09.12.2022 | Porträts und Geschichten

Ist Individualverkehr noch zeitgemäß?

Prof.in Angela Francke beantwortet in dem Format „Kassel fragt, Kassel forscht“ eine Frage von Kasseler Bürger:innen, die im Projekt ZUKUNFTSDIALOGE gesammelt wurde.

Ich bin Angela Francke, Professorin für Radverkehr und Mobilität hier an der Universität Kassel, am Fachbereich Bau und Umwelt und Verweise. Und wir bei uns im Fachgebiet erforschen. Das Fahrrad zum Verkehrsmittel Nummer eins werden kann und das natürlich im Zusammenspiel mit allen anderen Verkehrsteilnehmern.

Ist Individualverkehr noch zeitgemäß?

Ja, aber kommt auch drauf an. Was versteht man denn eigentlich unter Individualverkehr, dem Fahrradfahren, zu Fuß sich fortbewegen, E-Scooter? Klar, die meisten denken wahrscheinlich an ihren eigenen PKW, an das Auto, mit dem sie unterwegs sind, den sogenannten motorisierten Individualverkehr. Und in einer freiheitlichen Gesellschaft, in der wir leben, ist natürlich so eine Art Individualverkehr auch immer ein hohes Zeichen von Selbstverwirklichung. Und das heißt, wenn ich diese Art von Individualverkehr durchführe, sollte das kein Schaden sein für einen anderen in der Gesellschaft.

Zu beachten ist: Die Freiheit des Einzelnen hört dort auf, wo sie die Freiheit eines anderen einschränkt. Sei es durch Abgase, durch Platzverbrauch oder durch Lärm. Und es ist ganz wichtig, dass wir diese ganzheitliche Betrachtung eines Verkehrsmittels haben, uns also anschauen: Was sind die Kosten, was sind die Nutzen? Gerade jetzt, in Zeiten der Klimakrise, ist dieses Vorgehen noch mal umso wichtiger, vor allem wahrscheinlich überlebenswichtig. Und wenn ich den motorisierten Individualverkehr gesamtgesellschaftlich betrachte, dann ist dieser minimale Schaden nicht gegeben. Das heißt, um umweltfreundlich unterwegs zu sein, benötige ich alternative Möglichkeiten. Es kann sein, dass ich die S-Bahn einmal die Woche nutze und zum Beispiel ein Teilstück zur Arbeit damit zurücklege. Oder ich könne das Auto stehen lassen und dafür mit dem Fahrrad oder mit dem Pedelec unterwegs sein.

Ist also notwendig, als Gesellschaft auch eine Vision zu haben und zu schauen: Was sind Kosten, was den Nutzen dieser Verkehrsmittel? Und einen Individualverkehr für jeden zu ermöglichen, der auch umweltfreundlich ist. Die individuelle Mobilitätsentscheidung hat also einen sehr großen Einfluss. Das heißt so wie ich mich bewege, wie ich entscheide, ob ich das Auto nehme, ob ich das Fahrrad nehme, ob ich zu Fuß gehe. Und das angepasst an jede Situation, kann ich dann schon als sehr zeitgemäß den Individualverkehr bezeichnen.

In dem Format „Kassel fragt, Kassel forscht“ beantworten Wissenschaftler:innen der Universität Kassel Fragen von Kasseler Bürger:innen, die im Projekt ZUKUNFTSDIALOGE gesammelt wurden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von UniKasselTransfer, dem Staatstheater Kassel und den Scientists for Future Kassel wird im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2022 - Nachgefragt! vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. In unterschiedlichen Formaten wird der Dialog zwischen Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft eröffnet, um sich gemeinsam auf die Suche nach alternativen Wegen zu einer nachhaltigeren Gesellschaft zu begeben.
Mehr Infos: www.uni-kassel.de/go/zukunftsdialoge