Kunststofftechnik: Forschung

Das Fachgebiet vereint die Forschungsschwerpunkte Werkstofftechnik und Kunststoffprozesstechnik. Eine ganzheitliche Betrachtungsweise steht hierbei im Vordergrund. Betrachtet werden sowohl grundlagenorientierte als auch anwendungsbezogene Aufgabenstellungen. Forschungsziele sind die Aufklärung der Zusammenhänge zwischen Mikrostrukturen und Eigenschaften von Polymerwerkstoffen, Verbundwerkstoffen mit polymerer Matrix sowie Werkstoffverbunden unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen von Fertigungsverfahren.


Forschungsgebiete und Abteilungen

Anwendungszentrum UNIpace

UNIpace wurde 2013 gemeinsam mit der B. Braun Melsungen AG gegründet. Die Aufgabe ist es, industrienahe Forschung zu betreiben und Dienstleister für die Industrie zu sein. Das Anwendungszentrum beschäftigt sich vor allem mit der Verarbeitung von Elastomeren, insbesondere von Silikonkautschuk. Flüssigsilikonkautschuk (=LSR) wird im Spritzgießverfahren, im Mehrkomponentenspritzgießverfahren in Kombination mit verschiedenen Thermoplasten und im LAM-Verfahren verarbeitet. Festsilikonkautschuk (HCR) wird mit Hilfe eines Mischers compoundiert und in der Regel mittels Extrusion oder mit dem Formpressen verarbeitet. Zusätzlich zu den Verarbeitungsmaschinen gibt es folgende Prüfgeräte: Rückprallelastizität, Härte, Reißfestigkeit, IR-Spektroskopie, Kapillarrheometer, RPA, Klimakammer und FTIR.

Derzeit beschäftigt UNIpace sechs wissenschaftliche Mitarbeiter, drei technische Mitarbeiter und 5 studentische Hilfskräfte. Das Anwendungszentrum arbeitet mit über 30 Unternehmen zusammen.

Bild: Blafeld
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Materialien und Strukturen

Die skalenübergreifende Werkstoffentwicklung beginnt bei der Einbringung von Nanopartikeln oder molekularen Funktionseinheiten und setzt sich über die gezielte Einstellung von Überstrukturen (kristalline Phasen oder Molekülorientierungen) und die makroskopische Anordnung von Fasern, Schichten oder Partikelclustern fort. Das Ziel der Forschungsinhalte ist es, materialübergreifend Mechanismen auf den einzelnen Größenskalen zu verstehen und Wechselwirkungen sowie Übertragbarkeiten der verschiedenen Größenskalen experimentell zu untersuchen und modellhaft zu beschreiben. Hierbei spielen insbesondere das anisotrope mechanische Verhalten, Grenzflächeneigenschaften und Schädigungs­mechanismen eine wichtige Rolle.

Grundlegende Erkenntnisse zu Skaleneffekten werden durch die Nutzung von hochauflösenden bildgebenden Charakterisierungsmethoden (z.B. µCT) gewonnen, die bei einer in-situ-Anwendung auch zur Identifizierung des struktur- und lastabhängigen Werkstoff- und Ermüdungsverhaltens genutzt werden soll. Auftretende skalenübergreifende Wechselwirkungen werde mit Hilfe von phänomenologischen und physikalischen Modellen berechnet.

Der materialübergreifende Einsatzbereich der geplanten Methoden spiegelt sich auch in den Projekten der Abteilung wider, in denen u.a. glasfaserverstärkte technische Thermoplaste in hybrider Verbindung mit Leichtmetallen, geschäumte thermoplastische Strukturen, eigenverstärkte Kunststoffe sowie biogene und funktionalisierte Materialien eingesetzt werden.

Bild: ifw
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In der Abteilung „Biokunststoffe“ werden Bioverbundwerkstoffe aus biobasierten Kunststoffen und natürlichen Rohstoffen wie Stärke, Holz oder Cellulose hergestellt und charakterisiert. Bei der Herstellung biobasierter Verbundwerkstoffe spielen die Verarbeitungsparameter eine entscheidende Rolle. Komponenten aus nachwachsenden Rohstoffen sind meist empfindlicher als Materialien aus Erdöl oder Glas. Bei der Charakterisierung werden mechanische, thermische und chemische Eigenschaften der Bioverbundwerkstoffe untersucht. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Alterung bzw. der Langzeitbeständigkeit biobasierter Verbundwerkstoffe. Im Rahmen des Forschungsverbundes „BeBio2“ werden verschiedenste Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe für Branchen aus dem medizinischen Bereich, der Elektro- und Automobilindustrie sowie dem Consumerbereich auf Ihre Beständigkeit untersucht. Wir arbeiten stetig im engen Kontakt mit zahlreichen Unternehmen, um die Bioverbundwerkstoffe der Zukunft zu entwickeln.

Die Abteilung der „Biokunststoffe“ ist dem Forschungsschwerpunkt „Materialien und Strukturen“ zugeordnet.

Bild: ifw
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Funktionen und Digitalisierung

In der Abteilung Funktionenintegrierende Fertigung bildet die Funktionalisierung von Kunststoffen den thematischen Schwerpunkt. Die Funktionalisierung kann über eine in situ-Additivierung, Oberflächenmodifizierungen oder mit dem Einsatz von Mehrschichtsystemen erfolgen, um weitere physikalische, chemische oder biologische Eigenschaften nutzbar zu machen. Anwendungsbeispiele sind in der Aktorik, Sensorik, Elektrolumineszenz, Photovoltaik oder Lab on Chip-Technologie zu finden. Die zusätzlichen Funktionen werden dabei über wärme- oder elektrisch leitfähige Additive wie Kohlenstofffasern, CNT (carbon nanotubes) oder Graphit eingebracht. Zur Erzeugung von elektrischer Energie können Quantendots, zur Verdunkelung transparenter Scheiben elektrochrome Schichtsysteme zum Einsatz kommen.

Das Ziel der Funktionenintegrierenden Fertigung ist die Anpassung und Weiterentwicklung gängiger Kunststoffverarbeitungsverfahren auf die neuen Materialsysteme. Dabei können Verarbeitungseffekte sowohl optimierend (z.B. Füllstoffanordnung und -orientierung) als auch limitierend (z.B. thermischer Abbau, Schereffekte) auftreten. Diese Kenntnisse sind elementar, um die innovativen Anwendungen serientauglich auch im großen Maßstab nutzbar zu machen. Dazu wurde im Jahr 2020 das Anwendungszentrum UNIfipp (function integrating polymer processing) gegründet. UNIfipp soll als Plattform dienen, um mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft in den zentralen Themenfeldern Additive Fertigung, Herstellung von Schichtsystemen sowie dem Compoundieren und Blenden zusammenzuarbeiten.

Simulationsmethoden wie CFD (Computational Fluid Dynamics) und Struktursimulationen sind seit vielen Jahren in der Kunststofftechnik etabliert. So wird z.B. kaum ein Spritzgießwerkzeug ohne eine vorherige Simulation mit Moldflow, Moldex oder vergleichbaren Softwareprodukten hergestellt. Auch die Berechnung von strukturellen Eigenschaften ist in der praktischen Anwendung etabliert.

Dennoch gibt es immer wieder offene Fragestellungen für z.B. spezielle Simulationsaufgaben, wie für geschäumte Bauteile oder für das anisotrope Verhalten von fasergefüllten Kunststoffen. Diese Fragestellungen werden in der Abteilung Simulation und Machine Learning aufgegriffen.

Darüber hinaus haben Methoden der künstlichen Intelligenz ein großes Potential für die Modellierung von Kunststoffverarbeitungsprozessen und Werkstoffen. Insbesondere wenn Modelle gefragt sind, die sehr unterschiedliche Daten, wie Prozessdatenverläufe, hochaufgelöste Strukturdaten, Bilddaten und auch Erfahrungswissen integrieren sollen, bieten die Methoden des Machine Learnings einige hoch interessante Ansätze. Wir versuchen diese auf die Kusntstofftechnik zu übertragen. Einsatzbereiche sind Anfahrprozesse für Maschinen, die Prozessüberwachung oder die automatisierte Erkennung von Prozessinstabilitäten. Dabei werden sowohl Methoden des überwachten Lernens als auch unüberwachte Lernmethoden sowie z.B. das Transferlearning verwendet.

Bild: ifw
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