Himmelskunde
Vitrine 18
Einführung
Das Frontispiz aus der Pariser ‚Bible moralisée‘ (um 1225) [68] zeigt Gott als den Schöpfer des Universums. Gott als Erbauer der Welt misst mit dem Zirkel den von ihm wohl proportionierten Kosmos und befindet ihn für gut. Die Darstellung aus diesem durchweg reich illuminierten gotischen Erbauungsbuch schlägt eine Brücke vom in erster Linie theologischen Verständnis der materiellen Welt hin zum Messbaren, zum naturwissenschaftlich Erforschbaren, zum geographisch Erfassbaren.
Der ‚Atlas Miller‘ [66] (1519) entstand im Auftrag des portugiesischen Königs Manuel I. (1469-1521) und zeigt auf der Weltkarte des Lopo Homem die von Allegorien der vier Winde umringte Erde. Sie verbindet mittelalterliche Vorstellungen von der Welt mit jenen der beginnenden Neuzeit. Der vermutete, aber unentdeckte Südkontinent bildet als TERRA INCOGNITA noch eine Landbrücke von Südamerika bis Ostasien und schließt den Atlantik gegen den Pazifik ab.
Sehr viel moderner präsentiert sich das ‚Boke of idrography‘ [67] des Jean Rotz, das 1542 in Frankreich entstand, aber dem englischen König Heinrich VIII. gewidmet ist. Diesem Werk liegen bereits die Erkenntnisse der Reise Ferdinand Magellans in den Jahren 1519-1522 zugrunde und wir sehen ein für frühneuzeitliche nautische Karten typisches Kartenbild mit Loxodromen (Linien mit konstantem Kurswinkel) und Windrosen.
Objekte
Vitrine 18, Objekt 66
[66] Atlas Miller
1519
Portugal
Portugiesische Hemisphäre – fol. 1r (Doppelseite)
Original: Paris, Bibliothèque national, GE D-26179 (RES)
– Faksimile: M. Moleiro, Barcelona 2004
Vitrine 18, Objekt 67
[67] Boke of idrography – Atlas Rotz
1542
Frankreich
Atlantik mit Westafrika und Brasilien – fol. 25v-26r (Doppelseite)
Original: London, British Library, Royal 20 E.IX
– Faksimile: The Roxburghe Club, Oxford 1981
Vitrine 18, Objekt 68
[68] Bible moralisée
Um 1225
Paris
Gott als Architekt des Universums – fol. Iv (linke Seite)
Original: Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Vind. 2554
– Faksimile: ADEVA, Graz 1992
Vitrine 19
Einführung
Der Gegensatz Naturwissenschaft und Pseudowissenschaft war der Vormoderne fremd. Im um das Jahr 1375 auf Mallorca entstandenen ‚katalanischen Weltatlas‘ [71] des jüdischen Kartographen Abraham Cresques findet sich neben für die Entstehungszeit fortschrittlichen Seekarten auch das hier ausgestellte Schema der Tierkreiszeichen und Mondphasen, in dem sich astronomische Wissenschaft und astrologische Deutungen vermengen.
Auch gute zwei Jahrhunderte später noch begegnet uns im ‚Atlas universalis‘ [69] des Diogo Homem (1521-1576) diese Verschmelzung von Empirie und Aberglauben. Zählen seine nautischen Karten auch zu den genauesten und fortschrittlichsten seiner Zeit, finden wir sie abermals verknüpft mit der vertrauten Darstellung der Tierkreiszeichen.
Ganz der empirischen Astronomie zuzurechnen ist schließlich der von Tycho Brahe (1546-1601) entwickelte ‚Mauerquadrant‘ [70]. Mauerquadranten ermöglichten vor der Erfindung des Teleskops die präzise Messung von Höhenwinkeln und der Position von Himmelskörpern entlang des Meridians. Tycho Brahe entwickelte auf Basis seiner Beobachtungen ein Kompromissmodell zwischen dem geozentrischen System des Ptolemäus und dem heliozentrischen System des Kopernikus, das als tychonisches Weltbild bekannt wurde.
Objekte
Vitrine 19, Objekt 69
[69] Diogo Homem: Atlas universalis
1561
Venedig
Tierkreiszeichen – fol. 15v-16r (Doppelseite)
Original: Madrid, Museo Naval, PM-2
– Faksimile: M. Moleiro, Barcelona 2002
Vitrine 19, Objekt 70
[70] Tycho Brahe: Astronomiae instauratae mechanica
Erstdruck 1596
Wandsbeck
Mauerquadrant – fol. 7v (linke Seite)
In Deutschland aktuell weniger als 10 Exemplare nachgewiesen; Gesamtauflage: 40 Drucke
– Faksimile: KLP Koniasch Latin Press, Prag 1996
– Digitalisat der Ausgabe 1598 der Lippischen Landesbibliothek
Vitrine 19, Objekt 71
[71] Mapamundi (Katalanischer Weltatlas)
1375
Mallorca
Großes astronomisch-astrologisches Rad – Blatt 2a und 2b (Doppelseite)
Original: Paris, Bibliothèque national, Esp. 30
– Faksimile: Graf, Dietikon-Zürich 1977
Vitrine 20
Einführung
Im Auftrag des Sforza-Hofes zu Mailand schuf Cristoforo de Predis (1440-1486) mit ‚De sphaera‘ [73] eines der prachtvollsten Lehrbücher der Himmelskunde. Einerseits reflektiert er den zeitgenössischen Stand der Wissenschaft, andererseits die Lehren der Astrologie zur Wirkung der Himmelskörper auf den Menschen.
Der etwa zeitgleich für eine Nürnberger Patrizierfamile angefertigte ‚Codex Schürstab‘ [75] thematisiert den Einfluss der Gestirne auf die Gesundheit. Dabei vereinen sich hier Astrologie und die aus der Antike tradierte und bis weit in die Frühe Neuzeit hinein einflussreiche Vier-Elemente-Lehre, welche alles Werden, Sein und Vergehen auf die sogenannten Wurzelkräfte Erde, Feuer, Wasser und Luft zurückführte.
Das nach 1491 entstandene ‚Heidelberger Schicksalsbuch‘ [74] ist dem Wirken der Sterne im Schicksal der Menschen gemäß der Lehre von den Tierkreiszeichen gewidmet. Die wissenschaftlich anmutenden Ausführungen und Tabellen reflektieren das Verständnis der Astrologie als seriöse Disziplin mit praxisbezogener Anwendung.
Neben den ständigen Begleitern der Erde im All, den Sternen und Planeten, faszinierten die Menschen auch die nur punktuell zu beobachtenden Himmelsphänomene wie Sonnen- und Mondfinsternisse, Kometen und andere sogenannte Himmelszeichen. Diesem Thema ist das ‚Augsburger Wunderzeichenbuch‘ [76] gewidmet.
Der ‚Portolan-Atlas‘ [72] des Battista Agnese (um 1500-1564) ist eigentlich für seine fortschrittlichen und präzisen nautischen Karten bekannt. Er enthält aber ebenso Szenen und Figuren aus der antiken Mythologie und verwebt die kartographische Wissenschaft mit der Astrologie.
Objekte
Vitrine 20, Objekt 72
[72] Portolan-Atlas des Battista Agnese (St. Petersburg)
1546
Venedig
Tierkreiszeichen – Tafel 4 (Doppelseite)
Original: St. Petersburg, Russische Nationalbibliothek
– Faksimile: ADEVA, Graz 1993
Vitrine 20, Objekt 73
[73] De sphaera
Um 1470
Italien
Luna – fol. 12r (rechte Seite)
Original: Modena, Biblioteca Estense, alfa.x.02.14 (= Lat.209)
– Faksimile: Faksimile-Verlag, Luzern 1995
Vitrine 20, Objekt 74
[74] Heidelberger Schicksalsbuch
Nach 1491
Regensburg
Sternzeichen Krebs und Löwe – fol. 51v-52r (Doppelseite)
Original: Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 832
– Faksimile: Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1981
Vitrine 20, Objekt 75
[75] Codex Schürstab
Um 1472
Nürnberg
Sol und Venus – fol. 28v-29r (Doppelseite)
Original: Zürich, Zentralbibliothek, Ms. C54
– Faksimile: Faksimile-Verlag, Luzern 1983
[76] Augsburger Wunderzeichenbuch
Um 1545 bis nach 1552
Augsburg
Komet im Jahr 1506 – fol. 92r (rechte Seite)
Original: Privatsammlung Mickey Cartin, New York
– Faksimile: Taschen-Verlag, Köln 2013