24.02.2021 | Campus-Meldung

Expertenkommission: Digitalisierung fordert Aus- und Weiterbildung heraus

Das neue Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) wurde der Bundeskanzlerin angesichts der Pandemie in Berlin virtuell übergeben – Mitglied der Expertenkommission ist auch der Kasseler Wirtschaftsprofessor Prof. Dr. Holger Bonin.

Bild: David Ausserhofer.
Prof. Dr. Holger Bonin (erster v. r.) ist Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation.

Das Gutachten behandelt in einem Schwerpunkt, welche Herausforderungen für die berufliche Aus- und Weiterbildung in Deutschland sich aus der fortschreitenden Digitalisierung in der Wirtschaft und an den Arbeitsplätzen ergeben. Prof. Holger Bonin, Professor für Volkswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik an der Universität Kassel und Forschungsdirektor am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn, fasst darin die Beschäftigungsfolgen des Übergangs zur digitalen Arbeitswelt zusammen.

„Die Arbeit wird uns auf absehbare Zeit nicht ausgehen. Im Transformationsprozess fallen aber viele etablierte Arbeitsplätze weg, während in anderen Teilen der Wirtschaft neue entstehen. Da die neuen Jobs ganz andere Fähigkeiten verlangen als die bisherigen, entsteht ein großer Bedarf an Weiterbildung. Gleichzeitig geht der Trend hin zu weniger Routinearbeit. Damit steigen die Anforderungen an die berufliche Handlungskompetenz.“

Zunehmend gebraucht würden deshalb nicht nur für die Gestaltung von transformativen Technologien notwendige technologische und digitale Fähigkeiten, betont Prof. Till Requate von der Universität Kiel, „sondern verstärkt auch sogenannte klassische Kernfähigkeiten: Problemlösungsfähigkeit, Kreativität, Eigeninitiative, Anpassungsfähigkeit und Durchhaltevermögen“.

Entwicklung von Kernfähigkeiten entscheidend für Arbeitswelt

„Nach Einschätzung der EFI ist die Entwicklung dieser Kernfähigkeiten nicht nur entscheidend, um die individuellen Beschäftigungs- und Karrierechancen in der digitalisierten Arbeitswelt zu sichern“, so Requate. „Nur wenn diese Kernfähigkeiten in der Erwerbsbevölkerung ausreichend verfügbar sind, können sich die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenziale der neuen Technologien voll entfalten und die Digitalisierung zügig in alle Teile der Wirtschaft vordringen. Dies dient ja gerade auch der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.“

Deswegen ist es der EFI so wichtig, dass das System der beruflichen Aus- und Weiterbildung in Deutschland mit den Veränderungen von Wirtschaft und Arbeitswelt durch die Digitalisierung Schritt hält. „Hierfür müssen Inhalte und Strukturen der beruflichen Aus- und Weiterbildung weiterentwickelt und so gestaltet werden, dass die Kernfähigkeiten für die digitalisierte Arbeitswelt bedarfsgerecht vermittelt werden“, so Arbeitsmarkexperte Bonin. Dabei komme den Unternehmen und den im Erwerbsleben stehenden Menschen eine tragende Rolle zu. Jedoch brauche es unbedingt auch von öffentlichen Stellen ausgehende Impulse, um die Anpassungsbereitschaft und die Rahmenbedingungen dafür zu stärken.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt die EFI eine Reihe von Maßnahmen:

  • Ausbildungsgestaltung an die Digitalisierung anpassen
  • Berufsausbildungspersonal und Berufsschulen fit für die Digitalisierung machen
  • Berufliche Anpassungsfähigkeit durch flexible Zusatzqualifikationen stärken
  • Berufliche Mobilität durch präventive Anpassungsweiterbildung steigern
  • Monitoring von beruflichen Fähigkeiten ausbauen
  • Strukturen zur Orientierung über berufsbezogene Weiterbildung verbessern

Bonin schließt für das Team der EFI mit einem Appell an Politik und Wirtschaft: „Wir müssen es schaffen, unser Aus- und Weiterbildungssystem schnell und agil auf die Anforderungen der Digitalisierung auszurichten. Die Fachkräftebasis ist ein zentraler Faktor, damit die deutsche Volkswirtschaft schneller und stärker aus der digitalen Transformation hervorgeht. Die Gewinner sind dann auch die Erwerbstätigen. Denn Qualifizierung bedeutet auch in Zukunft bessere Arbeit und höhere Einkommen.“

Erwartungen an die nächste Bundesregierung

Die EFI geht neben der Digitalisierung in der Aus- und Weiterbildung auch auf Erwartungen an die Forschungs- und Innovationspolitik nach der Bundestagswahl im September von der künftigen Bundesregierung ein.

Die EFI sieht zwar die Überwindung der Corona-Krise als eine aktuelle, zentrale Aufgabe der neuen Bundesregierung an, sie will aber zugleich gewährleistet sehen, dass „der F&I-Politik weiterhin ein hoher Stellenwert zukommt“. Die neue Bundesregierung benötige einen kohärenten Politikansatz, der den gesamten Innovationsprozess – von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung – in den Blick nimmt und dem sich alle Ministerien verpflichtet fühlen.

Hintergrund

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit Sitz in Berlin leistet seit 2008 wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung und legt jährlich ein Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Wesentliche Aufgabe der EFI ist es dabei, die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im internationalen und zeitlichen Vergleich zu analysieren und die Perspektiven des Forschungs- und Innovationsstandorts Deutschland zu bewerten. Auf dieser Basis entwickelt die EFI Vorschläge für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik.

Kontakt:

Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI)

Dr. Petra Meurer
Stv. Leiterin der Geschäftsstelle
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