Regierungskonstellationen und die Politisierung der Ministerialbürokratie in den deutschen Bundesländern

Projektbericht

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Überblick

Die leitenden Verwaltungspositionen in Ministerien sind in Deutschland mit „politischen Beamten“ besetzt. Für die Auswahl politischer Beamter ist die persönliche und parteipolitische Zugehörigkeit ein legitimes Einstellungskriterium. Eine häufig geäußerte Vermutung ist allerdings, dass das Recht zur Ämterbesetzung aufgrund parteipolitischer und persönlicher Loyalität dazu führen könnte, dass die Verwaltungsleitungen mit Personen besetzt werden, die Defizite in ihrer fachlichen Kompetenz aufweisen.

Während die Auswahl von politischen Beamt*innen auf Bundesebene in Deutschland im Laufe der letzten drei Dekaden Gegenstand einiger Forschungsprojekte war, ist die Landesebene fast vollständig unerforscht. Es ist weitgehend unerforscht, wie wichtig Parteiverbindungen für die Auswahl von Spitzenbeamt*innen in Landesministerien sind und ob es Unterschiede zwischen den Bundesländern oder zur Bundesebene gibt.

Das von der Fritz-Thyssen-Stiftung 2015-2018 finanzierte Forschungsprojekt „Regierungskonstellationen und die Politisierung der Ministerialbürokratie” zielte darauf ab, diese Forschungslücke zu schließen. Zwei Formen der Politisierung der Landesministerien waren für das Projekt von wesentlicher Bedeutung. Dies ist zum einen die Parteipolitisierung, welche die Bedeutung der parteipolitischen Verbindungen für Rekrutierungsentscheidungen von Spitzenbeamt*innen untersucht. Zum anderen beschäftigte uns das Phänomen einer Hybridisierung von Politik und Verwaltung. Hier wird gefragt, ob Spitzenpolitiker*innen und Spitzenbeamt*innen klar getrennte Karriereverläufe haben oder ob eine Tendenz der Angleichung zu erkennen ist.

Im Ergebnis der Analysen zeigten sich zwei wichtige Gründe für Unterschiede in der Politisierung von Spitzenbeamt*innen in den deutschen Bundesländern: Regierungszusammensetzung und Region. Spitzenbeamt*innen, die unter „neuen Regierungskonstellationen“ in ihr Amt berufen wurden, weisen häufiger eine hohe Politisierung auf. Als „neue Regierungskonstellationen“ bezeichnen wir Regierungskoalitionen, die es in den letzten 25 Jahren weder im betreffenden Bundesland noch auf Bundesebene gab. Zusätzlich beobachteten wir deutliche Ost-West-Unterschiede: Spitzenbeamt*innen im Osten der Bundesrepublik haben seltener berufliche Erfahrung in der Politik und sind seltener Mitglied einer politischen Partei als ihre Kolleg*innen im Westen.

Hinsichtlich der Hybridisierung zeigen frühere Studien, welche vor allem die Karrieren von Regierungspolitiker*innen und Spitzenbeamt*innen auf Bundesebene untersuchten, auffällige Unterschiede zwischen beiden Gruppen und somit nur geringe Tendenzen zur Hybridisierung von Karrieren. Unsere Projektergebnisse zeigen jedoch, dass die Hybridisierung der Karrieren auf Landesebene größer ist als auf Bundesebene. So kommt es beispielsweise nicht selten vor, dass ein ehemaliger Spitzenbeamter später Landesminister wird. Weiterhin wird deutlich, dass Spitzenbeamt*innen auf Landesebene häufiger als auf Bundesebene Quereinsteiger ohne langjährige Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung sind, wenngleich auch auf Landesebene viele Spitzenbeamt*innen aus der Verwaltung kommen.

Projektbezogene Veröffentlichungen

  • Veit, S., Hustedt, T. and Bach, T., 2016. Dynamics of change in internal policy advisory systems: the hybridization of advisory capacities in Germany. In: Policy Sciences 50 (1): 85-103.
  • Vedder, S. and Veit, S. 2017. Politische Kultur und Parteipolitisierung von Verwaltungseliten in den alten und neuen Bundesländern. In: der moderne Staat 10 (1), 153-168.
  • Bach, T. and Veit, S., 2017. The Determinants of Promotion to High Public Office in Germany: Partisan Loyalty, Political Craft, or Managerial Competencies? In: Journal of Adminstrative Research and Theory 66 (2): 254-269.
  • Veit, S., 2019. Career Patterns in Administrations. In: Peters, B. Guy and Thynne, Ian, eds. Oxford Encyclopedia of Public Administration. Oxford: Oxford University Press (forthcoming).

Konferenzpräsentationen

  • Vedder, S., Veit, S., Shifting Challenges: Government Constellations and the Selection of Top Civil Servants. ECPR General Conference. Hamburg, 23. August 2018.
  • Vedder, S., Reactions to Crises: Elite Recruitment and the 'Glass Cliff'. IPSA World Congress of Political Science. Brisbane (Australia), 23. July 2018.
  • Jann, W., Politicians and Public Servants in Germany. Canadian Certificate Program in Public Sector Leadership and Governance. Berlin. 09 April 2018.
  • Veit, S., Politicization of Bureaucracy: Empirial Manifestations, Causes and Consequences. Lecture at the School of Government of the Victoria University of Wellington (New Zealand). March 2018
  • Vedder, S., Rekrutierungsmuster und Karriereverläufe von Regierungsmitgliedern. Research colloquium "70 Jahre Rheinland-Pfalz: Historische Betrachtung und politikwissenschaftliche Analyse", Mainz, 21-23 June 2017.
  • Vedder, S., Erwartungen der Öffentlichkeit in Krisenzeiten: Die Ernennung von Ministern und Spitzenbeamten als Signal. FoJuS Annual Conference, Potsdam, 24 May 2017.
  • Vedder, S., Analyzing biographical Data of Administrative and Political Elites in Germany. Careers and Roles of Senior Officials and Political Appointees in Comparative Perspective. Oslo (Norway), 19 April 2016.
  • Vedder, S., Regierungskonstellationen und Personalrekrutierung: Eine Analyse der Karrierehintergründe von Regierungspolitikerinnen und -politikern in Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen 1991-2016. Presentation at the conference of the DVPW Section Regierungssystem und Regieren in der Bundesrepublik Deutschland, Schwäbisch Gmünd, 17-18 November 2016.
  • Scholz, S. and Vedder, S., Hybrid Elites – Career Patterns of Politicians and Top Civil Servants on Federal and Regional Levels. Presentation at the 24th World Congress of Political Science, Poznan (Poland), 23-28 July 2016.

Kontakt

Bitte kontaktieren Sie für Informationen zum Projekt Prof. Dr. Sylvia Veit oder Stefanie Vedder.

Projekt

Team

  • Prof. Dr. Sylvia Veit
  • Prof. Dr. Werner Jann, University of Potsdam
  • Stefanie Vedder, M.A.
  • Fabiana Heidrich
  • Dennis Häuser

Laufzeit
November 2015 bis Oktober 2018