22.04.2021 | Porträts und Geschichten

Ein Sack Kompost als Geschenk

Einen so berühmten Gast empfing die Uni Kassel in ihrer 50-jährigen Geschichte nicht häufig: 1997 kam Prince Charles, um zu lernen

Bild: Harry Soremski.

Von Kathrin Meckbach

„Ökologische Landwirtschaft und nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln liegen Charles schon seit langer Zeit am Herzen. Er hat sich schon dafür engagiert, als Bioprodukte längst nicht so etabliert waren wie heute. Sein Interesse in diesem Bereich ist in Deutschland aber trotzdem kaum bekannt“, berichtet Professor Hartmut „Hardy“ Vogtmann.Vogtmann gilt als Wegbereiter für die wissenschaftliche For-schung über ökologische Landwirtschaft an Hochschulen und leitete bis 1994 das bundesweit erste Fachgebiet für „Methoden des alternativen Landbaus“ an der Gesamthochschule Kassel am Standort Witzenhausen.

Die Ideen drangen auch bis nach England vor und fanden bei Charles Beachtung. Vogtmann wurde zu seinem Berater und überzeugte ihn, seine Duchy Home Farm, die zu seinem Landsitz „Highgrove“ gehört, auf Ökolandbau umzustellen. Aus dem gemeinsamen Interesse und der intensiven Zusammenarbeit entwickelte sich eine Freundschaft, die sie bis heute verbindet. „Ich habe Charles als einen sehr humorvollen und vielseitig interessierten Men-schen kennengerlernt!“ sagt Hardy Vogtmann. „Gerade in Bezug auf Umweltschutz scheut er sich nicht, auch kritische Worte zu äußern, obwohl er sich als Mitglied des englischen Königshauses politisch zurückhalten muss.“

Vogtmann hatte dann auch die Idee für einen Besuch in Hessen. Aus dem informellen Anlass wurde letztlich ein offizieller Staatsbesuch. Nach langer Planung landete der Prince of Wales im Mai 1997 mit einem Helikopter vor dem Schloss Wilhelmshöhe. Nach einem Gruß an die jubelnde Menge ging es per Limousine mit Panzerglas weiter. Die Sicherheitsmaßnahmen waren immens, sogar Kanaldeckel hatte man zugeschweißt. Zunächst informierte sich Charles in den Bioläden „Schmanddibben“ und „Alnatura“ über Verkaufskonzepte und probierte auch das ein oder andere Produkt. Auf Gut Kragenhof bei Staufenberg warteten dann eine ausgedehnte Führung über die Ländereien und ein schmackhaftes Mittagessen aus Hof-Produkten auf Seine Königliche Hoheit und die zahlreichen Begleiterinnen und Begleiter.

Ulrike Möller-Merz, die das Gut mit ihrer Familie seit 1983 nach den Prinzipien des Ökolandbaus bewirtschaftet, erzählt: „Charles erkundigte sich ausführlich nach vielen Einzelheiten unseres Betriebes. Insbesondere unsere Direktvermarktung interessierte ihn.“ Die ungezwungene Atmosphäre ist ihr in guter Erinnerung geblieben: „Es war eine sehr herzliche Begegnung. Charles ist ein offener, freundlicher Mensch und sein britischer Humor ist schon etwas Besonderes.“ Der Nachmittag gehörte dann ganz Witzenhausen, wo Hardy Vogtmann zunächst eine Führung über die Kompostierungsanlage anbot. Diese Anlage war 1983 im Rahmen einer Public Private Partnership in Zusammenarbeit von GhK und der Firma Fehr entstanden. „Als Geschenk überreichten wir Charles einen Sack Kompost, was für große Erheiterung sorgte“, erinnert sich Hardy Vogtmann.

Doch nicht nur deswegen hat der Prince of Wales die Führung in Erinnerung behalten, auch das Konzept der Anlage überzeugte ihn. Auf seine Vermittlung erhielt die Ingenieurgemeinschaft Witzenhausen den Auftrag, auch in England mehrere Anlagen zu bauen. Zum Abschluss des Besuches lud Hardy Vogtmann in sein Öko-Haus in Witzenhausen ein. Angelika Ploeger, Hardy Vogtmanns Ehefrau und später ebenfalls Professorin an der Uni Kassel, berichtet von den umfangreichen Vorbereitungen: „Vorher kam eine Polizeistaffel mit Hunden, um nach Bomben zu suchen. Ich habe zu meinem Mann gesagt: Nochmal laden wir Prince Charles nicht ein!“

Nach einer Erfrischung mit Obstsäften (natürlich aus regionalem ökologischen Anbau) gab es eine Führung durch das Haus, bei der sich der Gast insbesondere die Funktionsweise der Komposttoilette genau erklären ließ. Mit vielen Informationen und bleibenden Eindrücken verließ der Kronprinz am Abend Nordhessen. Als Dank für die Gast-freundschaft lud er alle Beteiligten später zu einem Gegenbesuch nach England auf sein Gut „Highgrove“ ein.

Dieser Text erschien in der Ausgabe 1/2021 des Uni-Magazins publik. Die digitale Ausgabe finden Sie hier: https://www.uni-kassel.de/uni/aktuelles/presse-und-oeffentlichkeit

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