29.05.2018 | Porträts und Geschichten

„Man kann den Umgang mit Veränderung lernen“

Dr. Sandra Ohly, Professorin für Wirtschaftspsychologie, erforscht die psychologische Seite des Umbruchs in der Arbeitswelt.

publik:Die Arbeitswelt verändert sich tiefgreifend. Wie gehen Angestellte und wie gehen Vorgesetzte damit am besten um?

Ohly: Veränderungen erzeugen immer Widerstände, bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Das liegt in der Natur des Menschen. Es gibt ja oft auch gute Gründe: Veränderungen können reale Verluste bedeuten, wenn ich plötzlich nicht mehr mit lieben Kollegen arbeite oder Aufgaben verliere, die ich gut beherrsche. Außerdem entsteht Unsicherheit. Eine gute Chefin oder ein guter Chef reduziert diese Unsicherheit: Sie oder er erklärt, was an Veränderungen auf die Angestellten zukommt und wer überhaupt davon betroffen sein wird.

 

publik: Wenn ich als Mitarbeiter weiß, was auf mich zukommt, ist damit noch nicht alles gut. Gibt es Strategien, mit Befürchtungen besser umzugehen?

Ohly: Man kann das tatsächlich bis zu einem gewissen Grad lernen. Zum einen können Sie problemorientiert arbeiten und frühzeitig lernen, wie Sie die neuen Aufgaben ganz praktisch bewältigen. Zum anderen können Sie emotionsorientiert arbeiten und mögliche Ängste regulieren, etwa mit Entspannungsübungen. Sinnvoll ist es, sich nicht auf mögliche negative Veränderungen zu konzentrieren, sondern zu schauen: Wo bringt mir die Veränderung einen Gewinn, vielleicht neue interessante Aufgaben? Da kann der Vorgesetzte mithelfen, indem er dieses Potenzial klarmacht.

 

publik:Um Veränderungen zu gestalten, setzen viele Unternehmen und Organisationen auf Ideen aus den Reihen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter…

Ohly: Das ist eine Möglichkeit, Wandel zu gestalten. Neben dem praktischen Wert guter Ideen ist es sinnvoll, die Mitarbeiter einzubeziehen, z.B. durch ein Ideenmanagement. Dazu gehören Feedback und eine schnelle Bearbeitung der Vorschläge. Wir haben untersucht, wie wichtig monetäre Anreize sind, also Prämien für gute Ideen. Interessanterweise spielt Geld zunächst keine große Rolle. Viel wichtiger ist das Gefühl, etwas bewirken zu können. Aber: Keine Prämie ist auch keine Lösung, weil das dann als ungerecht empfunden wird.

publik:Sie untersuchen auch innovative Arbeitszeitmodelle – die Arbeit der Zukunft wird immer flexibler, oder täuscht der Eindruck?

Ohly: Wenn Sie feste Arbeitsabläufe haben, etwa in der industriellen Produktion, ist das nicht so einfach, aber vor allem in wissensintensiven oder kreativen Bereichen ist viel in Bewegung. Es wird sicher immer mehr Telearbeit oder Teilzeitmodelle geben. Das ist ein Vorteil für die Beschäftigten.

publik: Lohnt sich das für den Arbeitgeber, weil die Beschäftigten dann kreativer und leistungsfähiger sind? Gibt es so etwas wie eine optimale Arbeitszeit, vielleicht von 30 oder 35 Stunden in der Woche?

Ohly: Das ist eine interessante, aber schwierige Frage. Wir haben in einer Studie festgestellt, dass es so etwas wie eine optimale Dichte der Arbeit gibt. Ein gewisser, maßvoller Zeitdruck ist förderlich für Kreativität, weil man wach und stimuliert bleibt. Zu viel Zeitdruck jedoch erstickt die Kreativität. Das Maß dafür ist aber individuell. Und was die Dauer der Arbeit angeht, führen zu lange Arbeitszeiten zur Erschöpfung, was die Kreativität behindert.

publik: Apropos Erschöpfung, Sie haben vor einigen Jahren eine vielbeachtete Studie zur Nutzung von Diensthandys nach Feierabend vorgelegt. Demnach schauen zwei Drittel der Beschäftigten in wissensbasierten Berufen am Feierabend gelegentlich oder häufig auf ihr Diensthandy. Ist das gesund?

Ohly: Wir haben dieses Thema weiterverfolgt und eine feine Differenzierung festgestellt: Nicht die Handynutzung per se ist für die meisten Menschen belastend, sondern wenn der oder die Vorgesetzte von ihnen erwartet, schnell zu reagieren oder in der Freizeit weiterzuarbeiten. Da helfen feste Vereinbarungen, wann und warum der Chef ausnahmsweise am Feierabend eine Reaktion erwarten darf, etwa weil ein Projekt vor dem Abschluss steht. Ansonsten ist der Feierabend zu respektieren. Viele checken dann trotzdem ihre Mails, aber mit dem guten Gefühl, dass sie selbst entscheiden, ob sie antworten oder nicht.

Interview: Sebastian Mense