Meldung

Zurück
13.07.2023

„der markt hätte es gerne, wenn wir nur ‚exilautoren‘ wären.“ Multidimensionale Konstruktionsprozesse von Autorschaft im aktuellen Kontext von Exil, Migration und Flucht

Vom 13. bis 15. Juli 2023 fand in der Evangelischen Tagungsstätte Hofgeismar eine Tagung zum Thema Exil, Migration und Flucht statt. Organisiert wurde sie vom Institut für Germanstik der Universität Kassel (Christine-Marie Ansari, Stefan Greif, Nikola Roßbach) und seinem ehemaligen Gastprofessor Turgay Kurultay.

Außer wissenschaftlichen Vorträgen gab es Lesungen von zwei geflüchteten bzw. exilierten Autor:innen, Barbaros Altuğ und Meral Şimşek.

 

Die Tagung stellte die Frage nach multidimensionalen Konstruktionsprozessen von Autorschaft in Bezug auf die einschlägige aktuelle Literatur. Es galt, die Begriffe der Exil-, Migrations- und Fluchtliteratur kritisch zu überprüfen – als schillernde, heterogene Zuschreibungen, eventuell gar als Labels oder Klischees, denen keine eindeutigen ‚Realitäten‘ entsprechen. Vielmehr werden sie von verschiedenen Akteur:innen aus politischen und gesellschaftlichen, ästhetischen und ökonomischen Gründen hergestellt und angewandt. Dies hat gravierende Folgen für die Autor:innen, da insbesondere Fremdzuschreibungen normative Kraft haben, Leben und Arbeit prägen und auf spezifische Weise (un)sichtbar machen. Zugleich arbeiten die Autor:innen selbst aktiv an bestimmten Begriffen und Bildern von Autorschaft mit, wobei ihre Selbstzuschreibungen in Wechselwirkung mit den sie umgebenden Umständen stehen.

Bei der Tagung wurden Autorschaftskonzepte im Kontext von Exil, Migration und Flucht analysiert, die sich als von diversen Akteur:innen des Literatursystems hergestellte Konstruk­tionen erweisen. (1) wurden die Autor:innen selbst in den Blick genommen, ihre Selbstrepräsentationen und ‑äußerungen, (nicht) genutzte mediale Handlungsräume und entworfene ästhetisch-poetologische Programme. Dem stehen Fremdzuschreibungen gegenüber, etwa (2) durch den literarischen Markt und die literarische Öffentlichkeit, die Publikation, Distribution, Rezeption und Kritik steuern. Zudem war (3) die Rolle der Solidaritätspolitik bei der Konstruktion von Autorschaft zu reflektieren und schließlich (4) die modifizierte Wahrnehmung im ursprünglichen Heimatland. Eine zentrale Rolle spielen dabei Themen wie Heimat und Fremde, Identität und Transkulturalität, Erinnerung und Verdrängung, Mobilität und Verortung, Sprechen und Schweigen. Sie durchqueren die diversen Konzepte von Autorschaft und profilieren auf diese Weise die großen Linien des Gesamtthemas multidimensionaler Konstruktionsprozesse von Autorschaft.