09.12.2022 | Porträts und Geschichten

Wie kann man die Beziehung von Mensch und Natur untersuchen?

Prof. Philip Hogh beantwortet in dem Format „Kassel fragt, Kassel forscht“ eine Frage von Kasseler Bürger:innen, die im Projekt ZUKUNFTSDIALOGE gesammelt wurde.

In dem Format „Kassel fragt, Kassel forscht“ beantworten Wissenschaftler:innen der Universität Kassel Fragen von Kasseler Bürger:innen, die im Projekt ZUKUNFTSDIALOGE gesammelt wurden. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von UniKasselTransfer, dem Staatstheater Kassel und den Scientists for Future Kassel wird im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2022 - Nachgefragt! vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. In unterschiedlichen Formaten wird der Dialog zwischen Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft eröffnet, um sich gemeinsam auf die Suche nach alternativen Wegen zu einer nachhaltigeren Gesellschaft zu begeben.
Mehr Infos: www.uni-kassel.de/go/zukunftsdialoge

Mein Name ist Philip Hogh. Ich bin seit April 2022 Professor für Praktische Philosophie hier in Kassel und ich beschäftige mich in meiner Forschung schwerpunktmäßig mit Fragen der kritischen Theorie, der Sozialphilosophie, der Naturphilosophie und der Anthropologie. Und dazu gehören auch Fragen der Nachhaltigkeit und des Klimawandels.

Die Frage, wie man die Beziehung zwischen Mensch und Natur untersuchen kann, lässt sich auf sehr viele verschiedene Weisen beantworten, weil es ja schon mal ganz viele verschiedene Weisen gibt, in denen Menschen sich zur Natur verhalten. Beispielsweise, wenn man sich auf eine Wiese legt, in den Himmel guckt, um sich auszuruhen ist das ein Verhältnis zur Natur. Wenn man Landwirtschaft betreibt, ist das ein Verhältnis zur Natur. Wenn man Braunkohle abbaut, das ist ein Verhältnis zur Natur. Und schließlich so wie wir unser gesellschaftliches Zusammenleben organisieren, wie wir Ressourcen nutzen, wie wir uns fortbewegen auch das ist ein Verhältnis zur Natur. Also all das müsste man untersuchen, wenn man das Verhältnis des Menschen zur Natur untersuchen möchte.

Da ich nun Philosoph bin, mache ich das auf eine ganz spezifisch bestimmte Weise. Auch in der Philosophie gibt es unterschiedliche Weisen, sich mit diesem Verhältnis zu beschäftigen. Die theoretische Philosophie beispielsweise würde sich vor allem mit grundlegenden begrifflichen Fragen beschäftigen, also damit, was man eigentlich meint, wenn man von Natur spricht, was die Naturwissenschaften über die Natur aussagen können, wie wahrheitswidrig Aussagen von Natur sind und so weiter. Die praktische Philosophie dagegen das Gebiet, in dem ich tätig bin, beschäftigt sich dagegen mit der Frage, wie das Verhältnis des Menschen oder der Menschen besser zur Natur gestaltet sein sollte, damit es sowohl für die Menschen als auch für die Natur gut und gedeihlich ist.

Der Frage danach, wie man das Verhältnis von Mensch und Natur so gestalten sollte, dass es für Menschen und Natur gut ist, kommt natürlich im Blick auf unsere Gegenwart eine erhebliche Brisanz zu, weil die Erderwärmung ja schon heute katastrophale Folgen sowohl für Menschen als auch für die Natur hat. Deswegen sollten wir uns eigentlich vor allem mit der Frage beschäftigen, wie wir die Zerstörungsprozesse, die stattfinden, möglichst schnell und wirkungsvoll stoppen können. Dabei lassen sich in den gegenwärtigen Diskussionen zwei dominante Narrative feststellen: Zum einen die Vorstellung eines grünen und nachhaltigen Kapitalismus, in dem alles so bleibt, wie es jetzt ist, nur mit weniger ökologischen Schäden. Andererseits die Vorstellung einer ökologischen Apokalypse, die unser Handeln schon jetzt unter eine Sachzwang-Logik setzt, um den Untergang zu verhindern.

Das, was mich in meiner Forschung besonders interessiert, ist die Frage, wie man im Unterschied zu diesen beiden dominanten Narrativen der ökologischen Apokalypse und des grünen Kapitalismus das Mensch-Natur Verhältnis denken kann. Das würde einerseits heißen, dass man sowohl die Ausbeutung der Menschen im Kapitalismus abschafft, als auch die Ausbeutung der nichtmenschlichen Ressourcen, der natürlichen Ressourcen, verändert. Und Zukunft wäre dann letztlich zugleich etwas Offenes, als auch etwas noch zu Erkämpfendes und Herzustellendes.