02.05.2017 | Pressemitteilung

Kasseler Forschungsgruppe arbeitet an „Quanten-Geld“ und Quanten-Sensoren

Bezahlen mit Quantentechnologie – dafür wollen Physikerinnen und Physiker der Universitäten Kassel, Erlangen und Mainz die Grundlage legen. Das Forschungsteam entwickelt den Prototypen eines Zahlungsmittels, bei dem ein mit Quantenmechanik verschlüsselter Sicherheitscode in einen Diamanten eingeschrieben wird. Der Code wäre nicht zu knacken.

Bild: Uni Kassel
Schematische Darstellung des Diamanten-Chips mit den Farbzentren in verschiedenen Quan-tenzuständen.

Der Diamant soll als eine Art Scheck funktionieren, der beim Empfänger – beispielsweise bei einer Bank – einzulösen ist. Nur der Empfänger kann den Quanten-Sicherheitscode lesen, jeder andere würde ihn beim Lesen zerstören. Die Forscher wollen dabei Besonderheiten der Quantenmechanik nutzen, indem sie sogenannte Spin-Zustände im Diamanten bis zu 60 Sekunden lang in speziellen Überlagerungszuständen halten, in denen der Spin gleichzeitig nach oben und unten zeigen kann. Unter Spin versteht man in der Physik den Eigendrehimpuls von Teilchen, der sich ähnlich wie eine kleine Kompassnadel in Richtung eines Magnetfeldes ausrichtet – oder entgegengesetzt. Solche ambivalenten Spin-Zustände sind bislang nur für wenige Sekunden möglich. Theoretisch machbar könnten in der Zukunft bis zu 36 Stunden sein, dann wäre der Diamant als Scheck praxistauglich. Das System, das die Forschergruppe entwickeln will, kann dabei gleichzeitig als Sensor für Quanten-Informationen fungieren, der um ein Vielfaches sensibler ist als bislang eingesetzte Sensoren. Das Projekt wird von der Volkswagen-Stiftung mit rund 1,3 Mio. Euro unterstützt.

Das Team der Universitäten Kassel, Mainz und Erlangen-Nürnberg macht sich bei diesem Projekt Mechanismen der Quantenphysik zunutze, die im ersten Moment mit der Intuition schwer zu vereinbaren sind. Danach kann ein und dasselbe Teilchen zur selben Zeit seinen Spin in zwei unterschiedliche Richtungen ausgerichtet haben. Bei der Beobachtung wird dann der Spin auf eine der Ausrichtungen festgelegt, dann allerdings unwiderruflich. Schreibt man nun bestimmte Informationen – beispielsweise eine Ziffernfolge – mittels Quantenmechanik in eine Gruppe von Teilchen (erzeugt man also sogenannte Quantenbits), kann nur derjenige die Information auslesen, der den „Schlüssel“ besitzt, d.h. der weiß, wie genau der Überlagerungszustand ursprünglich angelegt ist. Jeder andere würde die Information zerstören.

Die Physikerinnen und Physiker wollen nun die Informationen in speziell hergestellten Nanodiamanten einschreiben, indem sie Stickstoff-Ionen einbringen und manipulieren. Dabei greifen sie auf eine von der Volkswagen-Stiftung geförderte Anlage zurück, die auf der Welt einzigartig ist und mit der sie einzelne Ionen in Materie mit einer Positionsgenauigkeit von 10 Nanometer einbringen können. Die bisher auf wenige Sekunden beschränke Lebensspanne der Quantenbits wollen die Forscher erhöhen, indem sie die Wechselwirkung der Spins mit der Umgebung stark reduzieren und extrem niedrige Temperaturen einsetzen von wenigen Kelvin.

„Wenn wir die Quantenbits bis zu 60 Sekunden aufrechterhalten können, wäre das ein großartiger Erfolg“, erklärte Prof. Dr. Kilian Singer, Leiter des Fachgebiets Licht-Materie-Wechselwirkung an der Universität Kassel und Koordinator des Projekts. „Auch dann wäre es zwar noch ein weiter Weg bis zur Praxistauglichkeit eines solchen Zahlungsmittels, andererseits hätten wir die Möglichkeiten der Quantenmechanik viel weiter ausgereizt, als dies bisher der Fall ist.“ Der Mechanismus könnte zudem später nicht nur für den Zahlungsverkehr, sondern beispielsweise auch für Zugangscodes oder ähnliche Anwendungen verwendet werden.

Das Forschungsprojekt ist bereits im Oktober 2016 gestartet und läuft bis zu sechs Jahre. Von den rund 1,3 Mio. Unterstützung der VW-Stiftung fließt rund 1 Mio. Euro an die Universität Kassel. Neben Prof. Singer sind vonseiten der Uni Kassel Prof. Dr. Christiane Koch, Dr. Cyril Popov und Prof. Dr. Johann-Peter Reithmaier beteiligt, außerdem Prof. Dr. Ferdinand Schmidt-Kaler von der Universität Mainz und Prof. Dr. Eric Lutz von der Universität Erlangen-Nürnberg.

 

Fotos 1: Schematische Darstellung der Einzel-Ionen-Implantations-Maschine, mit der die Stickstoff-Ionen in die Diamanten eingebracht werden. Grafik: Uni Kassel.
Download unter: http://www.uni-kassel.de/uni/fileadmin/datas/uni/presse/anhaenge/2016/Bild1.png
 

Foto 2: Schematische Darstellung des Diamanten-Chips mit den Farbzentren in verschiedenen Quantenzuständen. Grafik: Uni Kassel.
Download unter: http://www.uni-kassel.de/uni/fileadmin/datas/uni/presse/anhaenge/2016/Bild2.png

 

 

Kontakt:

Prof. Dr. Killian Singer
Universität Kassel
Fachgebiet Licht-Materie-Wechselwirkung
Tel.: +49 561 804-4235
E-Mail: ks@uni-kassel.de

 

Sebastian Mense
Universität Kassel
Kommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 561 804-1961
E-Mail: presse[at]uni-kassel[dot]de
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