Reflexives Lernen mit ePortfolio

Kurzbeschreibung

Damit angehende Lehrpersonen Expert:innen für Lehren und Lernen werden können, sollten sie Lerngelegenheiten erhalten, um sich gezielt mit ihrem eigenen Lernen auseinanderzusetzen. Dazu wurde die auf Reflexion ausgerichtete Lernumgebung mit ePortfolio entwickelt, die es Lehramtsstudierenden ermöglicht, den Prozess ihres Wissens- und Kompetenzerwerbs reflexiv zu begleiten.

Laufzeit des Teilprojekts:
2015 – 2023


Förderung:
BMBF im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung

Hochschuldidaktische Innovation

In einer Einführungsvorlesung in der Schulpädagogik mit 200 - 250 Lehramtsstudierenden, zu der es auch regelmäßige Tutorien gibt, wird mit digitalem Portfolio gearbeitet. Die Studierenden erhalten einen Aufgabenpool mit etwa 20 Aufgaben, aus denen sie drei zur Bearbeitung frei wählen können (s. Material „Auszug aus dem Aufgabenpool“). Die Qualität ihrer Aufgabenbearbeitungen schätzen die Studierenden mithilfe standardisierter Items selbst ein. Zu jeder Aufgabenbearbeitung erhalten sie von ihrem Tutor oder ihrer Tutorin mithilfe der standardisierten Items eine Rückmeldung (s. Material „Selbst- und Fremdeinschätzung“). Die Studierenden erhalten auch die Gelegenheit, eine übergreifende Selbsteinschätzung ihres Lernfortschritts in dieser Veranstaltung vorzunehmen, und zwar zum wissenschaftlichen Arbeiten und zu ihrer Arbeit mit ePortfolio (s. Material „Competence Training Scale“). Zur Unterstützung beim Erstellen der ePortfolios gibt es für die Studierenden Erklärvideos (s. Weiterführende Informationen).

Ausgewählte Forschungsbefunde

Die Studierenden wurden zu ihrer Reflexionsbereitschaft befragt und sie sollten den Reflexionsanregungsgehalt der Aufgaben einschätzen. Beide Konstrukte wurden selbst entwickelt (s. Material „Skalen Reflexionsbereitschaft und Reflexionsanregungsgehalt der Aufgaben“).

Die Reflexionsbereitschaft wird als Basiskonstante des beruflichen Selbstlernprozesses und Grundhaltung angehender Lehrpersonen verstanden. Außerdem stellt sie ein vermittelndes Element reflexiver Kompetenzentwicklung dar. Der Reflexionsanregungsgehalt der Aufgaben bildet hingegen die Einschätzung der didaktischen Ausgestaltung der Lernumgebung ab (Busse, 2021; Busse & Bosse, 2020; Bosse, 2016; Niggli, 2004).

Abb: Boxplots zu den Skalen Reflexionsbereitschaft und Reflexionsanregungsgehalt der Aufgaben

Während die Studierenden ihre Reflexionsbereitschaft über dem theoretischen Mittelwert einschätzen (Mdn = .56, MW = .57, SD = .11, N = 160), wird der Reflexionsanregungsgehalt der Aufgaben um den theoretischen Mittelwert eingeschätzt (Mdn = .50, MW = .50, SD = .11, N = 160): Ausreißer schätzen den Reflexionsanregungsgehalt im unteren Viertel der Skala ein (vgl. Abb.). Ausgehend von der Annahme, dass beide Konstrukte positiv miteinander korrelieren, zeigt sich, dass die Reflexionsbereitschaft und der Reflexionsanregungsgehalt der Aufgaben in einem moderaten positiven Zusammenhang (t = .48, p <.01, N = 160) miteinander stehen: Je höher die Reflexionsbereitschaft ausgeprägt ist, desto anregender werden die in der Lernumgebung bearbeiteten Aufgaben zur Reflexion eingeschätzt (Busse, 2021).

Materialien

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Hintergrund: Aufgabenpool

In der Vorlesung „Einführung in die Pädagogik der Sekundarstufen“, die die Erstsemester in den Bildungswissenschaften besuchen, wird der Pool an zu wählenden Aufgaben eingesetzt. Zur Vorlesung besuchen die Studierenden begleitende Tutorien. Das digitale Portfolio ist die zu bewertende Prüfungsgrundlage für den Abschluss des Einführungsmoduls. Es gibt drei Arten von Aufgaben:

  • reflexiv ausgerichtete Aufgaben, bei denen Studierende ihre Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit oder aus ersten eigenen Erfahrungen mit Unterrichten reflektierend einbeziehen
  • Aufgaben, die der Vertiefung wissenschaftlicher Fragestellungen dienen
  • Aufgaben, bei denen das wissenschaftliche Arbeiten zu  schulpädagogischen Inhalten  im Zentrum steht

Jede Aufgabe bekommt einen „reflexiven Kopf“. Das bedeutet, dass die Studierenden einführend kommentieren, warum sie die  Aufgabe ausgewählt haben und was sie sich von der Bearbeitung versprechen. Im „reflexiven Fazit“ resümieren sie, wie sie mit der Bearbeitung der Aufgabe zurechtgekommen sind und worin sie den Gewinn der Aufgabenbearbeitung sehen. Außerdem verfassen die Studierenden für ihr ePortfolio eine abschließende reflexiv ausgerichtete individuelle Standortbestimmung am Ende des ersten Semesters. Grundsätzlich gilt, dass alle reflexiv ausgerichteten Texte mit Bezug auf die individuelle Situationseinschätzung als Lehramtsstudierende mit Blick auf den angestrebten Beruf nicht in die Bewertung einfließen.

Die Aufgaben sollen die reflexive Kompetenzentwicklung fördern. Dazu ist  zu klären, welche Bereitschaft die Studierenden zur Reflexion aufweisen und wie sie den Reflexionsanregungsgehalt der Aufgaben einschätzen. Dies  geschieht mithilfe der hier veröffentlichten Skalen.

Hier können Sie einen Auszug aus dem Aufgabenpool herunterladen.

 

Die Items zur Selbst- und Fremdeinschätzung finden Sie hier.

Die Competence Training Scale finden Sie hier.

Reflexionsbereitschaft als Element professioneller Kompetenz benötigt einen subjektiv bedeutsamen Kontext benötigt und wird als vermittelndes Element zwischen Wissen, Überzeugungen und Erfahrungen im Rahmen reflexiver Kompetenzentwicklung verstanden (Voss et al., 2017; Roters, 2012; Leonhard & Rihm, 2011; Dewey, 1938/1955). Dabei wird sie als Basiskonstante angesehen und angenommen, dass sie im Professionalisierungsprozess angehender Lehrer*innen eine Grundhaltung für die kontinuierliche Weiterentwicklung der eigenen pädagogischen Handlungsfähigkeit darstellt (Busse & Bosse, 2020; Niggli, 2004).

Inwieweit ePortfolio basierte Lernumgebungen reflexive und kognitive Prozesse anregen, auch durch spezifische Aufgaben, die in einem Pool zur Verfügung gestellt werden, wird durch die Skala Reflexionsanregungsgehalt der Aufgaben erfasst.

Beide eigens entwickelten Konstrukte - Reflexionsbereitschaft und der Reflexionsanregungsgehalt der Aufgaben -  wurden jeweils über eine vierstufige Skala (trifft gar nicht zu (1) bis trifft voll und ganz zu (4)) im Rahmen des Online-Tests erhoben (Busse, 2021). Zur besseren Darstellung wurde der Wertebereich von 1 bis 4 in 0 bis 1 transformiert, wobei hohe Werte eine hohe inhaltliche Zustimmung bedeuten. Auf Basis der zugrundeliegenden Stichprobe zum erhobenen Messzeitpunkt mit einem Wert von Cronbachs α = .86 ist die Reliabilität Skala Reflexionsbereitschaft insgesamt zufriedenstellend, ebenso die Reliabilität der Skala zum Reflexionsanregungsgehalt der Aufgaben ist mit α = .84 in dieser Stichprobe zufriedenstellend.

Die Skalen Reflexionsbereitschaft & Reflexionsanregungsgehalt finden Sie zum Download hier.

Tab. 1: Kennwerte der Skalen Reflexionsbereitschaft & Reflexionsanregungsgehalt der Aufgaben

Weiterführende Informationen

Bosse, D. (2016). Digitales Sammeln: Das ePortfolio in der Lehrerbildung – Stärken entdecken, Potentiale entfalten. In M. Kekeritz, B. Schmidt & A. Brenne (Hrsg.), Vom Sammeln, Ordnen und Präsentieren. Ein interdisziplinärer Blick auf eine anthropologische Konstante (S.83-96). München: kopaed.

Busse, A. (2021). Reflexive Kompetenzentwicklung in der Lehrer*innenbildung. Mit Podcasts im ePortfolio auf dem zur Professionalität [Dissertation]. Wiesbaden: Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35078-9

Busse, A. & Bosse, D. (2019). Peer-Learning vom Studienbeginn bis ins Referendariat – ePortfolio gestützte Lernszenarien. journal für lehrerInnenbildung, 19(3), 66-72. https: //doi.org/10.35468/jlb-03-2019_06

Busse, A. & Bosse, D. (2020). Reflexive Kompetenzentwicklung mit ePortfolio im Professionalisierungsprozess angehender Lehrpersonen. In BMBF (Hrsg.), Profilbildung Lehramt – Beiträge der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ zur individuellen Orientierung, curricularen Entwicklung und institutionellen Verankerung (S.54-65). Berlin: BMBF.

Busse, A., Bosse, D., Panow, M., Hartenbach, A., & Specht, J. v. (2022). Reflexive Kompetenzentwicklung – Vier Lernszenarien eines phasenübergreifenden ePortfolios. In J. Klusmeyer & D. Bosse (Hrsg.), Konzepte reflexiver Praxisstudien in der Lehrer*innenbildung (S. 249-272). Wiesbaden: Springer VS. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-35483-1_9

Niggli, A. (2004). Welche Komponenten reflexiver beruflicher Entwicklung interessieren
angehende Lehrerinnen und Lehrer? – Faktorenstruktur eines Fragebogens und erste
empirische Ergebnisse. Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften, 26(2),
343–364.

Wedde, S. (2023). Professionalisierung von Lehramtsstudierenden durch das Lernformat Vergleichen. [Dissertation]. Kassel.

Erklärvideos zum Erstellen eines ePortfolio für Studierende & Lehrende: https://mahara.uni-kassel.de/view/view.php?t=c7561dc16622cae5f620

 

Ansprechpersonen

Prof. Dr. Dorit Bosse
bosse@uni-kassel.de

Sonja Wedde, M.A.
sonja.wedde@uni-kassel.de

Dr. Annette Busse
abusse@uni-kassel.de