01.04.2019 | Pressemitteilung

DFG verlängert Forschungsgruppe zu rural-urbanen Transformationen in Indien

Mega-Städte in Schwellen- und Entwicklungsländern wachsen rasend schnell und verändern ihre ländliche Umgebung dabei fundamental, aber nicht einheitlich – das ist eins der Ergebnisse eines deutsch-indischen Forschungsverbunds, der diese Entwicklung exemplarisch am Beispiel Bangalore (Indien) untersucht, die Veränderung der agrarwirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Systeme analysiert und dabei in mehrfacher Hinsicht Pionierarbeit geleistet hat. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert dieses Projekt nun für weitere drei Jahre mit insgesamt 3,2 Millionen Euro.

Bild: Ellen Hoffmann.
Ziegen und Zebus in einer urbanen Umgebung.

Auf deutscher Seite wird die Forschungsgruppe FOR 2432 „Landwirtschaftlicher Wandel im rural-urbanen Raum“, die im Jahr 2016 startete, von den Universitäten Kassel und Göttingen getragen. Erste Ergebnisse zeigen eindrücklich, wie landwirtschaftliche Intensivierung, die Diversifizierung von Märkten sowie die Veränderung von Konsumgewohnheiten und gesellschaftlichen Werten Hand in Hand gehen und den Übergangsraum zwischen Land und Stadt verändern. So verdrängt in vielen Dörfern intensive Bewirtschaftung mithilfe von Bewässerungssystemen, Kunstdünger und Pestiziden traditionelle Anbaumethoden; der Anbau von Obst und Gemüse, das in urbane Zentren geliefert wird, verdrängt traditionelle Kulturen wie Hirse und Hülsenfrüchte, vielerorts entstehen Supermärkte anstelle von Gemüsemärkten. Mit wachsendem Wohlstand nimmt auch ein westlicher Lebensstil zu. Zugleich ist mancherorts eine gegenläufige Rückbesinnung auf traditionelle Ernährungsgewohnheiten spürbar. „Schon in den drei Jahren, die wir jetzt Feldforschung in Indien betreiben, haben viele Ortschaften dramatisch ihr Gesicht verändert“, berichtet Dr. Ellen Hoffmann von der Universität Kassel, die das Projekt betreut.

Statt mehr oder weniger gleichmäßig und einheitlich verlaufen diese Prozesse heterogen und polyzentrisch: In der Peripherie der Metropole Bangalore entstehen urban geprägte Kleinstädte, die als Sub-Zentren fungieren. Während manche Dörfer sich komplett auf die Zulieferung für die urbanen Zentren ausrichten, bleiben andere länger traditionellen Wirtschafts- und Lebensweisen verbunden. Gerade die sich am schnellsten verändernden Zonen zeichnen sich durch ein Höchstmaß an Diversität und Produktivität aus; zugleich kann es gerade hier die stärksten negativen ökologischen Auswirkungen geben. Die Forschungsgruppe analysiert diese Prozesse auf verschiedenen Skalenebenen, von einzelnen Feldern bis zur gesamten Metropolregion, um einzugrenzen, welche Treiber die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit steuern können.

Die Verlängerung des Projekts beschloss der Senat der DFG auf seiner Sitzung am 29. März. Die zweite Projektphase beginnt im April 2019 und setzt neben der Analyse der räumlichen Muster auch die Beobachtung der temporalen Dimension in Echtzeit fort. Ziel ist ein integriertes sozial-ökologisches Modell für derartige Prozesse in schnell wachsenden Metropolregionen. Das interdisziplinäre Themenspektrum reicht von Bodenphysik bis Fernerkundung, von Pflanzenbau und Tierernährung bis zur Agrar- und Entwicklungsökonomie und über die Agrarwissenschaften hinaus bis in die Humangeographie und Ökosystem-Modellierung.

Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung der ersten Phase war die enge Kooperation mit dem vom Department of Biotechnology der indischen Regierung kofinanzierten Partnerkonsortium, in dem jedem deutschen Projekt ein indisches Partnerprojekt zugeordnet war – ein Konzept, das so auch in der zweiten Projektphase fortgeführt wird. Die meisten indischen Partnerprojekte sind an der University of Agricultural Studies in Bangalore angegliedert; aber auch andere indische Forschungseinrichtungen sind beteiligt, darunter nationale Forschungszentren zum Beispiel in den Bereichen sozial-ökologischer Wandel und Weltraumtechnik/Fernerkundung.

Sozial-ökologische Systeme bilden ein Rahmenkonzept, in dem Forscherinnen und Forscher interdisziplinär das Verhältnis zwischen Mensch und Natur untersuchen. Ursprünglich entwickelt, um Probleme gemeinsamer Ressourcennutzung zu lösen, wurde es in den vergangenen Jahren mehr und mehr erweitert und auf verschiedenste Fragestellungen angewandt. In den Agrarwissenschaften setzten die Universitäten Kassel und Göttingen mit der Einrichtung der deutschlandweit ersten Professur für „Sozial-Ökologische Interaktionen in Agrarsystemen“ zum Wintersemester 2017/2018 einen Akzent: Die Professur wird die Weiterentwicklung der theoretischen und methodischen Grundlagen für holistische Forschungsansätze in der zweiten Förderphase der Forschungsgruppe vorantreiben. Sprecher der Gruppe in der zweiten Phase ist Prof. Dr. Stephan von Cramon-Taubadel von der Universität Göttingen, gemeinsam mit Prof. Dr. Andreas Bürkert von der Universität Kassel als Co-Sprecher.

 

Kontakt:

Dr. Ellen Hoffmann
Universität Kassel
Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften
FG Ökologischer Pflanzenbau und Agrarökosystemforschung
in den Tropen und Subtropen (OPATS)
Tel.: +49 5542 98-1251
E-Mail: ellen.hoffmann[at]uni-kassel[dot]de

Sebastian Mense
Universität Kassel
Kommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 561 804-1961
E-Mail: presse[at]uni-kassel[dot]de
www.uni-kassel.de