21.07.2021 | Pressemitteilung

Wer in der Staffel schneller schwimmt – und wer nicht

Schwimmerinnen und Schwimmer sind in der Staffel schneller als in Einzelrennen – so viel ist bekannt und das wird sich auch in vielen Olympia-Wettkämpfen in Tokio wieder zeigen. Doch wie ein Forschungsteam der Universität Kassel nun herausgefunden hat, schwankt die Leistungssteigerung je nach Position in der Staffel, Geschlecht und Siegchance. Daraus lassen sich auch wissenschaftliche Empfehlungen für die Startreihenfolge in Staffelwettkämpfen ableiten.

Bild: Dr. Sebastian Fischer.
Staffelwechsel im Schwimmwettkampf.

Die Studie des Instituts für Sport und Sportwissenschaft der Uni Kassel untersuchte Leistungen von Schwimmerinnen und Schwimmern in 4x100 Meter Freistilrennen der Olympischen Spiele und Weltmeisterschaften der letzten 20 Jahre im Vergleich zu den jeweiligen Einzelleistungen auf 100m derselben Schwimmart. „Unsere Ergebnisse bestätigen bisherige Forschungsergebnisse, dass Schwimmerinnen und Schwimmer ihre Leistung für das Staffelteam als unentbehrlich empfinden und sie das zu größeren Anstrengungen anspornt“, sagt Studienleiterin Dr. Claudia Braun vom Fachgebiet Training und Bewegung (Leitung Prof. Dr. Armin Kibele).

Doch die Kasseler Sportwissenschaftler können diesen Effekt mithilfe ihrer statistischen Analyse genauer bestimmen: Die Schwimmerinnen und Schwimmer auf Position zwei bis vier waren demnach alle im Mittel etwa 0,26 Sekunden schneller als in ihren Einzelwettkämpfen. Männer konnten ihre Leistung um 0,6 Prozentpunkte und Frauen um 0,4 Prozentpunkte steigern. Dieser Leistungszuwachs wurde in etwa gleichen Teilen sowohl auf dem ersten Streckenabschnitt (0-50m) als auch auf dem zweiten Streckenabschnitt (50-100m) erzielt. Dieses Ergebnis unterstreicht die Annahme, dass die schnelleren Schwimmzeiten tatsächlich auch auf eine gesteigerte Anstrengung zurückzuführen sind und nicht – wie andere Wissenschaftler vermuten – einen bloßen Staffelstart-Benefit darstellen.

Auf Startposition eins hingegen blieb die Leistung gleich. Die Sportwissenschaftler vermuten zwei mögliche Erklärungen: Entweder war die soziale Unentbehrlichkeit auf Position eins niedriger als auf den anderen Positionen, weil Teamkolleginnen und -kollegen auf nachfolgenden Positionen eine mögliche schwächere Leistung eher ausgleichen können. Oder aber unterschiedliche Starttechniken von Position eins und zwei bis vier waren die Ursache. Die Vermutung, dass der letzte Athlet oder die letzte Athletin die höchste soziale Unentbehrlichkeit empfindet und sich am meisten anstrengt, lässt sich durch die vorliegenden Daten nicht statistisch signifikant bestätigen. Außerdem waren die Leistungszugewinne der Schwimmerinnen und Schwimmer abhängig vom aktuellen Ranking des eigenen Teams im laufenden Wettkampf. Sie waren besonders groß, wenn die Staffel beim Wechsel eine hohe Chance auf eine Medaille hatte. Das trifft besonders auf weibliche Schwimmerinnen zu.

„Da unsere Ergebnisse Hinweise liefern, dass Männer und Frauen unterschiedlich auf soziale Einflüsse im Staffelschwimmen reagieren, können wir sogar Empfehlungen bezüglich der Startreihenfolge in Wettkämpfen geben“, schlussfolgert Dr. Braun. Es könnte besonders für Frauen-Staffeln von Vorteil sein, wenn leistungsstarke Schwimmerinnen auf Position eins oder zwei starten. Die folglich gute Ausgangslage für eine Medaille könnte die hinteren Starterinnen noch stärker motivieren und zu größeren Leistungen anspornen. In Männer-Staffeln hingegen empfiehlt sich die gegenteilige Reihenfolge: „Es wäre verschenktes Potential, den stärksten männlichen Schwimmer vorne starten zu lassen. Denn auf Position eins zeigten die Schwimmer keinen Leistungszuwachs im Vergleich zur Einzelleistung, während sie auf allen anderen Positionen Leistungszugewinne in vergleichbarer Größe und weitestgehend unabhängig vom aktuellen Renngeschehen erzielten“, erklärt Dr. Braun.

 

 

Kontakt:

Dr. Claudia Braun
Universität Kassel
Institut für Sport und Sportwissenschaft
Telefon +49 561 804-5235
E-Mail cbraun[at]uni-kassel[dot]de 

 

Pressekontakt:

Sebastian Mense
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