14.02.2023 | Porträts und Geschichten

plusMINT | Zwei Studis berichten von ihren Erfahrungen im Orientierungsstudium

In Kassel gibt es das einzigartige Studium plusMINT – der erste Jahrgang biegt auf die Zielgerade ein. Wie war’s bisher?

Bild: Vanessa Laspe
Hannah Glatzel und Philipp Krug

„Wir sind eben Allrounder“

Deutschland verliert MINT-Studierende, stellte das Statistische Bundesamt Ende Januar fest. Hannah Glatzel und Philipp Krug studieren plusMINT, ein Programm, das den Einstieg in MINT- Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) erleichtert. Philipp hat vor dem Studium eine Ausbildung als Laborant gemacht und ein Jahr gearbeitet. Hannah ist direkt nach der Schule in das Studium gestartet. Im Interview erinnern sich die beiden an ihren Start und erzählen von den Besonderheiten des Studiengangs.

 

Ihr studiert beide mittlerweile im 7. Semester Umweltingenieurwesen im plusMINT-Studiengang. Was reizt euch an eurem Studium?

Hannah Glatzel: Gerade jetzt hört man so viel zum Thema Klimawandel und Umweltkatastrophen. Dass ich an umfassenden technischen Lösungen arbeiten kann, statt bloß zu versuchen, das Handeln jedes Einzelnen zu verändern, motiviert mich.
Philipp Krug: Ich finde die Verbindung von Technik und Umwelt und die Interdisziplinarität des Studiengangs sehr spannend. Wir sind eben Allrounder. Wir können zwar keine riesigen Brücken bauen, aber dafür alles analysieren, was damit zusammenhängt.

 

Ihr wart im ersten Jahrgang des damals neueingeführten plusMINT-Studiums. Wie war das Ankommen im Studium für euch?

Philipp: Wir waren damals in vielen Kursen nur 30 Leute, das hat sich angefühlt wie in einer Schulklasse. Wir wurden an die Hand genommen und intensiv betreut. Bei den ersten beiden Treffen waren zum Beispiel drei Koordinatoren dabei, die mit uns den Stundenplan durchgegangen sind.
Hannah: Ich fand das super und hatte auch den Eindruck, dass man so die Ehrfurcht vor den Dozenten verliert. Auch zu den anderen Studierenden hatte ich schnell ein gutes Verhältnis.

 

Seid ihr mit Studierenden, die andere Schwerpunkte gewählt haben, noch in Kontakt geblieben?

Philipp: Man entwickelt durch das plus MINT Studium schon ein Netzwerk, das einem im Laufe des Studiums einige Vorteile bringt. Maschinenbau, Bau und Umweltingenieurwesen teilen sich einen Standort, daher sind wir natürlich mit Studierenden dieser Fächer umso mehr in Kontakt.
Hannah: Philipp und ich haben zusammen eine Freundesgruppe gefunden, die auch heute noch besteht. Ich muss aber sagen, dass meine engen Freunde ebenfalls alle Umweltingenieurwesen gewählt haben.

 

Es gibt im Rahmen des plusMINT Studiums eine Ringvorlesung, in der Firmen sich und ihre Bereiche vorstellen. Wie war das für euch?

Hannah: Vor allem die Fächer Mathematik, Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik sind aktuell bei vielen Firmen sehr stark nachgefragt und das hat man auch deutlich gemerkt. Für Umweltingenieure gab es nur einige sehr spezifische Arbeitgeber. Es war trotzdem hilfreich für mich, potenzielle Arbeitgeber kennenzulernen.
Philipp: Cool war der direkte Kontakt zu den Firmen. Wir konnten Abteilungsleiter oder Ingenieurinnen kennenlernen, die schon im Job sind. Im Nachhinein frage ich mich aber, ob die ersten bei den Semester der richtige Zeitpunkt dafür sind. Mittlerweile weiß ich eher, was ich kann und wo ich hinmöchte, dementsprechend ist das Thema Berufsorientierung viel relevanter für mich.

 

Wie lief das Mentoring bei euch ab?

Hannah: Zuerst haben wir die fachliche Richtung ausgewählt, in die wir uns orientieren möchten, und dann eine entsprechende Person aus der Universität an die Seite gestellt bekommen. Leider liefen die Gespräche bei uns wegen des Corona-Semesters per Video-Konferenz, vielleicht konnte ich auch deshalb inhaltlich nicht so viel daraus mitnehmen. Es hat mir aber trotzdem geholfen, die Distanz zu den Lehrenden abzubauen. Man merkt eben: Die sind auch ganz normale Menschen.
Philipp: Die Eins-zu-eins-Betreuung durch einen Professor hat mich am Anfang schon ein bisschen eingeschüchtert. Auf Dauer hat das Mentoring mein Verhältnis zu meinem Mentor, Professor Niendorf, positiv beeinflusst; ich gehe heute noch lieber in seine Veranstaltungen, wenn ich die Wahl habe.

Das Orientierungsstudium plusMINT ist an der Uni Kassel zum Wintersemester 2019/20 mit dem Ziel gestartet, den Studieneinstieg in die MINT-Fächer zu erleichtern und eine fundierte Fachentscheidung zu ermöglichen. Es beginnt mit einer zweisemestrigen Orientierungsphase, in der der Schwerpunkt auf der Beratung und intensiven Betreuung der Studierenden liegt. In dieser Zeit besteht die Möglichkeit, verschiedene MINT-Fächer kennenzulernen. Anschließend kann zwischen zehn Studienschwerpunkten gewählt werden: Bauingenieurwesen, Elektrotechnik, Informatik, Maschinenbau, Mathematik, Mechatronik, Nanostrukturwissenschaften, Physik, Umweltingenieurwesen und Technomathematik. Studienabschluss ist ein Bachelor of Science. Die Regelstudienzeit beträgt, je nach Studienschwerpunkt, acht bis neun Semester. Das Orientierungsstudium startet jeweils im Wintersemester und ist in seiner Gesamtheit BAföG-förderfähig.

Mehr Infos in diesen Videos:

Mathematik scheint ja beim ersten Blick auf die Homepage für alle MINT-Studiengänge eine große Rolle zu spielen. Würdet ihr jemandem, der in Mathe eher mittelmäßig ist, raten, das Studium auszuprobieren?

Philipp: Ja, auf jeden Fall. Bei mir lagen zwei Jahre zwischen dem letzten Matheunterricht in der Schule und dem Studium. Vor dem Studium habe ich mir ziemliche Sorgen gemacht, ob ich das schaffe. Und ich muss sagen, dass der Mathe Aufbaukurs mich total gut vorbereitet und mir die Angst genommen hat.
Hannah: Ich würde eigentlich jedem, der plusMINT macht, den Aufbaukurs empfehlen. Ich war immer ganz gut in Mathe, aber ein paar Sachen habe ich damals in der Schule auch nicht ver standen. Im Kurs war es dann plötzlich ganz logisch, weil es anders erklärt wurde.

 

Gibt es andere Voraussetzungen für das Studium, die man aus eurer Sicht mitbringen sollte?

Hannah: Auf jeden Fall großes Interesse an Naturwissenschaften, das ist ja klar. Im Umweltingenieurwesen würde ich auch dazu raten, sich zu informieren über politische Entwicklungen in den Themenbereichen Naturschutz und Klimawandel. In vielen Veranstaltungen wird darauf Bezug genommen.
Philipp: Grundvoraussetzungen sind auch eine hohe Einsatzbereitschaft und Belastbarkeit. Gerade in Ingenieursstudiengängen gibt es intensive Klausurenphasen. Auch die ersten Wochen im Studium sind ganz schön hart.

 

Habt ihr Tipps für Leute, die das plusMINT-Studium anfangen?

Hannah: Schaut, dass ihr im ersten Semester Freunde findet. Das ist am Anfang viel wichtiger als irgendwelche Credits. Ich stelle es mir sehr schwierig vor, später noch Leute kennenzulernen, wenn das Arbeitspensum gestiegen ist.
Philipp: Das sehe ich genauso. Außer dem: Findet eure eigene Lernstrategie! Ich habe irgendwann gemerkt, dass es für mich effektiver ist, Übungen zu machen, als in Vorlesungen zu sitzen. Also versuche ich, mein Studium entsprechend zu gestalten. Außerdem empfehle ich, sich auf eine HiWi Stelle zu bewerben. Das ist unglaublich wertvoll, um Kontakte zu knüpfen und mehr über das wissenschaftliche Arbeiten zu lernen.
Hannah: Oh ja, das ist super! Man wird dafür bezahlt, etwas zu lernen. Man braucht wirklich keine Angst zu haben, dass man nicht gut genug ist. Wenn man die Chance hat, sollte man sich auf jeden Fall bewerben.

 

Der Abschluss ist nicht mehr allzu fern. Was sind eure Pläne für die Zeit danach?

Hannah: Nach dem Bachelorstudium würde ich gerne den Master anfangen. Auf lange Sicht möchte ich vielleicht in der Forschung arbeiten. Konkrete Pläne habe ich aber noch nicht, außer, dass ich nochmal eine andere Stadt kennen lernen möchte als Kassel.
Philipp: Früher konnte ich mir nicht vor stellen, an der Uni zu arbeiten. Durch meine HiWi Stelle hat sich das aber geändert, jetzt nehme ich Forschung viel positiver wahr. Eventuell wäre das also was für mich. Erst mal möchte ich aber auch den Master machen.

 

Dieser Beitrag erschien im Universitäts-Magazin publik 2023/1. Interview: Maya Burkhardt