Adoleszenz als Herausforderung für professionelle Lerngemeinschaften an Brennpunktschulen

Aktuelles

Prof. Dr. Dorit Bosse und Annette Busse von der Universität Kassel auf eurasischem Kongress in Yaroslavl

Prof. Dr. Dorit Bosse und Annette Busse konnten ihre seit zwei Jahren bestehende Kooperation mit dem Institut für Bildungsentwicklung Yaroslavl weiter intensivieren. Die beiden Erziehungswissenschaftlerinnen der Universität Kassel waren eingeladen, auf dem"Eurasian Educational Dialogue" vom 26. bis 27. April 2018 in Yaroslavl zwei Vorträge über ihr Kooperationsprojekt zu „Professionellen Lerngemeinschaften von Lehrer*innen“ zu halten. An dem internationalen Kongress nahmen 800 Wissenschaftler*innen, Vertreter*innen der Bildungsadministration und Schulpraktiker*innen teil. Dorit Bosse und Annette Busse stellten ihre Forschungsarbeiten vor, über die derzeit gemeinsam mit Dr. Olga Tikhomirova,Natalia Borodkina und Prof. Dr. Angelina Zolotarewavom Yaroslavler Instituteine gemeinsame Publikation und ein binationaler Forschungsantrag entsteht. Ein Gegenbesuch der russischen Kooperationspartnerinnen aus Kassels Partnerstadt ist bereits in Planung. 

Russisch-deutsche Forschungskooperation in der Lehrer*innenbildung zu „Kooperationen von Lehrkräften an Schulen in sozial belasteten Kontexten der Sekundarstufe I“

Auf Einladung der russischen Kolleginnen Prof. Dr. A.W. Solotarewa, Dr. Olga V. Tikhomirova und Natalia V. Borodkina des Instituts für Bildungsentwicklung (IRO) fand im Oktober 2015 der erste gemeinsame Workshop parallel zur 75-Jahr-Feier des Instituts in Yaroslavl statt. Dieser feierliche Rahmen bot die Möglichkeit, inhaltliche Schnittmengen zu sondieren, u.a. im Rahmen einer Hospitation während einer ganztägigen Lehrerfortbildung und bilaterale Gespräche. 

Auf dieser Basis wurde eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Institut für Bildungsentwicklung und der Universität Kassel formalisiert, um eine Strategie für die zukünftige gemeinsame Forschungskooperation zu entwerfen. Inhaltliche Basis werden dabei sog. Professionelle Lerngemeinschaftenin sozial belasteten Schulen bilden, die sich besonders effektiv auf die Entwicklung einer effektiven kollegialen Zusammenarbeit auswirken können, u.a. durch die gemeinsame Ausarbeitung und Gestaltung schülerorientierten Unterrichts in der Sekundarstufe. In Professionellen Lerngemeinschaften arbeiten Lehrkräfte so zusammen, dass sie sich über ihren Unterricht sowie das Lernen ihrer Schülerinnen und Schüler austauschen, um dadurch ihren Unterrichtmit dem Ziel der Verbesserung des sozialen und fachlichen Lernens ihrer Schülerinnen und Schüler zu fördern. Durch diesen Ansatz werden Schul- und Unterrichtsentwicklung miteinander verknüpft, zugleich entwickelt sich unter den Lehrkräften ein gemeinsamer pädagogischer Ethos, der sich in geteilten Wertvorstellungen über Lehren, Lernen und Erziehung widerspiegelt. 

Die Bedeutsamkeit dieses Ansatzes in Russland zeigte sich während eines zweiten Workshops im Januar 2017, der in die russlandweite Konferenz Pedsowet 76 eingebunden war. Die inhaltliche Schnittmenge wurde im gemeinsamen Austausch, auch über die spefizische Forschungslage in den beiden Ländern, weiter herausgearbeitet. Es wurde deutlich, dass in beiden Ländern das Einzelkämpfertum bei Lehrkräften weit verbreitet ist, gerade auch bei jenen, die an Schulen in sozial belasteten Kontexten arbeiten. Zur Unterstützung der Lehrkräfte ist eine engere Zusammenarbeit auf fachlicher wie überfachlicher Ebene wichtig, um der beruflichen Einsamkeit im Interesse einer Stärkung ihrer Professionalität durch den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen entgegenzuwirken. Es deutet sich auch ein Bedarf an Fortbildungen an, die sich neben der fachspezifischen Kooperation auch auf überfachliche Aspekte des Unterrichtens beziehen, etwa auf Fragen der Motivation von Schülerinnen und Schülern, Formen des selbstständigen Lernens, effektiven Formen der Unterrichtsgestaltung und Möglichkeiten zur formativen Diagnostik von Schülerleistungen und fachlichen Lernfortschritten. 

Im Anschluss an diese Konferenz fand im Herbst 2017 ein viertägiges Forschungstreffen an der Universität Kassel statt. Prof. Dr. A.W. Solotarewa, Dr. Olga V. Tikhomirova, Natalia V. Borodkina berichteten u.a. im Zentrum für Lehrerbildung über den Fortgang ihrer Forschung. Sie erhielten Gelegenheit zur Unterrichtshospitation am Kasseler Goethe-Gymnasium und bekamen einen Einblick in die universitäre Ausbildung angehender Lehrkräfte in Kassel. Außerdem fand für die drei Kolleginnen aus Yaroslavl ein Empfang der Stadt Kassel statt, der mit einem Besuch des Kasseler Stadtmuseums abgerundet wurde. 

Um das geplante zukünftige Forschungsvorhaben zu fokussieren, wird derzeit untersucht, welche Bedingungen für die Bildung von kollegialen Gemeinschaften entscheidend sind. Des Weiteren soll ausgelotet werden, worin sich die auf russischer und deutscher Seite entwickelten Ansätze von kollegialen Gemeinschaften unterscheiden und inwieweit die in Jaroslawl und Kassel eingesetzten entsprechenden Befragungsinstrumente zukünftig gemeinsam verwendet werden könnten, etwa im Rahmen eines binational zu beantragenden Forschungsprojekts. 

(Ausführlich siehe in Busse & Bosse, 2018)

Publikationen

Busse, A. & Bosse, D. (2018). Perspektiven einer Russisch-deutschen Forschungskooperation im Bereich Lehrerbildung zum Thema „Professionelle Lerngemeinschaften an Schulen in sozial belasteten Kontexten der Sekundarstufe I“. In G. Gorzka (Hrsg.), Zwischen Annäherung und Distanz: 30 Jahre Deutsch-Russische Kulturbeziehungen (1988-2018) am regionalen Beispiel Kassel (S.50-51).Kassel: university press. 

Busse, A. & Bosse, D. (2017). К развитию профессиональных обучающихся сообществ в школах, работающих в сложных социальных контекстах: подготовка совместного российско-германского научного исследования (On Development of Professional Learning Communities at Schools Operating in Difficult Social Contexts: Preparation of a Joint Russian-German Research). Образовательная панорама, 1(7), 48-57. 

Bosse, D. (2013). Der Weg zurück  – Über Hilfen für schulabsente Jugendliche. In: Friedrich Verlag in Zusammenarbeit mit Boldt, U., Hascher, T., Horstkemper, M., Leuzinger-Bohleber, M. & Stecher, L.(Hrsg.) Schüler. Wissen für Lehrer. Heft 2013: Pubertät, 123-125.

Pilotstudie

Projektbeteiligte

Prof. Dr. Dorit Bosse (L)
Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber (L)
Prof. Dr. em. Rudolf Messner (L)

Laufzeit: 2012-2014

Finanzierung: ZFF der Universität Kassel

Beschreibung
Im Mittelpunkt des Projekts steht die Frage, wie Lehrerteams im Sinne von Professionellen Lerngemeinschaften im Umgang mit adoleszenten Schülerinnen und Schülern in Brennpunktschulen unterstützt werden können. In enger Kooperation mit einer Hauptschule wurde gemeinsam in Form einer „Werkstatt pädagogischen Handelns“ an konkreten Unterrichtsproblemen und Einzelfällen von Schülerinnen und Schülern ein Unterstützungskonzept erarbeitet, das der Stärkung der pädagogischen Kompetenz der Lehrkräfte im Sinne einer „shared responsibility“ dienen soll. Ziel des geplanten Projektes ist es, die Lern- und Leistungsfähigkeit adoleszenter Schülerinnen und Schüler zu stärken. Der konzeptionelle Entwicklungsprozess als Vorbereitung eines Forschungsprojekts wird durch kriteriengeleitete Unterrichtsbeobachtung, Interviewbefragung und Fallvignetten evaluativ begleitet.