Über Städtebauförderung hinaus | Tagung am 13. Juni 2013

Das Fachgebiet Stadterneuerung / Stadtumbau am Fachbereich Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung der Universität Kassel veranstaltete in Kooperation mit dem Arbeitskreis Stadterneuerung an deutschsprachigen Hochschulen am 26. und 27. Juni 2014 in Kassel seine jährliche Stadterneuerungstagung zum Thema „Über Städtebauförderung hinaus“.

Unser Verständnis von Stadterneuerung ist ganz wesentlich von öffentlicher Förderung geprägt. Schon in den Anfängen der Stadterneuerung war diese als öffentlich initiierte Sanierung von Beständen zu verstehen, die sich aufgrund der vorliegenden städtebaulichen Missstände nicht durch einfache Mittel anpassen ließen. Mit der Vorbereitung und Einführung des Städtebauförderungsgesetzes war der Grundstein gelegt für ein ausgereiftes Verständnis von Stadterneuerung, das uns – mit vielen inhaltlichen Wendungen und Weiterungen – bis heute prägt. Es ist entstanden in einer Zeit, die von ersten zentralen Krisen des sozialstaatlichen Modells gekennzeichnet war, und sollte dazu beitragen, mit staatlicher Unterstützung im Sinne einer keynesianistischen Wirtschaftspolitik neue wirtschaftliche Aktivitäten zu stimulieren. Dabei gelang es nicht nur, Elemente des Marktversagens in der räumlichen Entwicklung (Zugriff auf Grund und Boden, Investitionen in öffentliche Räume, Trittbrettfahrerproblematik privater Eigentümer in niedergehenden Stadtteilen) erfolgreich zu überwinden, sondern darüber hinaus eine Vielzahl von öffentlichen Investitionen in benachteiligten Stadtquartieren zu konzentrieren und private Investitionen in einem teilweise erheblichen Maße anzuregen. Dabei wurde außerdem gerade die lokale Wirtschaft über das Bauhandwerk und andere Branchen unterstützt. Dieser Modus der Bündelungs- und Anstoßeffekte ist bis heute eine zentrale Rechtfertigung für einen öffentlichen Mitteleinsatz in der Stadterneuerung.

Zugleich hat sich das Umfeld der staatlich geförderten Stadterneuerung erheblich gewandelt: Wenn auch erst zögerlich, so haben doch Entstaatlichungstendenzen in der Stadtentwicklung im Nachgang zu einem neoliberalen Umbau des Wirtschaftssystems inzwischen einen erheblichen Stellenwert. Vor dem Hintergrund eines defizitären Bundeshaushalts stagniert die öffentliche Förderung, zumal man glaubte, sich angesichts des größtenteils wenn auch nur temporär entspannten Marktes aus der sozialstaatlichen Wohnungsversorgung zurückziehen zu dürfen. In diese programmatische Lücke sind zahlreiche private Initiativen gestoßen, die zentrale Aufgaben der Stadterneuerung ohne Förderung des Staates übernommen haben. Die Wirkungen dieser vor dem Hintergrund einer gesicherten Wohnungsversorgung gerade noch verständlichen Handlungsschiene sind auch im Hinblick auf die daraus folgenden sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Folgen für alle Beteiligten und Betroffenen zu untersuchen. Die Umlegung der Kosten für Stadterneuerung und Stadtumbau auf die Geschäftsleute mittels neuer Instrumente wie CID und HID sowie die Steigerung der Wohnkosten für die Mieter durch neue Instrumente wie HID oder auf dem Wege klassischer Modernisierungsumlagen führen für Teile der Bevölkerung zu einer deutlichen Verschlechterung der Lebenssituation und letztlich zur Vertreibung aus den angestammten Wohnquartieren.

Erst allmählich und begrenzt auf attraktive städtische Räume entsteht ein neues Bewusstsein dafür, dass die große baulich-räumliche Herausforderung des Sozialstaats, die Bewältigung der Wohnungsnot in Deutschland, nicht aus sich heraus in einem marktwirtschaftlich organisierten System ohne staatliche wohnungspolitische Interventionen Bestand haben muss. Dennoch wird vielerorts im Zusammenhang mit der Krise der öffentlichen Haushalte der Spielraum für stadtentwicklungspolitisches Handeln in den Kommunen deutlich eingeschränkt, und das sogar bis hinein in die Stadterneuerung. Die Sanierung von Stadtteilen in Ostdeutschland scheint auf weiter Front zumindest baulich deutliche Erfolge gezeitigt zu haben, während die demographischen Probleme dieser Städte die weitere Förderung von Beständen im Zuge umfassender Rückbaustrategien in Frage gestellt haben. Vor diesem Hintergrund wird die Städtebauförderung immer wieder in Frage gestellt, obwohl ein erneuerter Sanierungsbedarf und insbesondere die Notwendigkeit, sich der sozialräumlichen Benachteiligung in zahlreichen Quartieren zu stellen, vielerorts nach wie vor zu beobachten ist.

In diesem Umfeld gilt es, die Perspektiven von Stadterneuerung und Stadtumbau neu auszuleuchten und das System der Städtebauförderung zu hinterfragen. Dabei soll es sowohl um die Leistungsfähigkeit des bisherigen, als bewährt geltenden Instrumentariums gehen als auch um Innovationsbeiträge zu dessen Weiterentwicklung und schließlich Ansätze von Stadterneuerung und Stadtumbau jenseits dieses Rahmens.

Der Arbeitskreis Stadterneuerung hat sich 1989 gegründet und ist vor allem durch sein seit 1990 jährlich herausgegebenes Jahrbuch Stadterneuerung bekannt. Dieses Jahrbuch behandelt in jeder Ausgabe einen Themenschwerpunkt.


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