2014 Israel
21.-29. April 2014 Israel: Jerusalem – Tefen – Hazorea – Tel Aviv
(Organisation und Leitung: Jakob Baier, Edith Glaser, Bernd Overwien)
Schulische und außerschulische Integrationsprojekte in Israel
Direkt an der „Green Line“, zwischen einer arabischen Gemeinde und einem israelischen Viertel, im Süden Jerusalems liegt symbolträchtig eine der 15 Schulen von „Hand in Hand“. Diese war eines der Ziele der Israel-Exkursion. Deutsch-jüdische Kulturgeschichte, Erinnerungskultur, Integration und Friedenspädagogik waren die Themen, welche 22 Lehramtsstudierende in Begleitung von Edith Glaser (FB 01, Fachgebiet Historische Bildungsforschung), ihrem Mitarbeiter Jakob Baier und Bernd Overwien (FB 05, Fachgebiet Didaktik der Politik) Ende April für eine Woche in Jerusalem, Tel Aviv und Westgaliläa führte.
Vorbereitet mit einem Seminar zur Geschichte und Gegenwart des israelischen Bildungswesens im Wintersemester 2013/14 startete die Exkursion zunächst mit einer Stadtführung in Jerusalem. Beim Besuch in Yad Yashem wurde uns die Gedenkstätte mit seinem Museum nicht nur als Ort der kollektiven Erinnerung gezeigt. Ein Historiker und Mitarbeiter der Internationalen Schule für Holocauststudien berichtete von seiner Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und erklärte uns die Veränderungen in der Ausstellungskonzeption als eine Veränderung der Erinnerungskultur in Israel. Dieses Thema war am Abend im Goethe-Institut dann noch einmal Gegenstand des Gesprächs mit dem Historiker und ehemaligen Rosenzweig-Gastprofessor Moshe Zimmermann. Sehr pointiert sprach er über Erinnerung als nationale Identitätsbildung und für die Funktionalisierung parteipolitischer Interessen. In den 1980er Jahren verabschiedete sich die in Frankfurt am Main lebende jüdische Lehrerin Lea Fleischmann mit ihrem Buch „Das ist nicht mein Land“ aus Deutschland und siedelte nach Israel über, wo sie seitdem als Autorin arbeitet. Bei einer Lesung mit anschließender Diskussion, die ebenfalls im Goethe-Institut Jerusalem stattgefunden hat, reflektierte sie vor allem die religiöse Dimension in der Familienerziehung Israels.
Dass es neben dem East-Western-Divan-Orchestra von Daniel Barenboim noch weitere Projekte zur Verständigung im territorialem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern gibt, sollte die Exkursion ebenfalls zeigen. Der gemeinsame Schulbesuch von arabisch und hebräisch sprechenden Kindern vom Kindergarten bis zur Highschool und der bilinguale Unterricht sowohl in Hebräisch als auch Arabisch ist das Ziel des Zentrums für jüdisch-arabische Bildung. In den hohen Anmeldezahlen für diese Schulen und in dem gemeinsamen Miteinander auf dem Pausenhof drückt sich der Erfolg einer intensiven Elternarbeit und von Teamteaching im Klassenzimmer wie auch die Unzufriedenheit mit dem separierenden staatlichen Schulwesen aus. Auch auf Zweisprachigkeit ausgerichtet sind die Begegnungsprojekte des Peres-Center for Peace. Die Leiterin des Sports Department berichtete über verschiedene aktuelle Projekte der Einrichtung und beschrieb die Erfolge und Herausforderung bei der Initiierung von gemeinsamen Sportprojekten von Israelis und Palästinensern. So werden beispielsweise im Projekt „Fair Play“ Fußballmannschaften gebildet, in denen Kinder und Jugendliche aus arabischen und jüdischen Gemeinden zusammen trainieren und spielen. Dabei wird auch die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern in der palästinensischen Autonomiebehörde angeregt, sodass bei gemeinsamen Turnieren, gemischte Jugendmannschaften bestehend aus israelischen und palästinensischen Kindern und Jugendlichen im freundschaftlichen Wettbewerb aufeinandertreffen. Über diese seit zwölf Jahren praktizierte Form der Friedenserziehung mit allen Schwierigkeiten informierten die engagierten Vertreterinnen dieser NGO.
Einen anderen Weg der Verständigung geht Stef Wertheimer. Er gründete Industrieparks, um Start-ups in der Peripherie in des Landes zu fördern und zugleich Industrie und Kultur zu verbinden. In einem dieser Industrieparks in Tefen interessierte uns darüber hinaus speziell das Jeckes-Museum, das Zentrum für deutschsprachige Juden. Hier wie auch im Archiv in dem nahegelegenen Kibbuz Hasorea werden die Briefe, Urkunde, Fotographien und zahlreiche Gegenstände verwahrt, die jüdische Immigranten aus ihrer alten Heimat in den 1920er und 1930er Jahren mitbrachten. Darunter befindet sich auch eine Kunstsammlung des deutschen Geschäftsmannes Wilfrid Israel, an dessen mutige Rettungsaktionen zahlreicher deutscher Juden hier erinnert wird. Für den Kibbuz Hasorea, der eine Gründung aus der sozialistischen jüdischen Jugendbewegung war, dokumentieren die Fotographien die Aufbauarbeiten, aus denen heute eine kleine Gemeinde geworden ist.
Spuren von Kunst aus dem Deutschland der Weimarer Zeit finden sich im Bauhaus-Viertel in Tel Aviv. Eine Führung durch die Straßen rund um den Dizengoff-Platz zeigte, wie sich diese Architektur der Lebensreform und der Moderne den regionalen Verhältnisse angepasst hat. Die Graffitis an den Wänden in Florentin, dem Friedrichshain Tel Avivs, haben noch nicht den Kultstatus der Berliner East-Side-Gallery, aber bei der kenntnisreichen, aufklärerischen Führung kamen Integration und Erinnerung als zentrale Themen der Exkursion wieder in bildnerischer Weise zum Ausdruck. In einer anderen Sprache, in der der Journalistin, diskutierte Gisela Dachs, Korrespondentin der ZEIT in Tel Aviv, mit den Studierenden über das israelische Schulwesen, die widersprüchliche Rolle des Militärs als Emanzipationsort und die Stellung der Frau in der israelischen Gesellschaft.
Obwohl das Konzept dieser Exkursion nicht die Zustimmung einschlägiger Geldgeber fand, so konnte sie doch ganz im Sinne der Verbesserung der Lehre über QSL-Mitteln und mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung sowie des Bildungs- und Förderungswerkes der GEW zu einer klassischen Bildungsreise im klassischen Sinn bzw. zu einer Den rejsende Højskole im alternativen Sinn werden.
Edith Glaser/Bernd Overwien