18.06.2020 | Porträts und Geschichten

„Der Klimawandel ist zu einem Geschäftsrisiko geworden“

Warum sich nachhaltige Geldanlage lohnt und die Welt besser machen kann

Bild: Andreas Fischer

Prof. Dr. Christian Klein leitet das Fachgebiet Unternehmensfinanzierung und ist einer der führenden deutschen Experten für Nachhaltige Finanzwirtschaft. Klein ist Mitglied im Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung und in der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance. In seinen Lehrveranstaltungen spielt das Thema eine große Rolle; seit dem Wintersemester arbeitet er dabei unter anderem mit der Evangelischen Bank in Kassel zusammen.

Herr Klein, wenn ich 1000 Euro mit einem guten Gewissen anlegen möchte, wozu raten Sie mir?

Kommt darauf an, was sie wollen. Eine Menge Fonds werben mit Nachhaltigkeit; informieren Sie sich, was genau drin ist. Wenn Ihnen das zu viel Arbeit ist: Es gibt inzwischen recht gute Siegel, etwa des Forums Nachhaltige Geldanlagen FNG. Spannend ist, dass einige Banken inzwischen garantieren, dass sie auch mit dem Geld auf Ihrem Sparbuch oder Festgeldkonto etwas Anständiges anfangen.

In das Thema Geldanlage kommt gerade richtig Bewegung. Die EU-Kommission hat mit der Ausformulierung dessen begonnen, was nachhaltig heißt. Das mündet in eine riesige Positivliste. Zukünftig wird auf einem Fonds draufstehen, er ist zu 73 Prozent oder zu 82 Prozent nachhaltig. Das finde ich gut. Ich rechne übrigens damit, dass die Staaten bald auch bestimmte Förderungen von Unternehmen von denselben Kriterien abhängig machen.

Lohnt sich nachhaltiges Investieren finanziell? Oder muss ich das als eine Art Spende betrachten?

Wir haben das in einer breit angelegten Studie untersucht. Ergebnis: Nachhaltige Fonds haben in den zurückliegenden Jahren mindestens so gut performt wie andere. Einige besser. Das liegt nach meiner Einschätzung daran, dass bestimmte Risikofaktoren ausgeschlossen sind. Ein Unternehmen, das sozial nachhaltig geführt wird, wird höchstwahrscheinlich nicht in einen existenzgefährdenden Skandal um Kinderarbeit verwickelt sein.

Selbst der größte Vermögensverwalter der Welt Blackrock will jetzt Nachhaltigkeit zu einem wesentlichen Anlage-Kriterium machen….

Der Klimawandel ist zu einem Geschäftsrisiko geworden. Nehmen Sie die Ölkonzerne: Die Hälfte der bekannten Ölreserven steht bei denen bereits als Wert in den Bilanzen. Nach den Pariser Klimabeschlüssen dürfen wir aber nur noch maximal ein Viertel aller Reserven verbrauchen. Wenn die Welt damit Ernst macht, müssen diese Unternehmen das andere Viertel abschreiben.

Der Kapitalismus internalisiert also die Rettung der Welt?

Wenn man ihm die richtigen Rahmenbedingungen setzt. Und sie auch durchsetzt.

Sie klingen optimistisch, dass das gelingt...

Ja, ich bin Optimist. Wir dürfen nicht erwarten, dass Banken und Unternehmen von alleine darauf kommen, die Welt zu retten. Aber mit der richtigen Regulierung kann das funktionieren. Seit ein paar Jahren tut sich unheimlich viel. Ich merke es in meiner täglichen Arbeit: Wir bekommen ständig Kooperations-Anfragen, von Ministerien, von Banken, selbst von Wirtschaftsprüfungsagenturen, die sich von uns beraten lassen wollen.

Wir können die Herausforderungen auch nicht ohne die Finanzmärkte bewältigen. Nach Schätzungen werden Klimawandel und Klimaanpassung in Europa jedes Jahr 180 Mrd. bis 260 Mrd. Euro kosten. Das können Sie nicht alleine über Steuern finanzieren.

Sie sind einer der wenigen Wirtschaftswissenschaftler in Deutschland, die sich schon länger mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen. Hat Ihre Zunft geschlafen?

Viele meiner Finance-Kollegen an anderen Universitäten haben das Thema lange nicht ernst genommen. Ich bin auch deswegen gerne an der Uni Kassel, weil es hier viele gibt, die das Thema schon lange mitbedenken.

Und die Banken? Die haben auch geschlafen?

Es gibt lobenswerte Ausnahmen, etwa einige Sparkassen. Aber ein großer Teil der Bankenvorstände dachte, sie könnten das Thema aussitzen. Original-Zitat eines Vorstandes: Wir haben schon viel kommen und gehen sehen.

Interview: Sebastian Mense