Nachrichten für gebildete Stände

Transfer und Transformation nationalkultureller Diskurse in Kulturzeitschriften um 1850

Projektverantwortlicher: Prof. Dr. Daniel Göske

Ziel dieses Projekts ist die exemplarische Rekonstruktion und Interpretation des Kulturtransfers entscheidenden Medium und Zeitraum: den diskursprägenden Kulturzeitschriften um 1850. Grundlage des Vorhabens ist die Annahme, daß jede Debatte über das identitätsstiftende kulturelle Erbe einer Nation, eines Staates, Volkes oder Kulturraums wesentlich von der (zumindest partiellen) Abgrenzung gegenüber der "Alterität" oder Andersartigkeit konkurrierender Nationen, Staaten, Völker, Kulturräume usw. beeinflußt wird. Die Zeit zwischen 1830 und 1860 ist in Westeuropa und Nordamerika gekennzeichnet von nationalistisch bzw. nationalkulturell getönten Profilierungstendenzen bei gleichzeitig stark steigender internationaler Kontakte, durch Reisetätigkeit, Migration, wirtschaftliche Verflechtung, publizistische Berichterstattung usw. Die damals neu entstehenden Wochen- und Monatsschriften für den gebildeten Mittelstand werden in dieser Zeit zum publizistischen Primärmedien des internationalen und interkulturellen Austauschs. Sie wurden bisher freilich nicht vergleichend und unter kulturhermeneutischer Perspektive erforscht. Dank der mittlerweile stark verbesserten Quellenlage (Datenbanken, elektronische Zeitschriften, "Forschungsbibliothek 18./19. Jahrhundert" der SUB Göttingen) ist es nun möglich, die Interdependenz der Diskussion um das jeweilige nationale Erbe komparatistisch und auf gesicherter Materialbasis zu studieren. Zunächst wird sich das Projekt auf den deutsch- und englischsprachigen Raum (v.a. Großbritannien und die USA) konzentrieren.
Die bibliographische Materialsammlung (Datenbank) soll als erstes Ergebnis das Fundament für die Interpretation bestimmter Themenkomplexe bieten. Dazu gehören die Rezeption wichtiger Autoren (Luther, Goethe, Schiller, Humboldt, Heine; Shakespeare, Scott, Dickens; Franklin, Cooper, Poe usw.) und Institutionen (Bibliotheken, Schulen, Universitäten, Presse, Zensurbehörden usw.). Hinzu kommen Themenkreise, die beiderseits des Atlantiks für die Debatte über das nationalkulturelle Erbe genutzt wurden: zentrale Aspekte der Nationalgeschichte (z.B. die Revolutionen in Amerika und Europa); zeitgenössische Arbeits- und Lebenswelten (inkl. Sklaverei, Leibeigenschaft); soziale Fragen und Minderheiten (Frauenfrage, Reformbewegungen); Wissenschaft und Bildungswesen; Religion; literarisches Leben (Buchmarkt, Copyrightfragen); Reisen und Tourismus. Die innovative Perspektive des Forschungsvorhabens liegt in seinem prinzipiell interdisziplinären, westeuropäisch-transatlantischen Zugriff auf interdependente, konkurrierende Konzepte nationaler Traditionen.

Stand: 24. August 2008