Die Uni Kassel ist auch ein Ort für Bildungsaufsteiger. Einer von ihnen ist Umut Kaban
Eines von Umut Kabans Anliegen: Er berät Familien, wie ihre Kinder möglichst erfolgreich durch die Schule kommen. Denn, so sagt er: „Viel mehr Jugendliche aus solchen Vierteln könnten es an die Unis schaffen.“
Doch es gibt Hürden. Viele Kinder leben in einem Umfeld, das ihnen den Weg an die Hochschulen nicht gerade ebnet: Die Elternhäuser können keine Deutschkenntnisse mitgeben oder es fehlen Vorbilder, Verwandte, die studiert haben. „Nur 27 Prozent der Schülerinnen und Schüler aus einem Nichtakademikerhaushalt beginnen später ein Studium. Bei Akademikerkindern sind es 79 Prozent“, stellte der Bildungsreport 2020 des Stifterverbandes fest.
Wer es doch schafft, kommt häufig nicht mit einem klassischen Abitur an die Hochschulen. An der Universität Kassel studiert jeder Vierte mit Fachhochschulreife, fachgebundener Hochschulreife oder einer beruflichen Qualifikation. Das ist hessenweit mit Abstand Spitze und auch deutschlandweit eine der höchsten Quoten. Ein Grund dafür: Es gibt in Nordhessen keine staatliche Fachhochschule, traditionell der Bildungsort für Absolventinnen und Absolventen mit Fachabitur. Ein weiterer sind die vielen technischen und Lehramtsstudiengänge, die von Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteigern stark nachgefragt werden.
„Grundsätzlich soll jede und jeder ihr oder sein Potenzial voll entfalten können, egal ob das Ausbildung heißt oder Studium, egal ob technisches Fach oder Geisteswissenschaften“, postuliert Prof. Dr. Ute Clement, Präsidentin der Uni Kassel. „Als Gesellschaft müssen wir das ermöglichen. An der Universität Kassel tragen wir unseren Teil dazu bei, erfolgreiche Bildungskarrieren zu eröffnen.“
Die aber beginnt früh. Kaban hatte das Glück, auf einen Schulleiter zu treffen, der sein Potenzial erkannte, ihn unterstützte, aber auch viel von ihm forderte. Vom Hauptschul- wechselte er auf den Realschulzweig, von dort auf den Gymnasialzweig, schließlich machte er auf der Goethe-Schule das Fachabitur, studierte Stadtplanung an der Universität Kassel und sagt rückblickend: „Das Studium hat in meinem Leben das Blatt gewendet.“
Kaban ist „seiner“ Nordstadt weiter eng verbunden. Im vergangenen Jahr arbeitete er für ein Projekt, das Männern und Frauen aus dem Viertel den Einstieg ins Berufsleben erleichtert. Seit kurzem ist er Quartiersmanager in der Nordstadt. Als Bildungsberater hilft er nebenbei Familien, bessere Lernbedingungen für ihre Kinder zu schaffen. Manchmal heißt das, dass in engen Wohnungen zu bestimmten Zeiten das Wohnzimmer für die Hausaufgaben reserviert ist. Manchmal heißt es, Eltern mit schlechten Deutschkenntnissen zu Elternabenden zu begleiten. Vor allem aber sei eines wichtig: „Die Jungs und Mädels brauchen Vorbilder. Viele trauen sich nichts zu. Erst wenn sie jemanden in ihrem Umfeld kennen, der seinen Bildungsweg bis zu Ende gegangen ist, denken sie über ein Studium oder eine Ausbildung nach.“
Umut Kaban freut sich über jeden, der es trotz schwieriger Startbedingungen zu einem erfolgreichen Schulabschluss, einer guten Ausbildung – oder an die Uni schafft. Langfristig könnte dadurch eine „unsichtbare Grenze“ durchlässiger werden. Denn der zentrale Campus der Uni liege zwar in der Nordstadt und inzwischen strahle die Universität auch in das Umfeld aus. Doch für viele Schülerinnen und Schüler im Quartier sei die Universität noch eine fremde Welt.
Wer kurz vor dem Abitur oder dem Fachabitur steht oder es bereits in der Tasche hat, der findet an der Uni Kassel übrigens Ansprechpartner, um über das richtige Studium und die passende Unterstützung zu sprechen. Einer von ihnen ist Oliver Claves von der Allgemeinen Studienberatung. „Auch und besonders jungen Menschen ohne akademischen Familien-Hintergrund oder mit untypischen Bildungswegen helfen wir individuell“, verspricht er.
Text und Foto: Sebastian Mense
Dieser Text ist Teil der Ausgabe 2023/1 der publik, Erscheinungstag 13. Februar.