Wie Planer:innen gemacht werden

Sub­jek­ti­vie­run­gen von Pla­ner:in­nen im Kon­text von Re­gio­nal­pla­nung und Wind­ener­gie in Deutsch­land

2018-2022 (DFG-Sachbeihilfe, Projektnummer 401342127)

Räumliche Planung ist dazu verpflichtet, der Windenergienutzung substanziell Raum zu geben. Dies stellt die Planenden vor neuartige Herausforderungen: Im Unterschied zu anderen Themenfeldern sind bei der Ausweisung von Einenergie-Flächen (Vorrang- und Eignungsgebieten) detaillierte rechtliche Vorgaben zu beachten; die vorgegebene Planungsmethodik mit der Überlagerung ‚harter‘ und ‚weicher‘ Tabukriterien erfordert die Nutzung umfangreicher digitaler räumlicher Informationssysteme; und schließlich erfährt die Planung vielerorts eine extreme Politisierung, die in tausenden von Stellungnahmen, Protesten wütender Bürger:innen und populistischen Anfeindungen zum Ausdruck kommt.

Ziel des Projekts war es zu untersuchen, welche Konsequenzen sich daraus für die beruflichen Identitäten von Regionalplaner:innen ergeben. Identitäten (oder Subjektivierungen) wurden dabei als Ergebnis des Zusammenwirkens gesellschaftlicher Anrufungen und Rollenerwartungen einerseits und eigenen Ansprüchen sowie eigener Identitätsarbeit andererseits verstanden.

In methodischer Hinsicht beruhte das Projekt auf Textanalysen und narrativen Interviews mit Regionalplaner:innen in Verbindung mit Kodiertechniken. Die Auswahl der Textdokumente und Interviewpartner:innen folgte der Logik maximaler Varianz, um ein möglichst breites Spektrum von Subjektpositionen und Subjektivierungsweisen abzudecken. Die Textanalysen richteten sich auf die deutschsprachige Planungsliteratur sowie auf Leitfäden, Handbücher und Internetseiten zu Fragen der Öffentlichkeitsbeteiligung.

„Der bes­te Job, den man ha­ben kan­n“

Workshop I Do, 23. Ju­ni 2022, 13–16 Uhr

Be­ruf­li­che Selbst­ver­ständ­nis­se von Pla­ner:in­nen vor dem Hin­ter­grund wi­der­sprüch­li­cher An­for­de­run­gen

Ziel des Workshops war es, berufliche Selbstverständnisse von Stadt- und Regionalplaner:innen vor dem Hintergrund widersprüchlicher Anforderungen und Erwartungen an ihr berufliches Handeln zu thematisieren. Auf diese Weise ließen sich sowohl individuelle Herangehensweisen als auch Macht- und Herrschaftsverhältnisse in der räumlichen Planung in den Blick bringen.

Der Workshop wurde vom Team des Fachgebiets Landschaftsplanung und Kommunikation (Universität Kassel) in Kooperation mit der ARL – Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft veranstaltet und von der DFG finanziell unterstützt.

Hintergrund

Menschen, die in der öffentlichen Verwaltung im Bereich der räumlichen Planung arbeiten, sehen sich mit wachsenden und zum Teil widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert. Dazu gehören umfangreichere Beteiligungsansprüche, komplexere Kommunikationsprozesse und intensivere Konflikte in einem teilweise von populistischen Tendenzen beeinflussten politischen Umfeld. Aktuelle Herausforderungen zeigen sich beispielsweise in der Auseinandersetzung mit Themen wie der Wohnungsknappheit in Ballungsräumen, dem Klimawandel sowie der Energie- und der Mobilitätswende. Diese äußeren Herausforderungen ermöglichen und begrenzen Spielräume und Handlungsmöglichkeiten für Planer:innen. Die Ansprüche an die Qualität der eigenen Arbeit stehen nicht selten in Konflikt mit den äußeren Bedingungen des planerischen Handelns.

In planungstheoretischen Debatten und in der internationalen Planungsforschung bilden berufliche Rollen und Selbstverständnisse von Planer:innen seit Langem ein viel beachtetes Thema. Zur Erforschung und Analyse dieser Themen werden unterschiedliche theoretische Perspektiven genutzt, oftmals aus Poststrukturalismus und Pragmatismus oder aus der Gender- und der Planungskultur-Forschung. Auch in Deutschland sind in den letzten Jahren mehrere Forschungsvorhaben zu planerischen Identitätskonstruktionen und Rollenverständnissen initiiert und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert worden.

 

Projektrahmen

Die Veranstaltung bildete den Abschluss des DFG-geförderten Projekts „Wie Planer:innen gemacht werden: Subjektivierungen von Planer:innen im Kontext von Regionalplanung und Windenergie in Deutschland“, das 2018-2022 von Prof. Dr. Markus Leibenath geleitet worden ist. Dieses Projekt und seine Ergebnisse wurden mit zwei weiteren DFG-geförderten Vorhaben in einen Dialog gebracht: „Räumliche Transformationsprozesse der Energiewende – Planungsbezogene Analyse- und Gestaltungspotenziale der Geschlechterforschung“, 2021-2023, geleitet von Dr. Martina Hülz und apl. Prof. Dr. Tanja Mölders, sowie „Planerinnen und Planer, ihr Alltag und ihre Entscheidungen. Die empirische Analyse des Alltagshandelns von Stadtplanerinnen und Stadtplanern“, 2016-2020 geleitet von Prof. Dr. Frank Othengrafen. Außerdem wurden mögliche Schlussfolgerungen für die Planungspraxis diskutiert und Perspektiven für weitere wissenschaftliche Untersuchungen aufgezeigt.

 

Zielgruppe

Zur Zielgruppe des Workshops gehörten Wissenschaftler:innen aus Stadt-, Regional- und Landschaftsplanung, Planungspraktiker:innen und Studierende aus planungswissenschaftlichen Studiengängen.

 

Graphic Recording

Während der Veranstaltung wurde ein Graphic Recording erstellt, also eine handgezeichnete Visualisierung der Inhalte und Ergebnisse. [Download in höherer Auflösung, ca. 2,0 MB] [PDF]

 

Klicken Sie hier zum Download des Programms, der Vortrags-Kurzfassungen und der Vortrags-Präsentationen: 

"Geschlecht_Macht_Raum" von Prof. Dr. Tanja Mölders 

"Gedanken aus der Planungspraxis" von Karl Schmude

"Wir sind Projektionsfläche für alle Wünsche" von Sabrina Schröder

"Zwischen Technologien der Macht und Technologien des Selbst" von Prof. Dr.-Ing. Markus Leibenath

"Planer:innen und ihre Selbstverständnisse" von Prof. Dr. Frank Othengrafen und Jun.-Prof. Dr. Meike Levin-Keitel

 

Weiterführende Informationen

  • Schröder, S. & Leibenath, M. (2024 [online first]), Insisting on not being addressed in that way: Ideology, subjection and agency in the context of spatial planning. Planning Theory; https://dx.doi.org/10.1177/14730952241228745.

  • Thiele, P. & Leibenath, M. (2021), Wie mit Populisten umgehen? Demokratie- und planungstheoretische Perspektiven für Planungspraxis und Planungsforschung. Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning, 79, 3, 228-242; https://dx.doi.org/10.14512/rur.77.
  • Leibenath, M. (2019), Berufliche Identitäten von Regionalplanern im Kontext der Windenergienutzung: eine poststrukturalistische Perspektive. Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning, 77, 2, 165-180. http://dx.doi.org/10.2478/rara-2019-0008 
  • Lintz, G. & Leibenath, M. (2020), The politics of energy landscapes: the influence of local anti-wind initiatives on state policies in Saxony, Germany. Energy, Sustainability and Society, 10, 1, 5. http://dx.doi.org/10.1186/s13705-019-0230-3
  • Leibenath, M. & Lintz, G. (2018), Understanding ‘landscape governance’: the case of wind energy landscapes in Germany. Landscape Research, 43, 4, 476-488. dx.doi.org/10.1080/01426397.2017.1306624
  • Wirth, P. & Leibenath, M. (2017), Die Rolle der Regionalplanung im Umgang mit Windenergiekonflikten in Deutschland und Perspektiven für die raumbezogene Forschung. Raumforschung und Raumordnung |Spatial Research and Planning, 75, 4, 389-398. http://dx.doi.org/10.1007/s13147-016-0436-1  
  • Leibenath, M., Wirth, P. & Lintz, G. (2016), Just a talking shop? – Informal participatory spatial planning for implementing state wind energy targets in Germany. Utilities Policy, 41, 206-213. http://dx.doi.org/10.1016/j.jup.2016.02.008