10.08.2015 | Pressemitteilung

Verschollene Original-Fassung des Romans „Sonnenfinsternis“ von Koestler gefunden

Ein Doktorand der Universität Kassel hat das verloren geglaubte Original-Manuskript eines bedeutenden Werks der deutschsprachigen Exil-Literatur entdeckt. Von dem Roman „Sonnenfinsternis“ von Arthur Koestler (1905 bis 1983) war bislang nur eine Rückübersetzung aus dem Englischen bekannt. Der Originaltext lässt neue Schlüsse auf die Entstehungsgeschichte des einstigen internationalen Bestsellers zu.

Bild: Uni Kassel
Matthias Weßel

Der Kasseler Germanist Matthias Weßel (32) entdeckte das Manuskript in der Zentralbibliothek Zürich im Zuge der Recherchen für seine Doktorarbeit. Dort werden Unterlagen des Europa-Verlags aufbewahrt, bei dem der österreichisch-ungarische Schriftsteller in den 30er-Jahren kurzzeitig veröffentlichte.

In „Sonnenfinsternis“ – seinem bekanntesten Werk – rechnet Koestler mit dem Kommunismus ab. Bislang war man davon ausgegangen, dass der Originaltext verloren ging, als er 1940 unter abenteuerlichen Umständen aus Frankreich vor den Nazis nach England flüchtete. Zuvor hatte Koestler eine englische Übersetzung anfertigen und in London veröffentlichen lassen. Unter dem Titel „Darkness at Noon“ wurde das Werk insbesondere im angelsächsischen Raum ein Bestseller. Erst 1946 erschien eine deutsche Fassung, die auf einer Rückübersetzung Koestlers beruht. Koestler wurde zu einem der erfolgreichsten, in der späten Lebensphase auch zu einem der umstrittensten englischsprachigen Schriftsteller seiner Zeit.

Das jetzt aufgetauchte Dokument ist ein maschinengeschriebener Text mit handschriftlichen Korrekturen und Einfügungen Koestlers. Es lagert im Archiv unter dem Titel „Rubaschow: Roman“ und ist mit März 1940 datiert. Rubaschow ist der Name des Protagonisten von „Sonnenfinsternis“. Wie das Dokument den Weg zum Verlag und damit in das Archiv fand, ist noch unklar.

„Interessant ist, dass etwa die Hälfte des vermeintlich rückübersetzten deutschen Texts deckungsgleich mit dem Originalmanuskript ist“, berichtet Weßel. „Erst in der zweiten Hälfte ist weicht der Text deutlich ab und beispielsweise verändern bestimmte Begriffe in der Übersetzung erst ins Englische und dann ins Deutsche ihren Sinn leicht. Das bedeutet, dass Koestler entgegen seiner eigenen Darstellung noch über einen Teil des Originaltextes verfügt haben muss.“

Laut Weßel hat der Originaltext einen „ästhetischen Mehrwehrt“, weil er aus einem Guss ist. Vor allem aber können Germanisten nun anhand des kompletten Textes seine Entstehungsgeschichte sowie die gestalterischen Ideen des Autors besser nachvollziehen und den Roman als Teil der deutschsprachigen Literatur würdigen. Prof. Dr. Peter Seibert, Doktorvater von Weßel und Professor im Ruhestand der Universität Kassel, nennt Sonnenfinsternis „in mehrfacher Hinsicht einen Schlüsseltext des Exils, um den es entsprechend Ringen um Deutung gegeben hat. Umso wichtiger, dass endlich die Ursprungsfassung gefunden wurde. Nachvollziehbar sind nun die Entstehungsstufen bis hin zur Edition beziehungsweise den Übersetzungen.“

 

Zentralbibliothek Zürich, Ms. Oprecht T 204.

Im Bestandskatalog des "Verlagsarchiv Oprecht/Europa-Verlag" ist der Text mit dem folgenden Eintrag verzeichnet: "Koestler, Arthur. Rubaschow : Roman. Typoskript, März 1940, 326 Seiten."

 

Foto von Matthias Weßel (Foto: Uni Kassel) unter http://www.uni-kassel.de/uni/fileadmin/datas/uni/presse/anhaenge/2015/Wessel2.jpg

 

Kontakt:

Matthias Weßel
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Sebastian Mense
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