handwerkserzeugnisse beschrieben.
Auch wenn ‚Chronik‘ [24] und ‚Turnierbuch‘ [25] auf den ersten Blick als eher sachgebundene Textgattungen erscheinen, da sie Ereignisse scheinbar nacherzählen, so dienen diese Werke im Wesentlichen doch anderen Zwecken. Als Instrumente der Selbstvergewisserung und Demonstration des eigenen politischen und gesellschaftlichen Ranges konstruieren sie Zusammenhänge und Kausalitäten und stilisieren den Ablauf tatsächlicher Ereignisse.
Objekte
Vitrine 7, Objekt 22
[22] Hausbuch der Mendelschen Zwölfbrüderhausstiftung
1426 – 1549
Nürnberg
Hermann, Harnischpolierer (1523) – fol. 138r (linke Seite)
Kuntz Peck, Nagelschmied (1525) – fol. 140v (rechte Seite)
Original: Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg,
Amb. 317.2°
– Druck: Verlag Bruckmann, München 1965
Vitrine 7, Objekt 23
[23] Hausbuch von Schloss Wolfegg
1470 – 1480
Mittelrheingebiet
Merkur und seine (Planeten)-Kinder – 16r (rechte Seite)
Original: Privatsammlung (Besitzer seit 2008 nicht bekannt)
– Faksimile: Prestel-Verlag, München 1997
– Digitalisat der Ausgabe von 1912 auf der Seite des Warburg Institute
Vitrine 7, Objekt 24
[24] Ungarische Bilderchronik (Chronicon Pictum)
um 1358
Königreich Ungarn
Einzug der Ungarn in Pannonien – fol. 11r (rechte Seite)
Original: Budapest, Országos Széchényi Könyvtár, Cod. lat. 404
– Faksimile: Verlag Werner Dausien, Hanau 1968
Vitrine 7, Objekt 25
[25] Turnierbuch für René d‘ Anjou
um 1446
Frankreich
René d’Anjou reitet zum Turnierplatz – fol. 24r (rechte Seite)
Original: St. Petersburg, Russische Nationalbibliothek, Fr. F. XIX, Nr. 4
– Faksimile: ADEVA, Graz 1998
Vitrine 8
Einführung
Die Zeit um 1500 war eine Phase großer politischer und kulturhistorischer Umbrüche am Übergang zwischen Mittelalter und früher Neuzeit. Stilgeschichtlich löste die Renaissance mit ihrer Wiederaufnahme antiker Gedankenwelt und Formsprache nun die Gotik ab.
Bereits an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert begann eine verstärkte Hinwendung der Laien zu Formen privater Andacht und Frömmigkeit. Es entwickelten sich neue Formen persönlicher Andachtsbücher. Die bisher vorherrschenden Psalterien wurden abgelöst durch den Buchtyp des ‚Stundenbuchs‘, mit Gebeten, Heiligenlitaneien und Andachten für das private Stundengebet.
Dieser Buchtyp, auch ‚Livre d‘heures‘ genannt, etablierte sich im Spätmittelalter als das Andachtsbuch schlechthin in den finanzkräftigen und lesekundigen Kreisen des Adels und der städtischen Oberschichten.
Zu besonderer Blüte und Verbreitung gelangten die ‚Livres d’heures‘ im 15. Jahrhundert vor allem im Umfeld des prachtliebenden burgundischen, später des burgundisch-habsburgischen Hofes, in Frankreich und Flandern sowie in der Île-de-France. – Beispiele hierfür sind die Stundenbücher der Maria von Burgund [30] und von König Heinrich IV. von Frankreich [26] aus dem späten 15. Jahrhundert.
Ganz im Stil der Renaissance präsentiert sich die Bibel des norditalienischen Markgrafen Borso d’Este [27]. Dieser beauftragte um die Mitte des 15. Jahrhunderts eine Gruppe hochrangiger Buchmaler mit der Herstellung dieser Prachthandschrift, deren Bildprogramm dem ritterlichen Turnier gewidmet ist.
Mehr Bildersammlung als Andachtsbuch ist das sogenannte ‚Gebetbuch Herzog Johann Albrechts‘ [28] aus dem 16. Jahrhundert, das buchkünstlerisch hochklassige Andachtsminiaturen von den besten Buchmalern der Zeit aus mehr als 60 Jahren vereint.
Das nachreformatorische ‚Glockendon-Gebetbuch‘ [29], entstanden 1534, markiert mit seinem prachtvollen Buchschmuck sowohl letzte Hochblüte als auch Ausklang des Typus des handschriftlichen Andachtsbuchs.
Objekte
Vitrine 8, Objekt 26
[26] Stundenbuch König Heinrichs IV. von Frankreich
um 1500
Frankreich
Ursünde (Adam und Eva) – 20v (linke Seite)
Verkündigung Mariens – 21r (rechte Seite)
Original: Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. Latin 1171
– Faksimile: M. Moleiro, Barcelona 2017
Vitrine 8, Objekt 27
[27] Bibel des Borso d’Este
1455 – 1461
Ferrara
Die Erschaffung der Welt – fol. 5v-6r (Doppelseite)
Original: Modena, Biblioteca Estense Universitaria,
Mss. Lat. 422 e Lat. 423
– Faksimile: Bestetti, Mailand 1937
Vitirne 8, Objekt 28
[28] Gebetbuch Johann Albrechts von Mecklenburg
1512 – 1569
Flandern
Apostel Petrus – fol. 17r (rechte Seite)
Original: Kassel, UB/LMB, 4° Ms. math. 50
– Faksimile: Wissen-Media-Verlag, Gütersloh 2006
Vitrine 8, Objekt 29
[29] Glockendon-Gebetbuch
1534
Nürnberg
Schöpfung des Menschen – fol. 5r (rechte Seite)
Original: Modena, Biblioteca Estense Universitaria, alfa.U.6.7 = Est. 136
– Faksimile: Faksimile-Verlag, Luzern 1998
Vitrine 8, Objekt 30
[30] Stundenbuch der Maria von Burgund
1470 – 1480
Gent oder Brügge
Stifterbild Margareta von York – fol. 94v (linke Seite)
Original: Wien, Österreichische Nationalbibliothek,
Cod. Vindob. 1857
– Faksimile: ADEVA, Graz 1993
Vitrine 9
Einführung
In den hier gezeigten Stundenbüchern begegnen wir den besten und berühmtesten Miniaturisten des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, deren Namen untrennbar verbunden sind mit den schönsten Produkten flämischer Buchmalerei des Spätmittelalters wie u.a. Simon Marmion (um 1425-1489), Gerard Horenbout (um 1465 - um 1541) und Simon Bening (um 1483-1561).
Obgleich Textrahmung und Schrift gleichartig wirken, da sie zumeist von der Hand nur eines geübten Miniaturisten bzw. Kalligraphen stammen, versammeln fast alle in Flandern entstandenen Stundenbücher die Malereien mehrerer Künstler, die allerdings nicht immer namentlich fassbar sind.
Dies gilt auch für das Anfang des 16. Jahrhunderts in Flandern entstandene ‚Rothschild-Gebetbuch‘ [31], an welchem u.a. Simon Bening mitarbeitete, dessen Marienkrönung jedoch sicher Gerard Horenbout zugewiesen werden kann. – Beide Künstler hatten auch Anteil am ‚Stundenbuch aus Brügge‘ [33]. Zudem werden Bening die Illustrationen des ‚Beatty Rosariums‘ [32] aus den 1540er Jahren zugeschrieben.
Ältere Vertreter flämischer und italienischer Buchmalerei sind das Ältere ‚Gebetbuch Karls V.‘ [35] sowie das ‚Stundenbuch der Sforza‘ [34], die an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert entstanden sind.
Mehr als einhundert Jahre früher entstanden die ‚Très belles heures du Nôtre Dame‘ [36], in der der sogenannte Paramentenmeister (er gestaltete einen berühmten Altarbehang) die Marienkrönung noch im gotischen Stil ins Bild gesetzt hat.
Mit dem ‚Farnese Stundenbuch‘ [37], das gegen Mitte des 16. Jahrhunderts von Giulio Clavio (1498-1578) im Stil der Spätrenaissance für den Kardinal Alessandro Farnese (1520-1589) geschaffen wurde, wird der Buchtyp des Stundenbuches in Teilen neu interpretiert. Bildsprache und Textauswahl haben hier nur noch wenig gemein mit den älteren Vertretern der Gattung.
Objekte
Vitrine 9, Objekt 31
[31] Rothschild Gebetbuch
1500 – 1520
Flandern
Krönung Mariens (Gerard Horenbout) – fol. 134v (linke Seite)
Original: Privatsammlung Australien (Kerry Stokes, Perth)
– Faksimile: ADEVA, Graz 1979
Vitrine 9, Objekt 32
[32] Stundenbuch der Sforza
um 1486/90 und um 1520
Mailand und Flandern
Christus wird ans Kreuz geschlagen – fol. 12v (linke Seite)
Original: London, British Library, Add. Ms. 34294
– Faksimile: Faksimile-Verlag, Luzern 1993
Vitrine 9, Objekt 33
[33] Stundenbuch aus Brügge
um 1500
Brügge
Flucht nach Ägypten – fol. 117v (linke Seite)
Original: (Rom) Vatikanstadt, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Vat. Ross. 94
– Faksimile: Belser-Verlag, Zürich, 1996
Vitrine 9, Objekt 34
[34] Beatty Rosarium
1540 – 1545
Brügge
Mariä Verkündigung – fol. 16r (rechte Seite)
Original: Dublin, Chester Beatty Library, MS Western 99
– Faksimile: Davaco Publishers, Doornspijk 1986
Vitrine 9, Objekt 35
[35] Gebetbuch Karls V. (Älteres Gebetbuch)
Flandern
1516 – 1519
Auferweckung des Lazarus – fol. 154r (rechte Seite)
Original: Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Vindob. 1859
– Faksimile: ADEVA, Graz 1976
Vitrine 9, Objekt 36
[36] Très belles heures du Nôtre Dame des Duc de Berry
um 1380, um 1404 – 1409 und um 1412
Paris
Krönung Mariens (Paramentenmeister) – fol. 76v (linke Seite)
Original: Paris, Bibliothèque Nationale, Nov. acq. lat. 3093
– Faksimile: Faksimile-Verlag, Luzern 1992
Vitrine 9, Objekt 37
[37] Farnese Stundenbuch
1537 – 1546
Rom
Fronleichnamsprozession – fol. 72v-73r (Doppelseite)
Original: New York, Morgan Library & Museum, Ms. M.69
– Faksimile: ADEVA, Graz 2021