Forschung

Das Team von ARCHITEKTUR STADT ÖKONOMIE verfügt über Erfahrung in den Forschungsbereichen Wohnverhältnisse und Bodenpolitik, feministische und CARE Praktiken in der Architektur, diasporische Studien zu Raumbeziehungen und Eindämmung des ökologischen Fußabdrucks in der Bauwirtschaft. Wir widmen uns insbesondere der Frage von Angebot und Nachfrage im Wohnungsbau, insofern sie sich mit dem Thema Leerstand und Klimagerechtigkeit, d.h. der Umverteilung von Eigentumsrechten, überschneidet. Unser Team begrüßt Forschungskooperationen, insbesondere solche, bei denen sich verschiedene Forschungsbereiche und Erfahrungen überschneiden.

Aktuelle Forschungsprojekte:

 

In Planung: Forum für sozial-ökologische Bauwirtschaft und Projektentwicklung

Das Forum für sozial-ökologische Bauwirtschaft und Projetentwicklung peilt die grundlegende Beschäftigung mit sozialen und ökologischen Verhältnissen und Transformationsprozessen der Bauwirtschaft an. Es sind oft ökonomische Argumente, durch die nötige Paradigmenwechsel in der Bauwirtschaft verzögert werden, oder soziale und ökologische Forderungen im Bauen für unrealisierbar erklärt werden. Im Gegensatz dazu formuliert das politiktheoretische Konzept der Radikalen Demokratie ein Denken wie auch Praktiken demokratiepolitisch positionierter Alternativen.[1] Klimakrise und wachsende soziale Krise fordern radikal neue Konzepte und Perspektiven einer sozial-ökologischen Bauwirtschaft und Projektentwicklungsprozesse. Das inkludiert die kritische Auseinandersetzung mit Normen, Bauordnung, Stadtentwicklungsplänen, Bebauungs-/Widmungsplänen, Richtlinien und Gestaltungsprozessen, sind diese doch stets in Bearbeitung und im Spannungsfeld von Praxis, politischer Auseinandersetzung und wissenschaftlicher Forschung. Im Rahmen der Praxis-orientierten Forschung ist die Realisierung von Demonstrationsvorhaben in der weiteren Region von Kassel ein langfristiges Ziel.

 

Das „Forum für sozial-ökologische Bauwirtschaft und Projektentwicklung“ entwickelt nachhaltige Impulse und Konzepte in Hinblick auf bauliche Qualität, zukunftsfähige Ökologie und gerechtere Raumverteilung.

 

Im internationalen Austausch ist im Forum der globalen Debatte über Real Estate, über die Rolle der Bauwirtschaft in der ökosozialen Krise eingeplant, um eine aktive Schlüsselstelle im Gespräch mit Akteur*innen, Verantwortlichen wie Beplanten der Bauwirtschaft einzunehmen.

 


[1] Siehe: Gabu Heindl, Stadtkonflikte. Radikale Demokratie in Architektur und Stadtplanung, Wien 2020

 

Eine der größten Herausforderungen im Bereich Bauwirtschaft ist aktuell die Versorgung mit bezahlbarem und zugleich klimafreundlichem Wohnbau: Dies betrifft Klimaschutz-Aspekte im Gesamtbereich des Wohnens inklusive der Faktoren für gerechte Wohnbedingungen. Die Erfahrung von Wohnkosten- und Bodenpreissteigerungen in deutschen Städten ist Teil einer globalen Wohnungskrise im Rahmen von Urbanisierungs- und Finanzialisierungsprozessen. Neben dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum unterstreichen die weltweite Erderwärmung und Klimakrise die Notwendigkeit von Dekarbonisierungsprozessen auch im Wohnbau. In beiden Bereichen gibt es eine breite Basisforschung, von Finanzstruktur, Energiearmut, bis hin zu Ökologisierung und Dekarbonisierung von Wohnbau. Ein Forschungs-Desiderat ist jedoch die Verbindung der sozialen und ökologischen Komponenten in Hinblick auf Handlungsmöglichkeiten für Politik, Planung und Eigeninitiative. Somit kommt der hier angestrebten Perspektive der kollaborativen Projektentwicklung ein hoher Innovationsgrad zu, besonders angesichts des aktuellen Ziels des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, pro Jahr 400.000 Wohnungen zu errichten. Ziel ist die Bestandsaufnahme bestehender Best Practice Beispiele und von Planungsinstrumenten für bezahlbaren Wohnbau im Vergleich Deutschland, Österreich, Schweiz sowie eine Potenzialanalyse der Gestaltungsmöglichkeiten und Finanzierungsmodelle im Sektor des gemeinnützigen Wohnbaus samt entsprechender öffentlicher Infrastruktur: durch fiskalische Instrumente, Förderstrukturen, städtebauliche Verträge, Widmungsabgaben, Public Private Partnerships (bzw. ÖPP), u.a.

Ziel dieses Forschungsprojekts ist der Aufbau eines Netzwerks zwischen Uni-Forschungsstellen und Non-Profit Organisationen mit dem Forschungsschwerpunkt „Non-Market Rental Housing“. Gerade für vulnerable Gruppen ist dieser Wohnungssektor weltweit relevant, allerdings sind die strukturellen Ausgangsbedingungen sehr unterschiedlich. Die Expertise von Prof. Gabu Heindl im Themenkomplex Wohnbauförderung, Leerstand, Bodenpreisregulation und ihre umfassende Kenntnis des weltweit beachteten und diskutierten Wiener Wohnbaumodells hat sie in Kongressen in Hawaii, Vancouver, Hong Kong, Berlin eingebracht. Durch den internationalen Austausch sollen erfolgreiche Policy-Aspekte miteinander und mit den jeweils konkret lokalen Grundstrukturen in Bezug gestellt werden. In diesem Kontext sind v.a. das Konzept der Gemeinnützigkeit und Genossenschaftsprinzip in der Geschichte Deutschlands und der kommunale Wohnbau seit dem Roten Wien der 1920er Jahre neben aktuellen internationalen Best Practice Anwendungsmodellen zu untersuchen.

Im erweiterten Rahmen der DeGrowth Forschung geht es darum, einen Bauwirtschaftsbegriff im Sinn von „Umbauen statt Neubauen“ zu definieren. Voraussetzung dafür ist die These eines Endes des Akkumulationsimperativs im Bauen. Das führt zur notwendigen Stärkung von Weiterbau und Nutzung von Bestandsressourcen. Relevant dabei ist die Wirksamkeit bestehender Raumplanungsinstrumente und bodenpolitischer Instrumente, vor allem in Zusammenhang mit einer Aktualisierung von Kostenwahrheit in Bezug auf Leerstand, Neubau, Versiegelung, Entsorgungskosten und unökologische Produktionsmethoden. Der Transformationsprozess der Bauwirtschaft Richtung Um- und Weiterbau führt dabei zu architektonischer Innovation in Typologie, Bauweise und Siedlungsform. In Bezug auf Gebäudetypologie erfordert Um-Bauwirtschaft im Kontext von Postwachstum ein Denken in neuen Hybridformen und Raumrelationen in Kombination mit dem Verständnis für die Kosten von Leerstand, von Versiegelung und künftigen Entsorgungskosten. Der spezifische Blick kritischer Bauwirtschaftsforschung im Feld der Architektur nimmt dabei die Rolle der Normeninstitute, progressive Lebenszyklusberechnungen, die Kostenermittlung ökologischer Materialinnovation und Bauweisen ins gemeinsame Visier mit raum- und gebäudetypologischen Qualitätskriterien, kombiniert also progressive Wirtschaftlichkeitsparameter mit nachhaltigen Entwurfskriterien.

Im städtischen Raum findet sich vermehrt die Forderung nach partizipativen Planungsprozessen. Das hat sich auch deutlich in der Neuen Leipzig Charta von 2020 niedergeschlagen ebenso wie in der Evaluierung nach 50 Jahren Städtebauförderung. Für die Beforschung integrierter und kooperativer Stadtentwicklungsprozesse ist die Kombination von Praxis und Theorie besonders vorteilhaft, was sich sehr gut mit dem Entwurfsschwerpunkt im Master Vertiefungslehrgang verbinden lässt. Im Folgenden drei Ansätze für interdisziplinäre Forschungsfragen direkt aus der Praxis mit Projektentwicklungsprozessen, die im Rahmen der spezifischen radikaldemokratischen Ausrichtung von Projektentwicklung und in Abstimmung mit den sich zu qualifizierenden Mitarbeiter*innen erst noch ausgearbeitet werden müssen:

Zum einen betrifft das Digitalisierungsprozesse in Teilhabeprozessen, besonders in Hinblick auf gezielte Förderung der Mitgestaltung und Teilhabe über Eigeninitiative und Selbstbau.

Der zweite Strang betrifft plurale und feministische Formen der Bauwirtschaft, u.a. Commons, Selbstorganisation, kooperatives Bauen, Partizipatives Budget, Mietshäusersyndikat, Direktkredite – unter Einbindung eines intersektionalen Verständnisses von Bauwirtschaft, also in Bezug auf Machtverhältnisse von Gender, race und Klasse, Behinderung, sexuelle Orientierung.

Nicht zuletzt braucht es die kritische Evaluierung und Weiterentwicklung von partizipativen Planungs- und Entwicklungsprozessen sowie Planungstheorien zur Öffnung der Planung für Teilhabe.

Wissens-, Methoden- und Technologietransfer neuer Projektentwicklungsprozesse

Ein langfristiges Ziel ist die Entwicklung einer Disseminationsplattform für Wissen-, Methoden- und Technologietransfer. Projektentwicklungsprozesse von Architektur, Nachbarschaften und Landschaftsgebieten stehen vor neuen Fragen, besonders in Bezug auf demokratische Teilnahme-Forderungen von Mitbestimmung, Selbstbau- und non-profit-Initiativen, die es oft mit relativ niedrigen Projektbudgets zu tun haben. Das Fachgebiet soll sich daher für möglichst barrierefreien Wissens-, Methoden- und Technologietransfer einsetzen, insbesondere im Sinn eines inklusiven Rechts auf Teilhabe.

Ganz allgemein soll die Rolle der Architektur im Kontext der anstehenden Paradigmenwechsel in der Projektentwicklung gestärkt werden: zum einen im Rahmen von partizipativen Prozessformen, zum anderen in der Entwicklung von Planungsinstrumenten und in der strategischen Planung:

 

Demokratisierungsansätze zur Teilhabe an Projektentwicklungsprozessen

  • Transparenz von Projektentwicklungsprozessen und Wettbewerben
  • neue Methoden der Teilhabe in Projektentwicklung, Vergabeverfahren und Gestaltung
  • Agency von Architektur zwischen Auftraggeber*in und Nutzer*innen
  • Differenzierte Partizipationskritik

 

Architektur und Städtebau in strategischer Planung verankern

  • profundes Verständnis für die Weichenstellungen eines Projekts in der Phase 0 des Prozesses
  • aktive Rolle an Schnittstellen zu Raumplanung, Stadtplanung, Ökonomie und Rechtswissenschaften
  • Kenntnis der Berechnungsgrundlagen von Bau-, Wartungs- und Infrastrukturkosten
  • Problemlage der Nicht-Quantifizierbarkeit von stadträumlich/architektonischen Qualitäten
  • Spannungsfeld maximal geklärter Entwurfsparameter zu Ergebnisoffenheit in Ausschreibungen