26.10.2021 | Campus-Meldung

Studie zu Auswirkungen von Glyphosat auf Mikrobiome

Kurz vor der Entscheidung der EU über die Zulassungsverlängerung von Glyphosat hat eine Übersichtsstudie die Auswirkungen auf Mikrobiome untersucht. Die Autoren plädiern dafür, vor einer Entscheidung einige wichtige Faktoren in Betracht zu ziehen. Beteiligt war auch Prof. Dr. Maria Finckh von der Universität Kassel.

Bild: Natalia Riemer.
Prof. Dr. Maria Finckh.

Die Soil Physics and Land Management Group (SLM) der Wageningen University (Prof. Coen Ritsema und Prof. Violette Geissen) hat zusammen mit dem Emerging Pathogens Institute der University of Florida (Prof. Ariena van Bruggen), dem Fachgebiet Ökologischer Pflanzenschutz der Universität Kassel (Prof. Maria Finckh) und dem Department of Life and Environment Science der Hangzhou Normal University in Zhejiang (Prof. Miaomiao He) einen bemerkenswerten Übersichtsartikel veröffentlicht. Dieser Artikel zu den Auswirkungen von Glyphosat, dem Wirkstoff von Roundup, auf mikrobielle Gemeinschaften und die Gesundheit von Pflanzen, Tieren und Menschen kommt gerade rechtzeitig: In diesem Jahr wird die Europäische Kommission (EC) über die mögliche Verlängerung der Zulassung von Glyphosat als Herbizid in der EU entscheiden.

2017 wurde Glyphosat erneut für fünf Jahre in der EU zugelassen, weil die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die EU diese Substanz als sicher für Mensch und Tier beurteilten. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellte jedoch im Jahr 2015 fest, dass es genügend Nachweise dafür gibt, dass Glyphosat bei Versuchstieren Krebs und beim Menschen wahrscheinlich Krebs verursacht. Seit dieser Zeit wurden viele wissenschaftliche Untersuchungen zu den Auswirkungen von Glyphosat auf die Gesundheit von Tieren und indirekt auch des Menschen durchgeführt. Das Unternehmen, das Glyphosat- und Roundup-resistente Pflanzen entwickelt hat (Monsanto, jetzt im Besitz von Bayer Crop Science) hat in den USA eine Reihe von Klagen gegen Menschen verloren, die nach langfristiger starker Glyphosat Exposition am Non-Hodgkin- Lymphom (Krebs des Lymphsystems) erkrankten.

In der aktuellen Arbeit von van Bruggen et al. geht es jedoch nicht um die direkten Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit Glyphosat, sondern um die möglichen indirekten Probleme über das „Mikrobiom“. Der Boden, Pflanzenwurzeln und Räume zwischen Pflanzenzellen, die Oberflächen und inneren Hohlräume von Tieren und Menschen (wie der Darm) haben alle charakteristische „Mikrobiome“. Diese bestehen aus Bakterien, Pilzen und allen Arten von mikroskopisch kleinen Tieren. Die Zusammensetzung dieser Mikroorganismen hat sich im Laufe der Jahrhunderte evolutionär entwickelt, um eine optimale Zusammenarbeit zwischen dem „Mikrobiom“ und dem Wirt (Makroorganismen) zu erreichen. Diese spezialisierten „Mikrobiome“ bestimmen weitgehend die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und die normale Entwicklung der Makroorganismen. Das letztendliche Mikrobiom eines jeden Makroorganismus (z.B. Mensch) hängt natürlich auch von der Ernährung, dem Drogenkonsum und der Exposition gegenüber Schadstoffen ab.

Um Beikräuter zu bekämpfen werden pro m2 ungefähr 0,11 g Wirkstoff ausgebracht (1080 g/ha). Dies genügt um nicht resistente Pflanzen zu töten. Die Ausbringkonzentration in Flüssigkeit ist (bei 200 l/ha) 5,4 mg/ml, die sich beim Eintrocknen auf dem Blatt schnell erhöht. Nun ist es so, dass Glyphosat nicht nur für Pflanzen (mit Ausnahme der gentechnisch veränderten Roundup-resistenten Pflanzen) tödlich ist, sondern auch für viele Mikroorganismen, so dass die natürliche Zusammensetzung des Mikrobioms durch Exposition gegenüber Konzentrationen von ca. 0,5-50 mg/ml Glyphosat sich verändert, den Konzentrationen, die auf die Blattoberflächen ausgebracht werden.

Der aktuelle Artikel gibt einen Überblick über die Rückstände in Boden, Wasser und allen Arten von Lebensmitteln für Tier und Mensch. Die gemessenen Rückstände werden mit den maximal zulässigen Rückständen verglichen; letztere Werte werden regelmäßig erhöht, da die gemessenen Konzentrationen aufgrund der Anreicherung von Glyphosat in der Umwelt nicht mehr den Standards entsprechen können. Besonders hoch sind die Konzentrationen in Futtermitteln (bis zu 0,530 mg/g im Gras). Glyphosat wird nach teilweiser Aufnahme durch den Darm und Kreislauf durch das Blut zwar größtenteils mit dem Stuhl und dem Urin ausgeschieden. Glyphosat reichert sich aber auch in Knochen, Leber und Nieren an und verbleibt im Darm (getestet an Ratten). Menschen kommen durch gemahlene Nebenprodukte von geschlachteten Tieren damit in Kontakt, aber auch durch Pflanzenprodukte, die mit Glyphosat besprüht wurden. Bis vor kurzem erschienen die Auswirkungen relativ geringer Rückstandskonzentrationen auf Mikrobiome im Boden, auf und in Pflanzen und in Tieren in der wissenschaftlichen Literatur nicht eindeutig. Einige Forscher fanden „keine Wirkung“, während andere eindeutig negative Auswirkungen auf bestimmte Mikroorganismen fanden.

Die Autoren des Übersichtsartikels stellten fest, dass die Ergebnisse der Studie davonabhängen, wie detailliert DNA-Daten analysiert werden. Wenn nur Ordnungen, Klassen und Familien von Organismen oder Biomasse und Diversität betrachtet werden, wird in der Regel kein Effekt gefunden. Wenn aber Gattungen und Arten oder spezifische Prozesse betrachtet werden, werden Effekte sichtbar. Beispielsweise wurde die Stickstofffixierung durch Bakterien in Hülsenfrüchten beeinträchtigt. Dies gilt auch für die Entwicklung des Immunsystems bei Bienen, die in der Folge empfindlicher gegenüber einem Parasiten und einem Virus wurden. Auch die Entwicklung des Nervensystems von Rattenbabys war gestört und die Ratten zeigten ADHS-ähnliche Symptome. Die Entwicklung des Immunsystems und des Nervensystems wird teilweise durch das Mikrobiom im Darm gesteuert. Der Übersichtsartikel bietet auch eine lange Liste von minimalen Hemmkonzentrationen (MHKs) für alle Arten von Bakterien.

Bis vor kurzem gab es wissenschaftliches „Gezänk“ um diese Zahlen. Unterschiede wären auf Inkubationsbedingungen mit oder ohne Sauerstoff zurückzuführen. Die Autoren der Übersichtsarbeit zeigen, dass die Unterschiede eher auf die Methode zur Messung der Bakterienkonzentration als auf das Vorhandensein oder Fehlen von Sauerstoff zurückzuführen sind. Das heißt, dass die bisher als gegenüber gutartigen oder gar nützlichen Bakterien schädlich eingestuften sehr geringen Konzentrationen richtig sind. Im Gegensatz dazu können viele krankheitserregende Bakterien höheren Konzentrationen von Glyphosat widerstehen. Jüngste DNA-Forschungen haben gezeigt, dass bis zu 26% der Bakterien im menschlichen Darm empfindlich auf Glyphosat reagieren. Es kann also zu einer Verschiebung des Mikrobioms kommen. Die Autoren kommen deshalb zu dem Schluss, dass die tolerierbaren Rückstände in der Ernährung von Mensch und Tier gesenkt werden sollten, um eine Schädigung des Mikrobioms und damit des Wirts zu verhindern oder zumindest zu minimieren. Glyphosatrückstände im Boden entstehen nicht nur durch das Besprühen von Pflanzen mit Glyphosat, sondern auch durch das Ausbringen von Dung von Tieren, die über den internationalen Futtermittelmarkt mit Glyphosat-resistentem Futter das hohe Rückstände enthält gefüttert wurden. Derzeit sind die Konzentrationen von Glyphosat und dem ersten (ebenfalls giftigen) Abbauprodukt in Boden und Oberflächen- und Grundwasser bereits so hoch (unter anderem aufgrund des langsamen Totalabbaus), dass für die Zukunft Bedenken hinsichtlich der Gesundheit des Trinkwassers bestehen . Außerdem gedeihen normale Kulturpflanzen weniger gut auf Böden, die mit glyphosathaltigen Düngemitteln gedüngt wurden, sodass die Kreislauflandwirtschaft auf Dauer gefährdet ist. Die Autoren argumentieren daher, dass all diese Faktoren ernsthaft in Betracht gezogen werden sollten, bevor eine Entscheidung getroffen wird, ob Glyphosat in (naher) Zukunft zugelassen wird oder nicht.

Text: Prof. Dr. Maria R. Finckh

Paper: https://doi.org/10.3389/fenvs.2021.763917

Kontakt:
Prof. Dr. Maria R. Finckh
Fachgebiet Ökologischer Pflanzenschutz
Mail: mfinckh[at]uni-kassel[dot]de