Fachbereich6
Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung
AG KommLab
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Schriftliche Befragung
Ziel von schriftlichen Befragungen ist die Sammlung von Informationen, die aus sonstigen Datenquellen nicht zu erschließen sind. Die Befragten werden als "Experten" betrachtet, um qualifizierte Aussagen zu einem Untersuchungsgegenstand zu machen. Die Befragten können Fachleute oder Nicht-fachleute sein.

Anwendung
Aufwand
Zielgruppe
Ergebnis/Wirkung
Zu beachten
Anwendungsbeispiele
Literatur


Für die schriftliche Befragung mit Fragebogen wird in der Regel ein standardisierter und strukturierter Fragebogen verwendet. Standardisiert bedeutet: Alle Befragten bekommen die gleichen Fragen vorgelegt. Unter strukturiert wird eine klar strukturierte inhaltliche Abfolge der Fragen verstanden. Die schriftliche Befragung ist eine Alternative zur mündlichen Befragung in Form von Telefoninterviews oder Interviews im direkten Kontakt zwischen InterviewerIn und den befragten Personen (face-to-face-Interview). Die schriftliche Befragung erscheint im Vergleich zur mündlichen auf den ersten Blick kostengünstiger und weniger zeitaufwendig. Probleme sind allerdings der üblicherweise geringe Rücklauf und das Fehlen jeglicher Kontrolle der Befragungssituation.

Anwendung
Aus wissenschaftlicher Sicht wurde der Fragebogen zum Prüfen relativ abgesicherter Hypothesen entwickelt. Dies schmälert seine Tauglichkeit für die Erhebung planungsrelevanter Informationen deutlich, geht es doch im Vorfeld von Planungen um die Sammlung von Informationen in einem weitgehend unbekannten Feld: Die Planenden sind an den bislang unbekannten Interessen und Vorstellungen bestimmter Zielgruppen interessiert. Weil jedoch deren Interessen und Vorstellungen unbekannt sind, können hierfür auch keine Antwortkategorien vorgegeben werden.
Beispiel: In einer Befragung zu städtischen Problemen wurden u.a. die Antwortkategorien: Verkehrsbelastung, Zersiedlung, Kriminalität, Umweltschädigung vorgeben. Damit wurde den Befragten signalisiert, dass ihre Meinung zu diesen Problemen gehört werden sollte. Ob dies allerdings die wesentlichen Probleme für die Befragten waren, blieb bei dieser Art der Befragung verborgen. Vielleicht hielten die Befragten fehlende Parkplätze vor ihrer Haustür, die Vermüllung des nahegelegenen Spielplatzes, steigende Arbeitslosigkeit, schlechte ÖPNV-Verbindungen am Abend bzw. den Hundekot auf den Bürgersteigen für wesentlich wichtigere städtische Probleme?

Vorgegebene Antwortkategorien bergen somit die Gefahr, die Befragten in ihrem Antwortverhalten zu beeinflussen.

Ein Ausweg besteht in der Formulierung von offenen Fragen, d. h. Fragen ohne Antwortvorgaben. Die Auswertung offener Fragen ist jedoch kompliziert und zeitaufwendig, da die Antworten kategorisiert und zu ähnlichen Antwortmustern zusammengefasst werden müssen. Damit entfällt ein wesentliches Moment der Effizienz dieses Erhebungsinstruments.

Weitergehende Informationen, z.B. über Bewertungen und Einstellungen von Bürgerinnen und Bürgern lassen sich durch eine Fragebogenaktion nur schwer ermitteln. Werden umfassendere Einschätzungen bezüglich eines Planungsvorhabens benötigt, ist es ratsam, eine schriftliche Befragung mit anderen Beteiligungsmethoden zu kombinieren. So können vorab erhobene Einschätzungen in einer anschließenden Gruppendiskussion oder Bürgerversammlung nachträglich "validiert", d.h. überprüft und damit in ihrer Richtigkeit abgesichert werden. Erhebungsergebnisse können je nach Situation auch durch systematische Beobachtungen überprüft werden.

Vergleichsweise unproblematisch ist dagegen die Erhebung von eher objektiven Merkmalen wie Wohnungsgröße, Miethöhe, Alter, Geschlecht, Haushaltsgröße etc.


Soll trotz dieser Einschränkungen auf den Einsatz von Fragebögen nicht verzichtet werden, so sind bei der Durchführung einer Fragebogenaktion folgende Arbeitsschritte relevant:

1.Stichprobenziehung
Die Auswahl bzw. die Stichprobe aus einer Population oder Grundgesamtheit (d.h. Bewohnerschaft eines Quartiers, Einwohner einer Gemeinde etc), muss nicht groß sein, sie muss vielmehr ein exaktes Abbild der Grundgesamtheit liefern: Wenn ich Aussagen über die Wohnumfeldqualität eines gesamten Quartiers erzielen möchte, so muss ich darauf achten, dass nicht bestimmte Gruppen und damit deren Vorstellungen überwiegen. Aus diesem Grund sollte der Anteil dieser Gruppen (Kinder, Jugendliche, SeniorInnen, Frauen, ArbeiterInnen, Angestellte, MigrantInnen etc.) in der Stichprobe weitgehend ihrem Anteil in der Grundgesamtheit des Quartiers entsprechen.

2. Erstellung des Fragebogens
Wichtig ist die Struktur: Sie sollte vom Allgemeinen zum Konkreten leiten und in den Themen nicht "springen". Es sollte auf umgangssprachliche Formulierungen geachtet werden. Theoretische Begriffe und Ausdrücke im Fachjargon (Aneignung, Infrastruktur, Funktionsmischung, Verkehrsbelastung, Nutzungskonkurrenz, Wohnzufriedenheit etc.) sind nicht direkt abfragbar, sondern müssen in alltagssprachliche Fragen "übersetzt" werden. In dieser alltagssprachlichen Formulierung müssen sie aber das erheben, was sie zu erheben vorgeben.
Für den Erfolg einer schriftlichen Befragung ist es wichtig, den Fragebogen verständlich und ansprechend zu gestalten.
Die Darstellung des Ziels der Befragung und der Verwendung der Ergebnisse sollte in einem Begleitschreiben mit dem Fragebogen mitgeschickt oder den zu Befragenden auf andere Weise bekannt gemacht werden. Je überzeugender für die Zielgruppe der Sinn einer Befragung ist, um so höher wird die Beteiligung sein. Ablehnungen aus Zeitgründen sind häufig ein Anzeichen dafür, dass die Untersuchungsgruppe den Sinn und Zweck der Befragung nicht nachvollzieht.

3. Pretest
Die scheinbare Nähe zu alltäglichen Frage-Antwort-Situationen lässt den Fragebogen als einfach zu erstellendes Instrument erscheinen. Tatsächlich zeigt sich im Verlauf der Erhebung sehr schnell, ob und wo er Schwächen hat. Da eine Korrektur im Verlauf des Befragungsprozesses ausgeschlossen ist, ist die Überprüfung des Fragebogens in einem vorgelagerten Pretest (Vor-Test) mit wenigen Personen unbedingt erforderlich.

4. Durchführung der Befragung
Die Fragebögen können persönlich verteilt, ausgelegt oder verschickt werden (verteilen bzw. auslegen bedeutet, dass ich keine Aussagen über die Grundgesamtheit machen kann, da ich nicht weiß, wer geantwortet hat). Die Hürde zur Beantwortung und Rücksendung des Fragebogens sollte möglichst gering sein. So ist es z.B. ratsam, bei einer Befragung per Post frankierte/adressierte Rückumschläge beizufügen.

5. Auswertung
Die Auswertung einer Befragung ist ein analytischer Vorgang, der die Kategorisierung und Interpretation der Äußerungen verlangt. Dies gilt besonders für offene Fragen: Bei der Auswertung stehe ich häufig vor dem Problem, was die "Botschaft" einer Antwort ist.

Aufwand
Für die Befragung mit Fragebogen spricht der relativ geringe finanzielle und personelle Aufwand. Jedoch brauchen die Erstellung eines Fragebogens und die Durchführung eines Pretests genügend Vorbereitungszeit.

Zielgruppe
Von einer Planungsaufgabe betroffene Bürgerinnen und Bürger.

Ergebnis/Wirkung
Erhebung planungsrelevanter Informationen. Allerdings wird die Wirkung häufig durch den geringen Rücklauf der Fragebögen bei einer schriftlichen Befragung geschmälert. Viele Bürgerinnen und Bürger sind gegenüber Fragebögen sehr skeptisch.

Zu beachten
Bei der Fragebogenkonstruktion, Durchführung und Auswertung der Befragungsergebnisse ist methodisches Fachwissen erforderlich. Manche Fragebogenaktionen sind gut gemeint, erzielen aber aufgrund ungünstig formulierter Fragen eher fragwürdige und damit nicht verwertbare Ergebnisse.

Anwendungsbeispiele
In einer Befragung sollten Studienanfängerinnen die Frage beantworten, was für sie die wichtigsten Gründe für die Aufnahme eines Studiums in Kassel waren. Eine der Antworten lautete: "Wohne schon länger hier." Wie interpretiere ich diese Äußerung? Handelt es sich um einen sozialen Grund (Nähe zum Elternhaus, zu Freunden und Bekannten)? Inwieweit spielen andere Gründe (finde die Stadt und ihre Umgebung schön, wollte weder in eine größere noch kleinere Stadt, wollte keine längere Anreise etc.) eine Rolle?

Literatur
Atteslander, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung, 6. neu bearb. u. erweit. Auflage, Berlin, New York: Walter de Gruyter, 1991

Friedrichs, Jürgen: Methoden der empirischen Sozialforschung, 12. Aufl., Opladen: Westdeutscher Verlag, 1984

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| AG KommLab | Letzte Änderung 05.06.2003 |