Öffentliche Vorlesungsreihe "Brasilien. Land der Zukunft oder der Vergangenheit"

Im Jahr 1941 schrieb Stefan Zweig im brasilianischen Exil das Buch „Brasilien. Ein Land der Zukunft“. Der Buchtitel galt in Brasilien für Jahrzehnte als Beiname des Landes. Gerechtfertigt wurde dies, da trotz massiver Probleme die Bevölkerung auf ausländische Besucher stets Hoffnung – also Zukunft - ausstrahlte. Oft wurde von den Brasilianerinnen und Brasilianer der melancholisch-ironischen Zusatz angefügt … eine Zukunft, die wir nie erreichen werden.

Dann geschah das Unwahrscheinliche. Mit der Wahl des linken Kandidaten Luiz Inácio Lula da Silva zum Präsidenten, der sein Amt am 1.1. 2003 antrat, hatte Brasilien seine Zukunft erreicht. Die ersten Jahre seiner Regierung waren von einem breiten gesellschaftlichen Aufbruch und Zukunftsgestaltung geprägt. Die Ernüchterung trat ein. Derzeit wird Brasilien von einem rechtsradikalen Präsidenten regiert. Von Aufbruch und Hoffnung ist wenig zu spüren. Seine Wiederwahl würde Brasilien zum Land der Vergangenheit machen. Aber was könnte die Zukunft sein?

Brasilien ist heute ein tief gespaltenes Land. Die Frage, ob es noch ein Land der Zukunft oder doch der Vergangenheit ist, werden die Vortragenden aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten.

Die Teilnahme ist für max. 100 Personen in Präsenz möglich oder sie können sich zur online Teilnahme per Zoom bei Frau Klein anmelden: p.klein[at]uni-kassel[dot]de

Vortrag am 2. Juni 2022:

Clarita Müller-Plantenberg: Was wollen die Indigenen noch?

Die Indigenen in Brasilien hatten Erfolge und sind gleichzeitig bis heute bedroht. Von Beginn der Eroberung sank ihre Zahl von etwa fünf Millionen auf unter 200.000 in den 1960er-Jahren. Direkte und indirekte Genozide gegen diese ältesten Bewohner des heutigen Brasiliens konnten in den Folgejahren gestoppt werden. Viele der ca. 300 indigenen Völker erlebten eine demografische Erholung. Bei der letzten Volkszählung 2010 wurden knapp 900.000 gezählt. Zudem gelang es vor allem in Amazonien viele indigene Territorien auszuweisen, die heute ca. eine Millionen Quadratkilometer umfassen. Aktuell versucht die Regierung allerdings, durch verschiedene Gesetzesinitiativen, die wirtschaftliche Ausbeutung und damit das Eindringen in die Territorien wieder zu ermöglichen.

In dieser schwierigen historischen Phase wird Clarita Müller-Plantenberg versuchen die Frage zu beantworten, was die Indigenen noch wollen und wie ihre Zukunftsperspektiven aussehen könnten. Die Soziologieprofessorin lehrte von 1981 bis 2009 an der Universität Kassel. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte waren der Amazonasraum sowie die Indigenen Brasiliens. Sie ist bis heute engagierte Verteidigerin indigener Rechte und kehrt mit diesem Vortrag an ihre alte Wirkungsstätte zurück.

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