13.04.2018 | Porträts und Geschichten

Wie glücklich macht die Natur?

Dem stressigen Alltag entfliehen, bei einem langen Spaziergang im Wald oder bei einem kurzen Abstecher in die Natur entschleunigen – der Wunsch, Ruhe in der Natur zu finden, ist weit verbreitet. Aber woran liegt das und stimmt das Versprechen, macht Grün glücklich? Daniel Münderlein, Doktorand am Fachgebiet Landschaftsplanung/Landnutzung möchte in seiner Studie „Landschaft und Erholung“ genau das herausfinden: Wie lässt sich der Faktor Glück messen? Wie greifbar ist dieser Faktor, der doch stark mit dem subjektiven Wohlbefinden verknüpft ist?

Bild: Daniel Münderlein

Für seine Feldforschung suchte er zwei verschiedene und dennoch vergleichbare Orte. Die Wahl fiel auf das Felsenmeer, das eine halbe Stunde Autofahrt von Darmstadt entfernt im Odenwald liegt. Der naturbelassene Ort wird von vielen Naturliebhabern für ein paar Stunden Auszeit genutzt – Natur pur. Als Kontrast hat Münderlein sich den Steinbrücker Teich, ebenfalls bei Darmstadt ausgesucht. Der Ort ist ein stadtnahes Erholungsgebiet, sehr beliebt bei Familien.

Münderlein ist in drei Schritten vorgegangen: Zunächst gab er den Teilnehmenden an beiden Orten Fragebögen, einen vor einem Ausflug und einen danach. Abgefragt wurde das subjektive Empfinden zu einzelnen Aspekten, die jeweils auf einer Skala zu bewerten waren. Die Teilnehmenden bildeten einen „gesunden Querschnitt der Gesellschaft“, berichtet er. Insgesamt erhob er pro Ort jeweils Daten von 250 Teilnehmenden.

Neben den Fragebögen organisierte er kleine geführte Wanderungen am Felsenmeer und am Steinbrücker Teich. Münderlein stellte während der je einstündigen Wanderung Triggerfragen zu bestimmten Orten und Gefühlen. Die Diktiergeräte waren mit einem GPS-Empfänger gekoppelt, sodass er im Nachhinein die Antworten zu seinen Fragen genau verorten konnte. Es ging Münderlein darum, die Sicht auf die Landschaft der einzelnen Personen zu erfassen.

Zusätzlich fotografierten die Teilnehmenden mit Sofortbildkameras, fingen Dinge und Orte ein und ergänzten die Fotos mit Beschreibungen und Kommentaren. Besonders Licht, Atmosphäre, Raumeindrücke, Pfade, Farben oder ein Gefühl von Weite waren den Menschen wichtig.

Schließlich verglich er die Ergebnisse der Befragungen mit den Interviews und den Fotos. „Die Forschungsergebnisse sind enorm wichtig für die Zukunft, nicht nur für die untersuchten Gebiete und für den jetzigen Auftraggeber, den Geo-Naturpark Odenwald. Am Ende meiner Forschung möchte ich besser greifbar machen, wie sich Natur und Landschaft in bestimmten Gebieten positiv auf den Menschen auswirken. Die Ergebnisse sollen dann auf andere Gebiete anwendbar sein; es gibt bei der Planung und dem Management von Naturschutz- oder Erholungsgebieten immer wieder die Frage, an welchen Orten zum Beispiel Bänke oder Aussichtsplätze sinnvoll platziert werden können und wo sie eher störend wirken. Wichtig ist auch, wie und wo beispielsweise neue Wege entlangführen sollen“, so Münderlein. „Außerdem ergeben sich Bildungsaufträge: Themen zu Natur und Landschaft an junge Menschen heranzutragen, deren Neugier zu wecken und diese zu Wanderungen und Spaziergängen im Grünen zu animieren.“

Auffällig bei den Gesprächen war der Einfluss von soziokulturellen Faktoren sowie das Alter der Befragten. Ein Beispiel: Die junge Generation wächst mit Windrädern im Landschaftsbild auf, während die Älteren darin oft einen Identitätsverlust sehen.

„Mein Ziel war es, den Erholungswert ausgehend von der menschlichen Wahrnehmung zu untersuchen“, so Münderlein. Er kann sich gut vorstellen, die Befragung an anderen Orten – beispielsweise am Meer – zu wiederholen, um noch mehr vergleichbare Daten zu erhalten.

„Bisher wird dem Wert von Landschaften für das Wohlbefinden noch zu wenig Bedeutung beigemessen. Mit meiner Forschung möchte ich auch darauf aufmerksam machen, dass jeder Mensch das gleiche Recht auf Natur und Landschaft hat. Es ist nicht gerechtfertigt, wenn überspitzt gesagt eine Hälfte eines Ortes unter den Auswirkungen einer Brücke oder einer Müllkippe leidet, während die andere Hälfte von grüner Natur direkt nebenan profitiert“, erklärt Münderlein. Jedem Menschen tut die Erfahrung von Natur und Landschaft gut. Daher muss ihre aufbauende Wirkung erhalten werden. Und sie muss allen Menschen zugänglich bleiben.