27.04.2020

„Auch während Corona ist einiges möglich“ – Digitale Lehre in der Kunststofftechnik

@Corona-Virus

Am 20. April ist die Uni erstmals in ein digitales Sommersemester gestartet. Prof. Dr. Hans-Peter Heim, Leiter des Fachgebiets Kunststofftechnik erzählt, wie momentan an seinem Institut gearbeitet wird.

Bild: Uni Kassel.
Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Heim.

Herr Heim, an den deutschen Hochschulen findet seit dem 20. April ausschließlich digitale Lehre statt. Das ist für viele sicher keine leichte Aufgabe. Wie bereiten Sie am Fachgebiet Kunststofftechnik dieses außergewöhnliche Sommersemester vor?

In meinem Fall sind die Lehrveranstaltungen recht unterschiedlich – auf der einen Seite eine Vorlesung mit mehr als hundert Studierenden, auf der anderen kleinere Formate mit bis zu 15 Personen oder kleinere Praktika.

Die große Vorlesung war bisher immer eine klassische Frontalvorlesung. Ich gehe aber nicht davon aus, dass Programme wie Zoom oder die App des Deutschen Forschungsnetzes (DFN) bei großen Teilnehmerzahlen völlig reibungslos funktionieren. Daher haben wir die große Vorlesung auf drei Teile umgestellt: jedes Kapitel besteht aus einem Grundlagenteil mit geschriebenem oder gesprochenem Text und einem Vertiefungsteil, der auf Basis des ersten Teils im Selbststudium erarbeitet wird. Unterstützend wird es weitere Videos geben. Für diese Vorlesung werde ich Moodle und YouTube nutzen und möchte durch das Konzept den Studierenden eine sichere Ausgangsposition für die Prüfung geben.

Die kleineren Vorlesungen werden wir inhaltlich so anpassen, dass sie über DFN laufen können. Diese halte ich zu den üblichen Vorlesungsterminen und möchte den Studierenden die Möglichkeit geben, sich auch einzubringen über eine Audioverbindung. Am 20. April haben zwei solche Vorlesungen bereits stattgefunden und das Feedback der Studierenden war positiv. Für die Praktika an Maschinen und Prüfgeräten hoffen wir derzeit auf die Möglichkeit, diese gegen Ende des laufenden Semesters mit ganz kleinen Gruppen zu je 2 Personen durchführen zu können.

 

Sie haben sich offensichtlich einige Gedanken zu der Realisierung gemacht! Halten Sie momentan auch zu Studierenden Kontakt? Wenn ja, wie? Und wie läuft die Betreuung von Studierenden, die kurz vor dem Abschluss stehen?

Wir halten über Videokonferenzen Kontakt zu Studierenden während ihrer laufenden Abschlussarbeiten. Zwei Abschlusskolloquien über DFN hat es auch bereits gegeben. Die Studierenden haben über den Streamingdienst ihre Arbeiten präsentiert und Betreuer sowie weitere Mitarbeiter des Instituts haben teilgenommen, konnten Fragen stellen und am Ende die Note für das Kolloquium vergeben. Das lief sehr gut, wir haben daher auch schon weitere solche Kolloquien für die nächste Zeit geplant.

Bachelor- und Masterarbeiten in unserem Fachbereich sind meistens mit praktischen Arbeiten im Labor oder Technikum verbunden. Für Studierende, die den praktischen Teil bereits abgeschlossen haben, ist das jetzt natürlich kein Problem. Die anderen müssen entweder abwarten, bis der Zugang zum Technikum wieder möglich ist oder das Verhältnis zwischen praktischem und theoretischem Teil ändern. Wir finden hier aber immer individuelle Lösungen.

 

In den meisten Fällen also eine gelungene Umstellung. Gewiss gibt es aber auch Dinge, auf die Sie momentan verzichten müssen?

Natürlich ist eine Videokonferenz nicht das Gleiche wie ein persönliches Gespräch oder eine Diskussion in der Gruppe. Sie funktioniert aber gut und ist weitestgehend unproblematisch. Was uns härter trifft, ist die sehr starke Reduzierung der Arbeiten im Technikum und im Labor. Die Mitarbeiter des Instituts konzentrieren sich also verstärkt auf Arbeiten, die im Home Office machbar sind, das heißt Publikationen verfassen, Forschungsanträge formulieren, an der Dissertation arbeiten oder Literatur recherchieren. In Einzelfällen können aber auch besonders wichtige Versuchsreihen mit entsprechenden Schutzmaßnahmen durchgeführt werden.

 

Gibt es für Sie persönlich aus der jetzigen Situation etwas Lehrreiches, das Sie in die Zukunft mitnehmen?

Definitiv: die Mitarbeiter des Instituts haben sehr flexibel und verantwortungsvoll auf die Situation reagiert und so konnten wir alle im aktuellen Home Office gut einbinden – auch die, die eigentlich eher praktische Arbeiten durchführen, wie zum Beispiel technische Mitarbeiter oder studentische Hilfskräfte. Gerade gegenüber der letzten Gruppe haben wir eine besondere Verantwortung. Umso schöner ist es, dass die aktuelle Situation unter Corona uns gezeigt hat, dass hier einiges möglich ist.

Videokonferenzen können zwar nicht ganz, aber in vielen Fällen echte Treffen gut ersetzen. Das ist für zukünftige Dienstreiseplanungen besonders interessant. Ich denke, dass nicht nur bei uns an der Uni viele Fahrten mit dem Auto oder der Bahn ersetzt werden könnten. Dadurch könnte man durch weniger Verkehrsbelastung dauerhaft Emissionen und Energieverbrauch reduzieren. Ich hoffe, davon bleibt auch nach Corona etwas übrig.

 

 

Interview: Kristina Weissbecker.